Premier League:Zwei Alt-Internationale müssen gehen

Premier League: Seite an Seite, wie früher auf dem Platz: Nach Steven Gerrard (mit Krawatte) musste nun auch Frank Lampard (links) seinen Trainerposten räumen.

Seite an Seite, wie früher auf dem Platz: Nach Steven Gerrard (mit Krawatte) musste nun auch Frank Lampard (links) seinen Trainerposten räumen.

(Foto: Nick Potts/PA Images/Imago)

Kurz nach Steven Gerrard bei Aston Villa wird auch Frank Lampard vom FC Everton freigestellt. Die einst gefeierten Nationalspieler teilen das Schicksal etlicher ehemaliger Kollegen, die als Trainer zu schnell zu viel wollten.

Von Sven Haist, London

So richtig überzeugt war wohl nur Frank Lampard selbst, dass er der richtige Trainer für den Everton Football Club ist. Schon bei seiner Verpflichtung am letzten Januartag vor einem Jahr soll sich die stark umstrittene Klubführung um den britisch-iranischen Eigentümer Farhad Moshiri, der kurz vor der Iranischen Revolution 1979 mit seinen Eltern aus Persien geflohen war, nicht einig gewesen sein. Weil Moshiri angeblich den ehemaligen 1860-München-Trainer Vítor Pereira als Nachfolger des entlassenen Rafael Benítez präferierte, gingen die Fans auf die Barrikaden - so dass sich der Vorstand um den Vorsitzenden Bill Kenwright letztlich auf Lampard verständigte, um die Gemüter zu beruhigen. Einen Sportdirektor beschäftigte Everton zu diesem Zeitpunkt nicht.

Nach Jahren der Misswirtschaft, ausgelöst durch die Klubübernahme des sehr vermögenden, aber im Fußball ahnungslosen Moshiri im Februar 2016, geriet Everton als Gründungsmitglied der Premier League erstmals seit langem in Abstiegsgefahr und rettete sich erst kurz vor Saisonende. Der Klub verprasste weitgehend erfolglos unter Moshiri mehr als eine Dreiviertelmilliarde Euro für neue Spieler, Lampard war bereits der siebte Trainer in sieben Jahren. Die Finanznot wurde zuletzt so groß, dass gespart werden musste, um die Regularien zu erfüllen. Auch deshalb wechselte der brasilianische WM-Angreifer Richarlison im Sommer für 58 Millionen Euro zu Tottenham.

Trotz der anspruchsvollen, fast zum Scheitern verurteilten Gemengelage wählte Lampard den Traditionsbetrieb vom River Mersey als nächste Station für seine Trainerkarriere aus - genau ein Jahr, nachdem ihm beim FC Chelsea, für den er als Mittelfeldspieler einst 211 Tore in 648 Pflichtspielen erzielte, wegen Erfolglosigkeit gekündigt worden war. Lampard wollte mit der bis Juni 2024 datierten Anstellung in Everton seinen Ruf als Trainer reparieren - stattdessen ramponierte er ihn nur noch mehr, eventuell für immer. Nach acht Niederlagen in neun Pflichtspielen hatte Everton, mittlerweile auf den vorletzten Tabellenplatz durchgereicht, am Montag genug.

Die Zeitung The Guardian kommentierte, dass Lampard am Seitenrand wie ein "entmutigter Wanderer" gewirkt habe, der für diese Position "nicht qualifiziert" sei. Auch die anderen Inselmedien stellten ihm kein gutes Zeugnis aus: Für die Times ist Lampard zwar "nicht für die vielen Probleme verantwortlich", aber halt "auch nicht die Lösung". Dabei standen ihm durchaus gute Spieler zur Verfügung. Doch mit den Möglichkeiten des Kaders schien der Engländer kaum etwas anfangen zu können - wie damals bei Chelsea. Ausdruck davon waren die häufigen Formations- und Personalwechsel.

Gerrard scheiterte aus fast den gleichen Gründen bei Aston Villa wie Lampard in Everton

Das augenscheinlich nicht ausgereifte Detailwissen als Trainer, die offensichtlich falsche Eigenwahrnehmung verbunden mit der Ungeduld, es sich und der Welt unbedingt beweisen zu wollen - das alles führte zu Lampards Aus. Fast an denselben Gründen scheiterte kürzlich Steven Gerrard beim Ligakonkurrenten Aston Villa, ebenso nach weniger als einem Jahr. Ähnlich wie Lampard, der als Trainernovize nach bloß einem Ausbildungsjahr beim Zweitligisten Derby County der Verlockung nicht widerstehen konnte, zu Chelsea zurückzukehren, genehmigte sich sein englischer Nationalmannschaftskollege Gerrard kaum Zeit, um das Trainerhandwerk zu erlernen.

Nach einer Stippvisite in der Nachwuchsabteilung des FC Liverpool, mit dem er als Spieler große Erfolge feierte, zog es ihn zu den Glasgow Rangers. Nach drei erfolgreichen Jahren drängte Gerrard im Herbst 2021 plötzlich mitten in der Saison auf einen Sprung zum ambitionierten Aston Villa in die Premier League. Allerdings wirkte seine Arbeit mit der Mannschaft dort anschließend genauso überstürzt und unvorbereitet wie sein Abschied aus Schottland. Gerrard strauchelte bei der Weiterentwicklung der Elf, setzte den beliebten Tyrone Mings als Kapitän ab und bewies mit seinen bisweilen harten Ansprachen wenig Feingefühl für seine Spieler. Vorwürfe, die so auch über Lampard kursierten.

Die Demissionen von Lampard, 44, und Gerrard, 42, setzen indes die Liste britischer Alt-Internationaler fort, die sich nach ihren Karriereenden mit mäßigem Erfolg als Trainer versucht haben. Dazu gehören Gary Neville, Ryan Giggs und auch Wayne Rooney, der derzeit beim MLS-Klub D.C. United in Washington angestellt ist. Ihre Schwierigkeiten fallen umso mehr auf, weil gleichartig renommierte ausländische Kollegen aus Spielertagen momentan als Trainer durchstarten, allen voran Arsenals Mikel Arteta, Patrick Vieira bei Crystal Palace und Leverkusens Xabi Alonso. Sie eint, bereits als Spieler in diversen Klubs und Ländern tätig gewesen zu sein. Später waren sie nochmals bereit, im Grunde von vorn zu beginnen, indem sie abseits der großen Öffentlichkeit jahrelang in die Lehre gingen - sei es als Jugendcoach oder Assistent. In dieser Hinsicht unterscheiden sich ihre Lebensläufe signifikant von denen ihrer englischen Kollegen, die beinahe dauerhaft in England spielten und auch dort oft immer im selben Verein.

Für Frank Lampard und Steven Gerrard gilt es nun, das eigene Scheitern aufzuarbeiten - und zu akzeptieren, dass der ausgebliebene Erfolg wohl weniger an den Klubs lag als an ihnen selbst.

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