Langläuferin Claudia Nystad:Heimkehr nach Kuusamo

Claudia Nystad

"Wenn ich wo hinreise, bin ich halt da glücklich, wo ich bin": Langläuferin Claudia Nystad.

(Foto: dpa)

Nach dem Olympiasieg 2010 beendete Claudia Nystad ihre Karriere und tauchte ein in ein anderes Leben. Doch das Heimweh nach dem Leistungssport und vertrauten Orten wie Kuusamo und Lillehammer meldete sich zurück. Nun ist die 35-Jährige wieder da und hat ein Ziel: Olympia.

Von Thomas Hahn

Das Zuhause kann überall sein, so sieht Claudia Nystad das, und deshalb hat sie jetzt auch nichts gegen diese Rastlosigkeit, die wieder in ihr Leben gekommen ist. Im Gegenteil, sie wollte zurück auf diese Tournee durch die kleine weite Welt des Langlauf-Weltcups, in die Orte, in denen sie nie lange war und die ihr trotzdem vertraut sind.

Kuusamo, Lillehammer, Davos. Dort wieder hinzukommen und die aufgeladene Atmosphäre der Wettkämpfe zu spüren - das war von Anfang an der Traum, den sie, die zweimalige Olympiasiegerin Nystad, 35, sich durch ihr Comeback erfüllen wollte. Wenn man so will, ist diese ganze Reise eine Heimkehr. Eine Heimkehr in die Ferne, bei der sie Station um Station ihr altes Leben noch mal neu auflegt. Claudia Nystad braucht gerade keinen festen Punkt. "Wenn ich wo hinreise", sagt sie, "bin ich halt da glücklich, wo ich bin. In Kuusamo zum Beispiel."

Claudia Nystad hat es tatsächlich geschafft. Sie steht wieder im A-Team des Deutschen Skiverbandes (DSV). An diesem Freitag beim Weltcup-Auftakt der Skilangläufer in Ruka, Gemeinde Kuusamo/Finnland, startete sie zum ersten Mal nach fast vier Jahren wieder in einem internationalen Erstliga-Rennen - und scheiterte bereits in der Qualifikation. Dass sie in dem Sprintturnier gleich einen der vorderen Plätze erreichen würde, hatte keiner erwarten, so wenig wie bei den Einsätzen am Samstag (5 Kilometer klassisch) und Sonntag (10 km Skating).

Aber schon an der Tatsache, dass es jemand erwarten könnte, kann man sehen, wie leicht man die Dimension dieses Comebacks unterschätzt. 2010 wurde Claudia Nystad Olympia-Zweite mit der Staffel und Teamsprint-Olympiasiegerin mit Evi Sachenbacher-Stehle - danach beendete sie ihre erfolgreiche Athletenkarriere. Sie studierte in Leipzig Wirtschaftsinformatik, sie tauchte in ein anderes Leben ein.

Dann wuchs das Heimweh nach dem Leistungssportmilieu, sie reaktivierte sich, und vor zwei Wochen, im Rahmen des Trainingslagers in Muonio/Finnland, schaffte sie den Sprung ins Weltcup-Team - unter anderem durch einen dritten Platz hinter Denise Herrmann und Katrin Zeller im internen Sichtungsrennen über 7,7 km Skating. Frauen-Bundestrainer Stefan Dotzler stellt klar: "Es ist nicht so, dass man das als Selbstverständlichkeit sehen muss."

Seltsam, irgendwie kommt es einem trotzdem folgerichtig vor, dass Claudia Nystad nach der langen Abwesenheit gleich den Anschluss geschafft hat. Bei der Ski-Nordisch-WM im Val di Fiemme Ende Februar/Anfang März stand sie in der Interviewzone noch auf der anderen Seite des Zaunes, als Journalistin für die Online-Plattform des DSV.

Sie schien sich im Hintergrund ganz wohl zu fühlen, aber man sah ihr an, dass sie nicht untrainiert war. Und als sie am Ende der WM ihr Comeback-Vorhaben öffentlich machte, war das keine Überraschung, die außerhalb jeder Vorstellungskraft lag. Zumal die deutschen Langläuferinnen nicht gerade unter einem Überangebot hochbegabter Kräfte ächzen.

Zu keinem Zeitpunkt ein Himmelfahrtskommando

Ein Himmelfahrtskommando ist das Projekt nie gewesen. Claudia Nystad hat sich vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig (IAT) steuern lassen und natürlich von Bernd Raupach, ihrem Heimtrainer am Ruhpoldinger Olympiastützpunkt, der seine alte Bekannte keineswegs ungeprüft aufnahm. "Wenn ich Zweifel gehabt hätte, hätte ich es nicht gemacht", sagt Raupach.

Claudia Nystad selbst berichtet, dass der Übergang vom Studentenleben zurück ins Leistungssportleben fließend war. In Leipzig trainierte sie sieben Stunden pro Woche, "locker laufen, Kraftraum, klettern, alles Mögliche". Bald trainierte sie intensiver, bald steigerte sie das Pensum, im Herbst 2012 war sie bei 15 Stunden Training pro Woche.

Und so wuchsen die Gedanken ans Comeback mit der Erkenntnis, dass sie die Härten des olympischen Betriebs verkraften könnte, ganz allmählich, "schleichend", wie sie sagt: "Da war kein Tag, wo ich sage, ab heute bin ich der Leistungssportler wie damals."

Wenn man die Strapazen und Einschränkungen bedenkt, die Claudia Nystad jetzt wieder auf sich nehmen muss, wirkt es fast, als habe sie sich noch mal in Ketten legen lassen. Sie sagt selbst, dass die Studienzeit in gewisser Weise eine Befreiung war für sie. "Wenn ich in der WM-Vorbereitung mit Freunden ins Kino gehen wollte und einer davon war krank, konnte ich das nicht machen. Das fand ich schon immer ein großes Problem. Das hatte ich in Leipzig gar nicht. Da bin ich überall hin, und wenn ich mal einen Schnupfen hatte, hatte ich halt einen."

Anderseits entdeckt sie in ihrem zweiten Athletenleben eine neue Erlebnis-Qualität. Claudia Nystad kann ihre Jugend noch mal einfangen, aber die Zukunftsangst ist weg. Was kommt nach dem Athletendasein? Das ist für viele alternde Sportsoldaten eine bange Frage. "Die haben so ein bisschen Angst. Werde ich überhaupt eine Arbeit finden? Diese Angst habe ich gar nicht mehr." Ein Studium abgeschlossen zu haben, hat Claudia Nystad gelassener gemacht. Bernd Raupach sagt: "Sie weiß: Ich kann auch noch was anderes als Sport."

Die Geschichte dieses Comebacks ist noch lange nicht zu Ende, sie ist auf zwei Jahre angelegt mit dem nächsten Ziel Olympia. Aber vorerst steht Claudia Nystad noch auf Bewährung im Weltcup. Nach Kuusamo schrumpft das erste DSV-Team. Neben den gesetzten Nicole Fessel, Denise Herrmann, Katrin Zeller und der letztjährigen Continental-Cup-Gewinnerin Monique Siegel ist dann nur noch ein Platz frei, für den sich in Ruka auch Hanna Kolb, 22, und Sandra Ringwald, 23, empfehlen wollen.

Die Olympiasiegerin muss was zeigen, sie ist jetzt wieder voll drin in der Wettkampfmühle. Die Reise wird beschwerlich. Claudia Nystad freut sich drauf.

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