Süddeutsche Zeitung

Langlauf:Kalla entwischt Björgen

Charlotte Kalla aus Schweden gewinnt die erste Goldmedaille der Winterspiele, weil sie die favorisierte Norwegerin Marit Björgen mit einem frühen Antritt überrascht. Die deutschen Langläuferinnen verpassen die Top 15.

Charlotte Kalla stand im Ziel, lächelte und zeigte drei gestreckte Finger in Richtung Kameras. Höchstwahrscheinlich wollte die schwedische Langläuferin damit auf die dritte Goldmedaille bei ihrer dritten Olympiateilnahme anspielen, die sie soeben gewonnen und dabei die favorisierte Norwegerin Marit Björgen hinter sich gelassen hatte. Vielleicht wollte Kalla aber auch darauf hinweisen, dass der Skiathlon auch 2018 von einem skandinavischen Trio dominiert ist. Krista Parmakoski aus Finnland komplettierte die Medaillengewinnerinnen, die bereits bei der Nordischen Ski-WM in Lahti 2017 die Podestplätze belegten - damals jedoch in anderer Reihenfolge.

So gab es direkt bei der ersten Medaillen-Entscheidung der Olympischen Spiele, dem Skiathlon über 15 Kilometer, eine Überraschung. Denn diesmal gewann nicht die 37 Jahre alte Weltmeisterin Björgen, sondern die sieben Jahre jüngere Kalla. Sie entwischte ihrer Erzrivalin in einem taktisch tadellosen Rennen mit einem frühen Antritt. "Ich habe ein sehr schönes Gefühl im Bauch, es sprudelt vor Freude und Erleichterung", sagte Kalla. Lächeln konnte auch Björgen, die mit 7,8 Sekunden Rückstand ins Ziel kam, denn durch ihren zweiten Platz zum Auftakt ihrer fünften Winterspiele ist sie nun die fleißigste Medaillensammlerin der Olympischen Spiele.

Gegenteilig war die Gefühlslage nach der ersten von zwölf Entscheidungen in Pyeongchang beim deutschen Team. "Das war steigerungsfähig", sagte Langlauf-Chef Andreas Schlütter und bemühte sich dabei, die Fassung zu bewahren. Die Erwartungen waren mit einer Top-15-Platzierung ohnehin nicht groß gewesen, doch Victoria Carls Platzierung als beste Deutsche auf Platz 20 war dann doch ernüchternd.

Victoria Carl führt teilweise das Feld an - fällt dann aber rasch zurück

Nicole Fessel, die größte DSV-Hoffnung für das Rennen, musste nach dem Einlaufen ihren Start absagen. "Ich bekam nicht richtig Luft. So macht das keinen Sinn, und ich habe mich dazu entschieden, nicht zu laufen", sagte die Oberstdorferin.

Das verbliebene deutsche Trio - neben Junioren-Weltmeisterin Carl traten Katharina Henning (22.) und Veteranin Stefanie Böhler (25.) an - konnte im Alpensia-Park nur in der Anfangsphase mithalten. Die 22-jährige Carl führte das Rennen im ersten Abschnitt, gelaufen in der klassischen Technik, zeitweise an, konnte aber bei den Tempoverschärfungen der Skandinavierinnen im Skating-Abschnitt nicht mehr mithalten. "Als ich nach der ersten Runde geführt habe, war ich voll verdutzt", sagte Carl. Hennig wurde auch wegen eines Sturzes letztlich nur 22. und konnte ihr glänzendes WM-Ergebnis aus dem Vorjahr (Platz elf) nicht bestätigen. Beide Läuferinnen hatten im Ziel über zwei Minuten Rückstand. Die müde wirkende und früh abghängte Veteranin Stefanie Böhler kam nicht über Platz 25 hinaus.

Mit dem Debüt von Carl und Hennig war Schlütter zufrieden: "Sie sind das Rennen sehr offensiv angegangen, vielleicht zu offensiv." Für ihn zähle, dass die Läuferinnen gekämpft hätten. Den Nichtantritt von Fessel bezeichnete der Sportliche Leiter mit Blick auf die weiteren Wettbewerbe als "vernünftig". Doch auch der attestierte Kampf und die Vernunft täuschten nicht darüber hinweg, dass die mit zwei Olympia-Debütantinnen recht unbedarfte DSV-Auswahl international zweitklassig war.

Vorne lief Kalla in einer eigenen Liga. Die Goldmedaillen-Gewinnerin überholte durch ihren zweiten Olympia-Einzeltitel Schwedens Langlauf-Legende Gunde Svan. 18 Medaillen hat sie bei Großereginissen gewonnen. Da gratulierte im Ziel auch die mit elf olympischen Medaillen nun erfolgreichste Wintersportlerin Björgen: "Charlotte konnte ich nicht halten, sie war zu stark. Aber ich freue mich für sie und bin sehr zufrieden mit Silber", sagte Björgen. Nur zwei Athleten, ebenfalls Norweger, haben mehr Medaillen bei Winterspielen gewonnen: Ole Einar Björndalen (Biathlon, 13) und Björn Dählie (Langlauf, 12). Aber die Wettkämpfe bei Björgens letzter Olympia-Teilnahme haben ja gerade erst begonnen.

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SZ vom 11.02.2018 / sz
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