Bergsteiger-Preis Piolet d'Or:Auszeichnung für zwei Verunglückte

Bergsteiger-Preis Piolet d'Or: David Lama auf dem Gipfel des Lunag Ri in Nepal - wenige Monate später verunglückte er tödlich.

David Lama auf dem Gipfel des Lunag Ri in Nepal - wenige Monate später verunglückte er tödlich.

(Foto: Red Bull via AP Images)
  • Der Piolet d'Or zeichnet herausragende Leistungen im Alpinismus aus.
  • Zwei Preisträger konnten ihn in diesem Jahr nicht mehr selbst entgegennehmen, sie waren zuvor am Berg tödlich verunglückt.
  • Kritiker sagen, Alpinismus sei kein Wettbewerbssport.

Von Nadine Regel

Rinzi Lama kämpft mit den Tränen. Arm in Arm steht er mit seiner Ehefrau Claudia und nimmt einen Preis entgegen. Doch derjenige, für den der Piolet d'Or, der goldene Eispickel für herausragende Leistungen im Alpinismus, bestimmt ist, ist nicht da. Denn David Lama, der Sohn von Rinzi und Claudia Lama, wurde im Frühjahr beim Bergsteigen von einer Lawine in den Tod gerissen. Die 2000 Zuschauer bei der Verleihzeremonie am vergangenen Wochenende im polnischen Ladek klatschen minutenlang für sie. Das Wort ergreift dann Conrad Anker, ein Weggefährte des Verstorbenen: "Vielen Dank an seine Eltern für einen so tollen jungen Mann, 28 Jahre alt, der den Wettkampf- und alpinen Klettersport so grundlegend geprägt hat. Wir stehen auf ewig in eurer Schuld."

Erfolg und Tragödie liegen im Alpinismus sehr nah beieinander. Das zeigen die Auszeichnungen der beiden Österreicher David Lama und Hansjörg Auer - und die Tatsache, dass sie ihren Eispickel nicht mehr persönlich entgegennehmen konnten, weil sie bei einer schwierigen Begehung in Kanada beim Abstieg von einer Lawine erfasst wurden. Den Piolet d'Or erhielten sie für Solo-Erstbesteigungen im Himalaya und Karakorum. Außerdem wurden der Brite Tim Livingstone sowie die Slowenen Aleš Česen und Luka Stražar für ihre Begehung des Latok I in Pakistan ausgezeichnet.

Es geht darum, signifikante, extreme Aufstiege auszuzeichnen

Der Piolet d'Or wird seit 30 Jahren vom Montagne Magazine und dem französischen Extremalpinistenverband (GHM) verliehen. "Der Spirit des Piolet d'Or ist nicht Wettbewerb, es geht nicht darum, der Beste zu sein", sagt Christian Tromsdorff, 55, seit 2009 Organisator des Preises. Vielmehr gehe es darum, signifikante, extreme Aufstiege auszuzeichnen, die im puren Alpinstil ausgeführt werden. Soloaufstiege seien in diesem Zusammenhang eine besondere Leistung, weil man einen Gipfel gar nicht reduzierter bezwingen könne. Seit zwei Jahren findet der Piolet d'Or während des Ladek Mountain Festival in Polen statt, das auch als Austauschplattform für die Extrembergsteigerszene gilt.

Der Lunag Ri (6895 m) war bis 2018 der höchste, ungekletterte Berg in Nepal. David Lama versuchte zweimal vergeblich mit Conrad Anker, den Berg zu besteigen. Der zweite Versuch scheiterte an einem Herzinfarkt Ankers. Im Oktober 2018 entschied Lama, einen Soloaufstieg zu wagen. Die Drohnenaufnahmen zeigen ihn, wie er an einem steilen Firngrat emporsteigt, ausgerüstet mit Steigeisen und Eisgeräten, aber komplett ohne Seilsicherung. Im Hintergrund ragen die schroffen, teils schneebedeckten Gipfel in die Höhe. Für einen Außenstehenden bedeutet das maximale Gefahr, für David Lama kalkuliertes Risiko.

Kritiker sagen, Alpinismus sei kein Wettbewerbssport, Preise wie der Piolet d'Or würden den Selbstzweck des Bergsteigens verwässern und das Risiko belohnen. Zudem seien Leistungen und Routen so verschieden, dass man sie nicht vergleichen könne. Tatsächlich sind die Besteigungen, die mit einem Piolet d'Or ausgezeichnet werden, so herausragend, dass sie nur von sehr wenigen Menschen erbracht werden können. Ähnlich einem Weltmeistertitel in anderen Sportarten. Für Organisator Tromsdorff steht fest: "Wer sich für seine bergsteigerischen Ziele in Gefahr bringt, der macht das nicht nur für einen Piolet d'Or, sondern gleichermaßen für seine Sponsoren und sein Ego."

"Für mich hat Wettkampf in den Bergen nichts verloren"

Die deutsche Extremkletterin Ines Papert war in diesem Jahr in der Auswahljury. 2015 war sie das erste Mal dabei und erinnert sich daran, die Veranstaltung mit gemischten Gefühlen wahrgenommen zu haben. "Damals war der Wettkampfcharakter viel ausgeprägter, weil nur eine einzelne Besteigung ausgezeichnet wurde", sagt die 45-Jährige. Heute würden nur die nominiert werden, die auch tatsächlich den goldenen Eispickel erhalten. Außerdem werden mehrere Besteigungen bedacht.

Die Kriterien sind klar festgelegt. In die Bewertung spielen Faktoren wie Schwierigkeit, ethische Ansprüche, die Höhe des Berges und die Länge der Tour mit hinein. Die Besteigung "by fair means" bedeutet dann auch der Verzicht auf Bohrhaken, fixe Sicherungen und Heli-Transport zum Basislager. Wichtig ist auch, ob die Begehung bis zum Gipfel geglückt ist und auch der Rückweg unfallfrei geklappt hat. Zudem müssen der Zustieg und die Abreise vom Berg aus eigener Kraft erfolgen.

Die Nominierungen von Hansjörg Auer, der für die Solo-Besteigung der Westwand des 7157 Meter hohen Lupghar Sar West in Pakistan ausgezeichnet wurde, und David Lama sollen aber nicht dazu animieren, solo unterwegs zu sein. "Das war ein bisschen meine Befürchtung", sagt Ines Papert, weil das Risiko bei Solotouren erheblich größer sei. Schlussendlich müsse aber jeder selbst einschätzen, welches Risiko er bereit ist einzugehen.

Obwohl der Piolet d'Or in der Szene noch immer kritisch gesehen wird, freut sich Papert über die Anerkennung, die der Alpinismus als Extremsport erfährt. Auch weil der Sport sehr gefährlich ist. Ausgeschlossen sei nicht, dass sich einige Teams von einer solchen Auszeichnung antreiben ließen. "Für mich hat Wettkampf in den Bergen aber nichts verloren", sagt Papert. Ein Piolet d'Or sei mehr oder weniger völlig unentscheidend. Vielmehr sei es für Ines Papert die größte Auszeichnung, dass sie das, was sie und ihre Freunde tun, überleben.

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