Langlauf-Olympiasiegerin Randall:Sie will Brustkrebserkrankten ein Gesicht geben

Cross-Country Skiing - Winter Olympics Day 12

Februar 2018: Kikkan Randall (rechts) und Jessica Diggins feiern ihren Sieg im Teamsprint bei den olympischen Spielen in Pyeongchang.

(Foto: Getty Images)
  • Die amerikanische Langläuferin Kikkan Randall gewann im Februar noch Olympia-Gold, anschließend erkrankte sie an Brustkrebs.
  • Sie führt ihren Kampf öffentlich, weil sie so anderen Betroffenen helfen möchte.
  • In den sozialen Netzwerken erfährt sie große Anteilnahme.

Von Christian Brüngger

Etwas fühlte sich komisch an. Den Muttertag hatte Kikkan Randall mit Ehemann Jeff und Sohn Breck verbracht, als sie kurz vor dem Einschlafen über die Brust streifte - und glaubte, eine Rippe berührt zu haben. Beim erneuten Tasten aber merkte sie: Was sie spürte, war nicht eine Rippe, sondern ein Knoten in der Brust.

Das ungute Gefühl bestätigte sich in einer für sie zuerst unfassbaren Diagnose: Brustkrebs. 36 wird Kikkan Randall im Dezember, und erst im Februar hat sie ihren größten Erfolg erreicht: Olympiagold im Langlauf-Teamsprint mit Jessica Diggins. Am Ende der Saison war Randall nach 17 Jahren im Weltcup zurückgetreten. Statt sich in den Folgemonaten also damit beschäftigen zu können, wie ihr Berufsleben weitergeht, kämpfte Randall plötzlich ums Überleben.

Wie es ihre Art ist, teilt sie auch diesen Fight mit der Öffentlichkeit. Schon als Langläuferin war die Athletin aus Anchorage (Alaska) mit ihrer Mitteilungsfreude und ihrem ständigen Lachen aufgefallen. Die sozialen Medien nutzt sie weniger zur Selbstvermarktung als vielmehr zur Information. Als amerikanische Langläuferin war sie in der Szene schließlich eine Exotin und rund sechs Monate im Jahr weg von daheim. Darum dienten ihre regelmäßigen Posts auch dazu, das Reiseleben mit all seinen Vor- und Nachteilen offenzulegen.

Die Krankheit, über die man oft flüstert, will sie ins Bewusstsein bringen

Als Randall Sohn Breck vor zweieinhalb Jahren zur Welt brachte, wurde sie auch zur Pionierin im Weltcup. Sie sorgte mit anderen Langlauf-Müttern dafür, dass sie Mutter- und Athletinnen-Dasein kombinieren konnte - indem die Mütter und ihre Kleinkinder in Stadionnähe beispielsweise einen Rückzugsort erhielten.

Pinke Pionierin nannte man ­Randall, weil sie stets mit einer pinken Strähne im Haar ihre Wettkämpfe bestritt. Pink im Haar kann sie seit dem Sommer nicht mehr tragen. Während des ersten von sechs Chemotherapiezyklen fiel ihr Haar aus. Allerdings antizipierte Randall diesen Ausfall auf ihre Weise.

Als sich erste Strähnen lösten, ließ sie ihr Haar komplett abschneiden - und posierte kahl für ihren Blog, den sie täglich mit neuen kurzen Videos versieht.

Haarlos präsentiert sie sich in der Öffentlichkeit auch jenseits der Onlinewelt. Denn einmal mehr denkt Randall in großem Bogen - und will Brustkrebserkrankten ein Gesicht geben, sowie zeigen, wie sich das Ankämpfen gegen die Krankheit auswirkt. Sie will also mithelfen, eine Krankheit ins breitere Bewusstsein zu bringen, über die man gerne nur im Flüsterton redet. Dann etwa, wenn eine kahle Frau den Raum betritt.

Darum berichtet sie auf ihrem Blog und in Artikeln ausführlich, wie es ihr geht, was sie fühlt oder denkt. Dass ihre Chancen, diesen Kampf gegen den Krebs zu überleben, sehr intakt sind, hilft ihr bei dieser neuen Großaufgabe natürlich.

Die Kraft ihrer sozialen Kontakte setzt sie gezielt zur Genesung ein

Randall geht sie wie eine Sportlerin an. Rasch nach der Diagnose stellte sie ein Team zusammen - und einen Plan auf, wie sie die Krankheit bekämpfen will. Möglichst viel Bewegung gehört dazu. Darum trainierte Randall während der Chemozyklen so oft wie möglich, sofern sie Kraft dafür fand. Und mochte sie sich für einmal nicht vom Sofa heben, dokumentierte sie auch diesen Aspekt.

Mehrheitlich aber bewegt sie ihren Körper; auch in der hochintensiven Zeit fuhr sie mit dem Bike zur Chemo ins Krankenhaus und danach wieder heim. Fernsehbeiträge zeigen, wie Randall im Fitnesscenter läuft und Gewichte stemmt, weil sie glaubt: Je fitter sie sich ihrer monatelangen Behandlung gegen den Krebs stelle, desto rascher erhole sie sich und desto zufriedener sei sie.

Seit dieser Woche hat sie Phase zwei von drei der unmittelbaren Behandlung abgeschlossen: Nach den Chemotherapiezyklen wurde ihr das kranke Brustgewebe entfernt. Randall entschied sich also gegen eine Amputation. Nach der Wundheilung folgt die dritte Phase: die Bestrahlung.

Weil Randall weitere Kinder haben möchte, stimulierte sie vor ihrem ersten Chemozyklus ihre Eizell-Produktion und ließ Eizellen einfrieren. Dass sie auch über derart intime Dinge berichtet, hat ihr im direkten Kontakt wie online eine große Anhängerschaft eingebracht. Als sie im Herbst an einem örtlichen Cross-Rennen erschien, skandierten die Jugendlichen plötzlich ihren Namen und brachten die Ergriffene bei der kurzen Dankesrede zum Weinen.

Dass sie eine derartige Anteilnahme erfährt, stärkt sie. Ja, sie setzt die Kraft der sozialen Kontakte gezielt zu ihrer Genesung ein: Als die Chemie erstmals in sie hinein tröpfelte, versammelte sich die ganze Familie im Krankenhaus. Partner Jeff kündigte zudem seinen Job, um seiner Frau so gut wie möglich beistehen zu können.

Und viele ihrer früheren Teamkollegen, mit denen sie weit mehr als nur die Leidenschaft zum Langlaufen teilt, melden sich regelmäßig - mit Worten oder Besuchen, die dann oft in für Randall so wichtigen wie lustvollen Trainings enden. Alle diese Kontakte verdeutlichen Kikkan Randall: Sie kann sich in dieser schwierigsten Phase auch tragen lassen.

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