Süddeutsche Zeitung

FC Barcelona:Das Champagner-Barça ist wieder da

Joan Laporta siegt bei den Präsidentenwahlen des katalanischen Traditionsklubs mit absoluter Mehrheit. Er lässt die Mitglieder von einer Rückkehr zu alter Glorie träumen - und von der Verpflichtung eines Bayern-Profis.

Von Javier Cáceres

Die Bilder glichen jenen von 2003, nur das einstmals dunkle Haar des Protagonisten wirkt allmählich leicht gepudert. Aber sonst? Joan Laporta nahm wieder eine Flasche Cava, wie die katalanische Variante des Schaumweins heißt, schüttelte sie durch und ließ das Getränk dann zur Feier des Tages aus der Flasche entweichen, wie ein Formel-1-Fahrer nach dem Triumph. Die Umstehenden gingen mit Kleiderstücken heim, die Alkohol ausdünsteten.

Da war es also wieder: das "Champagner-Barça", das in der ersten Amtszeit Laportas (2003 bis 2010) unter anderem das Sextuple mit Pep Guardiola gewann und unentwegt die Korken knallen ließ, gern auch in der aktuell pandemiebedingt geschlossenen Tanzlokalität Luz de Gas. Am Sonntag holte Laporta bei den Präsidentschaftswahlen des FC Barcelona 30 184 oder 54,3 Prozent der abgegebenen Stimmen; am Urnengang beteiligten sich 55 611 von rund 110 000 stimmberechtigten Mitgliedern. "Ich stehe vor der größten Herausforderung meines Lebens", sagte Laporta - und grölte die Hymne des Klubs: "Barça, Barça, Baaaaarça!"

Die Vermutung, dass die Aufgabe herkulisch wird, dürfte stimmen. Gemäß spanischem Sportrecht muss Laporta eine von der Bank von Spanien beglaubigte Bürgschaft in Höhe von 15 Prozent des Etats des Klubs vorweisen. Laporta, 58, muss also voraussichtlich 124 Millionen Euro mobilisieren. Vor allem aber muss er rasch die desaströse finanzielle Lage des Klubs unter Kontrolle bekommen. Bezeichnenderweise war der erste Zugang der neuen Ära, der vermeldet wurde, kein kurzbehoster Kicker, sondern ein Manager aus einem in Ingolstadt beheimateten Unternehmen: Ferran Reverter Planet, bislang CEO von MediaMarktSaturn, wird Vorsitzender der Geschäftsführung Barças. "Die Chance zu haben, die Zukunft des vielleicht größten und berühmtesten Vereins der Welt maßgeblich mitzugestalten, und das in meiner Heimatstadt, in der meine Familie lebt - diese Gelegenheit gibt es nur einmal im Leben", sagte Reverter.

Die Verbindlichkeiten sind auf eine Summe jenseits der Milliardengrenze gestiegen - 730 Millionen Euro von den Außenständen in Höhe von 1,173 Milliarden Euro sind kurzfristige Schulden. Und das wiederum bedeutet, dass er mit den Banken (über Kreditstundungen) und den Profis (über Gehaltskürzungen) reden muss. Zu den Ideen, die Laporta im Wahlkampf geäußert, aber nur schemenhaft ausgeführt hat, zählt die Ausgabe von Schuldscheinen.

Trotz der ruinösen Situation kursieren auch Namen prominenter Fußballer. Die Zeitung As schrieb am Montag, Laporta habe sich vergangene Woche mit den Agenten von Bayern-Profi David Alaba getroffen. Laporta habe um Zeit gebeten, im Falle des nunmehr vollendeten Wahlsieges würde er ein Angebot unterbreiten wollen. Allerdings dürfte Alaba gerade finanziell attraktivere Offerten sortieren. Und es würde ihn gewiss interessieren, ob - wie geraunt wird - Jordi Cruyff Sportdirektor wird, oder ob Laporta den aktuellen Coach Ronald Koeman als Trainer weiterbeschäftigen will. Und dann ist ja noch die Frage, ob Lionel Messi bei Barça weitermacht.

Messi geht wählen - und zeigt Interesse am Fortgang des Klubs

Im vergangenen Sommer hatte der argentinische Kapitän des Klubs erklärt, den Verein verlassen zu wollen - zum Teil wegen des Zerwürfnisses mit dem damaligen Präsidenten Josep María Bartomeu, der im Oktober zurücktrat. Am Sonntag tauchte Messi erstmals bei einer Präsidentenwahl auf und gab seine Stimme ab. Später veröffentlichte Messi, 33, in einem sozialen Netzwerk ein Foto im leeren, sonnengefluteten Camp Nou; es zeigte ihn mit seinem Sohn. Das bewies zumindest Interesse am Fortgang des Vereins - die Entscheidung darüber, ob er geht, will er aber erst am Ende der Saison bekannt geben. Sein Vertrag läuft aus.

Gleichwohl: Laporta quittierte Messis Geste in der Nacht mit einem Lächeln. "Es ist 20 Jahre her, dass ein Bub in der U13 bei Barça sein Debüt feierte. Ihn mit seinem Sohn wählen zu sehen beweist das, was wir schon im ganzen Wahlkampf gesagt haben, dass Leo den FC Barcelona liebt. Der beste Spieler der Welt liebt Barça. Wir hoffen, dass uns das bei den Entscheidungen hilft, die wir in Zukunft treffen werden - und dass es ihn dazu animiert, bei uns zu bleiben", sagte Laporta. Er hatte im Wahlkampf immer wieder betont, dass er das Vertrauen der Messis habe. Allerdings hatte er davon abgesehen, den Verbleib Messis zu versprechen.

Zu den wichtigsten Faktoren, die den Ausschlag für Laporta gaben, zählten sein Charisma und die Erfolge der Vergangenheit - die Champions League-Finals von Paris und Rom, die Erfolge mit Ronaldinho, Eto'o und Trainer Rijkaard oder später mit Messi, Xavi, Iniesta und Coach Guardiola. Laportas Rivalen Víctor Font (30 Prozent) und Toni Freixa (8,58 Prozent) wurden regelrecht an die Wand gedrückt. "In meiner Amtszeit holte Real Madrid keinen einzigen Champions-League-Titel!", lautete eines der Argumente, mit denen Laporta die Seele der Barça-Mitglieder berührte. Und die auch eine Reihe von Verfehlungen aus der ersten Amtszeit in Vergessenheit geraten ließen: So zum Beispiel die millionenschweren Beraterdienste für einen obskuren usbekischen Magnaten. In der Nacht zum Montag aber dachte Laporta vor allem an das kommende Spiel Barças am Mittwoch in der Champions League. "Wir fahren nach Paris - und schauen, ob wir das noch aufholen können!", rief er, besoffen vor Glück über einen durchaus bemerkenswerten Sieg.

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