Langläufer Axel Teichmann:Siegertyp mit Jojo-Effekt

Cross Country Skiing World Cup in Sochi

Axel Teichmann: bergab, bergauf.

(Foto: dpa)

Über die Jahre ist Axel Teichmann ein Rätsel geblieben, ein Hochdekorierter, bei dem es auf der Loipe nur Sensationen oder Katastrophen gibt. Nun startet er in die letzte Weltmeisterschaft seiner Langlauf-Karriere - in Val di Fiemme will der 33-Jährige zeigen, dass es mit ihm noch mal bergauf gehen kann.

Von Thomas Hahn, Cavalese

Erinnerungen bringen jetzt nichts, Axel Teichmann ist schließlich nicht zum Geschichten-Erzählen ins Val di Fiemme gekommen. Er hat eine Weltmeisterschaft vor der Brust, die letzte seiner Langläufer-Karriere, da möchte er noch mal nach den Chancen greifen, die er ja seltsamerweise immer hat, auch wenn die Lage zwischendurch mal aussichtslos zu sein schien.

Dieser Winter lief lange "ein bisschen holprig", wie Teichmann selbst sagt, aber spätestens seit seinem vierten Platz beim letzten Vor-WM-Weltcup in Davos am Sonntag, weiß er, dass er wieder der alte Auf-und-Ab-Langläufer Teichmann ist, der von Weltcup-Rang 74 bis zum WM-Gold schon so ziemlich alles geschafft hat, wovon ein Sportprofi träumt bzw. nicht träumt.

Keine falsche Schwelgerei jetzt also, Axel Teichmann hat einen Job zu erledigen in den Loipen von Tesero, und trotzdem mag er nicht so tun, als wäre das Val di Fiemme für ihn nur irgendein beliebiges Dolomitental. "Freilich ist es ein besonderer Ort", sagt er, "da hat meine sportliche Karriere so richtig Fahrt aufgenommen."

Für Axel Teichmann, 33, schließt sich ein Kreis bei der Ski-Nordisch-WM in der italienischen Provinz Trentino, die an diesem Mittwoch auf dem Domplatz von Trient eröffnet wird. Nach 1991 und 2003 findet die WM zum dritten Mal im Val di Fiemme statt. 1991 war Teichmann noch zu klein, um teilzunehmen, aber vor zehn Jahren war er dabei, und zwar mit durchschlagendem Erfolg: In der eisigen Kunstschneespur von Tesero wurde er damals Weltmeister über 15 Kilometer klassisch.

Es war sein erster richtig großer Sieg bei den Erwachsenen und in gewisser Weise die Erfüllung eines Heilsversprechens. Im Deutschen Skiverband (DSV) hatten sie vorher schon ausführlich von diesem stämmigen Burschen aus Bad Lobenstein geschwärmt, dem Junioren-Weltmeister von 1999, der wenig redete, aber die Ski laufen ließen wie kaum ein anderer. Olympia 2002 in Salt Lake City endete für Teichmann noch im Frust. Er durfte nicht in der Staffel mitlaufen und dachte ans Aufhören. Dann kam der Februar 2003, ein kalter klarer Freitag im Fleimstal, der Gold-Lauf. Teichmann redete weiterhin nicht viel, aber jetzt war er Weltmeister.

Und heute? Teichmann wurde nach 2003 Gesamtweltcup-Gewinner (2005), Olympiazweiter (2010) und noch mal Weltmeister (2007). Er hat seit damals keine WM mehr ohne Podestplatz verlassen. Aus Teichmann ist tatsächlich der Medaillensammler geworden, den seine Trainer früh in ihm sahen, und immer noch kann keiner sagen, dass er ein Auslaufmodell sei, das der Verband nur noch wegen früherer Verdienste mitschleppt. Auch wenn es ein bisschen so aussah, als der DSV Teichmann vergangene Woche für die WM nominierte.

Kein Almosenempfänger

Teichmann war in den Rennen davor entweder krank oder hinterher gewesen, er konnte die Qualifikationsstandards des DSV nicht erfüllen. Da kam es nicht nur gut an, dass er im WM-Team auftauchte. "Es gab ja genügend Meldungen, dass ich wegen schwacher Leistungen nominiert wurde." Teichmann grummelt. "Ich weiß nicht, von welcher Agentur das wieder gepostet wurde." Er mag das nicht, wenn er als Almosenempfänger dasteht. Er war deshalb in Davos besonders motiviert. Der vierte Platz war ihm wichtig als Zeichen an alle. "Da war auch ein bisschen Wut dabei."

Aber vielleicht kann Axel Teichmann auch die Kritiker ein bisschen verstehen. Es stimmt halt, dass er über die Jahre ein Rätsel geblieben ist, ein Hochdekorierter, der seine Karriere mit Jojo-Effekt versieht. Konstanz ist von ihm über eine Saison hinweg fast nicht mehr zu kriegen gewesen in den vergangenen Jahren. Teichmann ist entweder weit vorne oder weit hinten, dazwischen gibt es wenig.

Es könnte eine Mentalitätssache sein, jedenfalls hat man bei Axel Teichmann den Eindruck, dass er sich auch nicht überflüssig auflehnt gegen seine Schwäche, wenn die Tagesform mal nicht stimmt. Tobias Angerer, Teichmanns langjähriger Trainingspartner und ebenfalls Olympiazweiter, kann berichten, dass Teichmann auch im Training mal der Gruppe heillos hinterherhechle und dann wieder das Tempo bestimme.

Und wenn seine Trainer erklären sollen, warum ihr Teichmann so zuverlässig von Hui zu Pfui und wieder zurück wechselt, dann verweisen sie auf sein Immunsystem. Teichmann ist ein Baum von einem Mann, aber seine Gesundheit ist eine sehr zarte Pflanze. Teichmanns Heimtrainer Andreas Schlütter nennt das "sein Manko".

Bei allem Talent, das ihm in die Wiege gelegt worden ist, hat bei Teichmann offensichtlich jemand vergessen, die körpereigenen Abwehrkräfte richtig auszutarieren. "Er ist gesundheitlich nicht der Stabilste", sagt Schlütter. Er kennt Teichmann schon lange, Schlütter gehörte einst zum Team, das ab 2003 zahlreiche Einzel- und Staffelmedaillen holte, er teilte mit Teichmann das Zimmer und war bei Teichmanns Gold-Gewinn 2003 WM-Fünfter.

Und jetzt, da er seit dieser Saison sein Trainer ist, weiß Schlütter, dass er Teichmanns Anfälligkeit für Infekte berücksichtigen muss bei seiner Arbeit. Schlütter schreibt nur einen groben Trainingsplan für Teichmann, ansonsten entscheiden beide zusammen kurzfristig über das Pensum. "Ich muss auf sein Gefühl hören", sagt Schlütter.

Wenn man Axel Teichmann richtig versteht, findet er es gar nicht so schlecht, dass er ständig mit Rückschlägen umzugehen hat. Er findet das eine gute Lebensschule. "Das sind Dinge, die einen auch fürs Leben prägen.", sagt er, außerdem: "Wenn ich nur auf Wolke sieben bin, kann ich den Erfolg nicht so genießen." Axel Teichmann sieht sich als Siegertyp. Er hofft bei dieser WM wieder auf WM-Medaillen. Aber heftige Niederlagen sind für ihn auch ein Stück Lebensqualität.

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