Lars Stindl:In der Karlsruher Kurve hochwillkommen

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Zurück zu den badischen Wurzeln: Lars Stindl 2010 im Trikot des Karlsruher SC. (Foto: Sportnah/Imago)

Der Gladbacher Lars Stindl steht vor der Rückkehr zu seinem Jugendklub Karlsruher SC. Beim Zweitligisten kalkuliert man einige Risiken und Nebenwirkungen des Transfers offenbar ein.

Von Christoph Ruf, Karlsruhe

Im Jahr 2010 hatte Lars Stindl den damaligen Zweitligisten Karlsruher SC verlassen, um in Hannover (2010 bis 2015) und Mönchengladbach (2015 bis 2023) auf größerer Bühne seine fußballerische Klasse einzubringen. Nun deutet alles darauf hin, dass er 13 Jahre später zurückkehrt: in die zweite Liga und auf die kleinere Bühne, die jener Verein bietet, bei dem er seit dem zwölften Lebensjahr ausgebildet worden war: der KSC.

Offiziell bestätigt ist die Meldung noch nicht. Aber dass Stindls KSC-Vertrag eine Anschlussklausel enthalten soll, die auch die Zeit nach dem Karriereende einbezieht, dürfte nicht unwesentlich gewesen sein für seine Entscheidung, Gladbachs Angebot zur Vertragsverlängerung auszuschlagen und in seine nordbadische Heimatgemeinde Wiesental zurückzukehren, in der er ein Haus gebaut hat. Seine Antwort auf ein konkretes KSC-Angebot wird in den kommenden Tagen erwartet.

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Stindl, der als Kind Thomas Häßler im Karlsruher Trikot zujubelte, bezeichnet sich zudem selbst als beinharten KSC-Fan. So einer wäre in der Kurve sogar dann hochwillkommen, wenn er kein so guter Fußballer wäre. Doch genau das ist der elfmalige Nationalspieler fraglos immer noch. 24 von 29 möglichen Spielen hat Gladbachs Kapitän in dieser Saison absolviert und fünf Tore geschossen. Gerne hätte die Borussia ihn behalten, doch das ist seit zwei Wochen vom Tisch. Wenn nun demnächst verkündet wird, dass ein immer noch sehr überdurchschnittlicher Erstligaspieler künftig beim Tabellen-Neunten des Unterhauses anheuert, wird die Freude im Badischen keine Grenzen kennen.

Dabei birgt der Transfer auch Risiken. Schließlich wäre der heimat- und klubverbundene Stindl, 34, der auf mindestens drei Viertel seines Gladbacher Gehalts verzichten würde, beim KSC dennoch mit Abstand der Topverdiener. Ob eine Sprengung des Gehaltsgefüges dem Betriebsklima förderlich ist, dürfte dann auch davon abhängen, wie schnell sich Stindl in der ruppigen zweiten Liga akklimatisiert. Andererseits hätte er beim KSC in Jérôme Gondorf und Marvin Wanitzek gleich zwei gute Fußballer an seiner Seite. Wer den Sechser Tim Breithaupt, der wohl nach Augsburg wechselt, ab Sommer ersetzt, ist unklar. Ein Holzfuß wird es aber eher nicht sein, denn dieser Spielertypus steht bei Trainer Christian Eichner, der mit Stindl noch im KSC-Dress zusammengespielt hatte, auf dem Index.

Allerdings haben die Verantwortlichen bei Stindls Verpflichtung ein kommunikatives Problem zu lösen. Schließlich wurde unlängst der langjährige Sportdirektor Oliver Kreuzer freigestellt, weil es ihm nicht mehr gelungen sei, "Werte zu schaffen", wie es in jenem Marketing-Deutsch heißt, das man beim KSC häufiger hört als früher. Heißt: Es wurden keine jungen, entwicklungsfähigen Spieler aufgebaut, die der KSC nach erfolgter Reife gewinnbringend hätte verkaufen können. Auf Stindl, der im August 35 wird, trifft das allerdings auch nicht zu. Tatsächlich würde aktuell, abgesehen vom derzeit verletzten Breithaupt, kein Spieler des definitiv nicht zu jungen Karlsruher Kaders eine erwähnenswerte Ablöse einbringen.

Der KSC muss eigentlich Geld generieren, indem er Talente entwickelt und verkauft

Dabei muss der KSC mit seinem selbst für Zweitliga-Verhältnisse mickrigen Etat Talente verpflichten und entwickeln, um im Idealfall Jahre später mit ihnen Geld zu generieren. Eine interne Analyse hat wenig überraschend ergeben, dass der Klub in Sachen Sponsoring, Ticketing und Merchandising mindestens im Ligadurchschnitt liegt. Nur Transfereinnahmen erwirtschaftete der KSC so gut wie nie. Der ehemalige FC-Bayern-Verteidiger Kreuzer war konzeptionell ohnehin eher der alten Schule zuzurechnen. Fragen nach mittelfristiger Planung beantwortete er auch Journalisten gegenüber gerne mit einer wegwerfenden Handbewegung und dem Hinweis, dass es jetzt um die nächsten beiden Spiele gehe. Und danach wieder um die nächsten zwei. Auch der Aufbau einer halbwegs konkurrenzfähigen Scouting-Abteilung wurde vernachlässigt. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren deshalb vor, dass die jeweiligen Trainer Spieler vorfanden, mit denen sie wenig anfangen konnten.

Unter Präsident Holger Siegmund-Schultze, der seit fast zwei Jahren amtiert, will der KSC nun selbstbestimmter agieren und Strukturen aufbauen, die ligaunabhängig Bestand haben. Der KSC ist aber nicht der einzige Verein, bei dem eine solche Prioritätensetzung für Konflikte sorgt. Die schwierige Aufgabe, den Profikader, die Infrastruktur und den Nachwuchsbereich parallel zu entwickeln, beherrschen nur die wenigsten der 18 Zweitligisten. Beim kleinen Nachbarn SV Sandhausen wird gerade darüber geklagt, dass jeder Euro in den Lizenzspielerkader fließe und die Infrastruktur leide. Beim KSC monieren derzeit sehr viele mit nur halb gedämpfter Stimme das Gegenteil: Es werde zu viel Geld in Stadion und Geschäftsstelle investiert, und bei Transfers könne man nicht mal mit Sandhausen mithalten.

Immerhin wird von den meisten Fans honoriert, dass die Zeiten vorbei sind, in denen im Winter die Maximen vom Sommer über Bord geworfen wurden. Und mittlerweile hat sich auch die Aufregung nach der Absetzung von Kreuzer gelegt. Dem waren letztlich veränderte Mehrheitsverhältnisse im Beirat zum Verhängnis geworden. Der hatte im August mit 3:2 Stimmen Kreuzers Vertrag bis 2025 verlängert. Nach einer Nachwahl votierte nun eine 3:2-Mehrheit für dessen Abberufung. Dieses schnelle Hin-und-Her bringt Kreuzer nun mehr als 600 000 Euro Abfindung ein. Wenn das Lars Stindl wüsste.

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