Süddeutsche Zeitung

Langlauf:Sehnsucht nach Linderhof

Der Kilometerwahn ist vorbei, aber der Oberammergauer König-Ludwig-Lauf zählt noch immer zu den beliebtesten Volks-Skilanglauf-Veranstaltungen.

Von Karl-Wilhelm Götte

Es ging um genau einen Kilometer. Im Jahre 1968 saßen einige Männer der Skiabteilung des TSV Oberammergau zusammen und hatten eine Idee: "Wir wollten den berühmten Wasalauf übertrumpfen und den längsten Skilanglauf der Welt ausrichten", erzählt Marc Schauberger vom organisierenden Verein. Die Strecke führte über 90 Kilometer - der Wasalauf hatte 89 Kilometer. Die Schweden reagierten später mit einer zusätzlichen Schleife und sind seitdem bei 91 Kilometern angelangt.

Was der Beliebtheit des König-Ludwig-Laufs keinen Abbruch tat. Die Oberammergauer nannten ihre Veranstaltung so, weil die Strecke am Schloss Linderhof vorbei führte. Den Volkslauf mit dem Bayernkönig zu verbinden, ist bis heute eine Meisterleistung in Sachen Marketing. Sind doch auch am kommenden Wochenende bei der 44. Auflage wieder 2500 Teilnehmer aus 33 Ländern, darunter auch Starter aus Malaysia und Südkorea, dabei.

Der Kilometerwahn beruhigte sich in den Achtzigerjahren. Der König-Ludwig-Lauf wurde zunächst auf 65 Kilometer verkürzt. Als dann die Skater dazukamen, ging die Marathondistanz nur noch über 50 Kilometer. Auch diese Strecke muss erst einmal so präpariert werden, damit am Samstag tausend Skater in der freien Technik und am Sonntag 1500 Klassischläufer starten können. Nach dem Regen der vergangenen Tage wird die Strecke wieder einmal auf voraussichtlich 42 Kilometer verkürzt. "Dadurch entfällt Linderhof", bedauert Schauberger vom König-Ludwig-Laufverein, dass die Volksläufer nicht am Königsschloss vorbei laufen werden.

Dort liegt zu wenig Schnee. Die Strecke führt über den Mühlwald und über das Graswangtal zum Ziel nach Oberammergau. Größere Probleme bereitet den Organisatoren das Wasser, das auf der Startwiese vor Ettal steht. Das Wasser kann nicht abfließen, weil der Schnee darunter zu Eis gefroren ist. Hier ist die Feuerwehr im Einsatz. Möglicherweise muss der traditionelle Startort verlegt werden. Doch die Organisatoren vertrauen auf ihre jahrzehntelange Erfahrung, immer wieder ein passendes Geläuf herstellen zu können. "Der Lauf findet statt", beruhigen Schauberger und seine Kollegen im Organisationsbüro besorgte Anrufer. Auf keinen Fall wollen sie das Rennen wie im vergangenen Jahr absagen, als ein Föhneinbruch den Schnee schmelzen ließ.

Der Hauptlauf wird traditionell in der klassischen Technik ausgetragen. Da gehört der König-Ludwig-Lauf auch zur Worldloppet-Laufserie des Internationalen Skiverbandes (FIS). Der Gros der Teilnehmer sind Hobbyläufer, mehr oder weniger ambitioniert, wie Helmut Fichtl. "Ich komme auf etwa 30 Starts", sagt der Oberammergauer. Er platzierte sich bei über 1000 Teilnehmern immer unter den besten 50. In der Altersklasse 40 hat er auch schon gewonnen. Heute ist Fichtl 57 Jahre alt und lässt es gemächlicher angehen. Er wird mit seiner 14-jährigen Tochter Johanna über die kürzere 23-Kilometer-Strecke starten, die die Veranstalter ebenfalls in beiden Techniken anbieten.

Ehrgeiziger ist der Garmischer Max Olex. Der 27-Jährige hat viel trainiert, im Sommer auf Rollerski oder auf dem Mountainbike, und peilt die Top Ten an. "Das Rennen mit der flachen Strecke und viel Doppelstockeinsatz liegt mir", sagt er. Mit dem Favoriten Toni Livers, 33, wird er aber nicht mithalten können: Der Schweizer Weltcupläufer ist zusammen mit dem tschechischen Seriensieger Stanislav Rezac der erste Anwärter auf das Siegerpreisgeld von etwa 5000 Euro. In den anderen Wettbewerben werden Siegerin und Sieger häufig mit einer Holzschnitzfigur beglückt. Auf Kosten von 250 000 bis 300 000 Euro taxiert Schauberger die Veranstaltung, bei der an den Renntagen bis zu 300 ehrenamtliche Helfer mitwirken.

Livers und der schnelle Max Olex haben nach der Runde über die Ettaler Wiesen mit dem Langläuferstau an der ersten engen Steigung hinein in den Mühlwald sicherlich nichts zu tun. Gefürchtet ist dieses Nadelöhr bei den langsamen Läufern, greift doch bei vielen Hobbyläufern Panik um sich, die drei Minuten im Stau könnten ihnen das persönlich angepeilte Zeitziel verhageln. So sind an diesem Anstieg Ski- und Stockbruch und damit ein vorzeitiges Ende des Marathons nicht selten. Die Spitze absolviert den Lauf unter zwei Stunden, die Letzten kommen nach fünf Stunden erschöpft ins Ziel. Allen Läuferinnen und Läufern gemeinsam ist die Vorfreude nach dem Zieleinlauf auf die ausgiebige Brotzeit.

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SZ vom 03.02.2017
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