Süddeutsche Zeitung

Langlauf:Extraportionen

Der norwegische Ausnahmeläufer Peter Northug erklärt sein Karriereende mit 32 Jahren. Kaum einer lebte die Extreme so sehr wie er - und kaum jemand bewegte derart das Publikum.

Von Volker Kreisl

Oft sagen Rennen mehr über Sportler aus als deren Worte. Petter Northugs Teilnahme am 50-Kilometer-Klassisch-Rennen bei der WM 2015 in Falun war so ein Fall - mehr ein Auftritt als ein Rennen.

Über etwa 49 Kilometer verlief das Vorspiel, bei dem sich bis auf einige Führungswechsel nichts tat. Man schaute anderthalb Stunden lang dabei zu, wie sich eine Karawane von Langläufern durch tiefen Schnee kämpfte. Bei zirka Kilometer 48,5 versuchten dann die ersten, vorne auszureißen, was aber niemandem nutzte, weil hinten auch Northug beschloss, aus seiner Lauerstellung zu kommen. Einen nach dem anderen passierte er, und als es in die gespurte Zielanlage ging, und weiter Gegner die Loipe blockierten, da stürzte sich Northug einfach in den Tiefschnee dazwischen und schob und stemmte sich als Erster ins Ziel.

Es war sein letzter großer Auftritt. Nach dieser triumphalen WM hängte der Ausnahmeläufer noch eine durchschnittliche Saison an, dann noch eine missratene, und nun hat er sein Karriereende erklärt. Northug kann nicht mehr, "mein Körper hält den Belastungen nicht mehr stand", sagt er. Mit 32 Jahren ist er für diesen Sport im Grunde nicht zu alt. Aber seine Karriere war nicht nur erfolgreich war, sondern auch extrem.

Manche norwegischen Langläufer haben mehr Titel gesammelt als Northug, doch kaum einer bewegte das Publikum so sehr. Eine Extraportion Triumph lag oft in seinen Siegen, ein Extradrama in den Niederlagen, und Niederlagen kassierte er auch außerhalb des Sports. Zwei Olympiasiege wurden es, 13 Weltmeister-Titel und viele weitere Medaillen. Northug wurde mit 20 jüngster Weltcupsieger, gewann weitere Rennen, durfte aber nicht mit zu den Spielen in Turin 2006, was wohl seinen Ehrgeiz entfachte. In dieser Zeit perfektionierte er seinen Stil: Lange lauern und dann unwiderstehlich attackieren. Das führte auch zu manchem Stockbruch, zum Beispiel bei den Winterspielen 2010, als er in der Verfolgung mit Ersatzstock nur Elfter wurde. Olympiasieger wurde er damals dennoch, im Teamsprint und mit der Staffel.

Northug war nun der neue Siegläufer in Norwegen, bald wurde dem Publikum aber auch klar, dass diesen Mann manche Tugenden des traditionellen Langlaufs - Bescheidenheit, Einsatz, Kameradschaftlichkeit - wenig kümmerten.

Erst legte er sich mit dem Verband NSF an, weil er seine Erfolge mit Sondersponsor versilbern wollte, statt mit dem des Verbandes. Und dann jubelte er ausgerechnet als Schlussläufer der Siegerstaffel bei seiner Heim-WM 2011 in Oslo in einer Weise, die auch norwegische Fans brüskierte: Northug hatte wieder alle distanziert, bremste aber knapp vor der Ziellinie ab und hüpfte, kurz bevor die anderen heran liefen, hinüber.

Selbstgemacht war auch der Ärger im Oktober 2014, als er wegen eines Autounfalls mit Fahrerflucht und späterer Falschangabe 50 Tage ins Gefängnis sollte. Statt Haft wurde es dann eine elektronische Fußfessel, so dass Northug noch mal für die WM 2015 trainieren konnte. Dort gewann er zum Auftakt den Sprint, weinte danach heftig, siegte später noch im langen Fünfziger und spielte insgesamt seine letzte große Rolle: die Rückkehr des verlorenen Sohnes.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2018
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