Spanischer Fußball:Barcelona und Real wehren sich gegen den Milliardendeal

Spanischer Fußball: "Es tut weh, dass Messi geht." Barcelonas ehemaliger Kapitän (Mitte) joggt inzwischen bei Paris Saint-Germain mit Neymar und Ander Herrera seine Runden.

"Es tut weh, dass Messi geht." Barcelonas ehemaliger Kapitän (Mitte) joggt inzwischen bei Paris Saint-Germain mit Neymar und Ander Herrera seine Runden.

(Foto: Bertrand Guay/AFP)

Spaniens Liga will mit der Risikokapitalgesellschaft CVC Folgen der Pandemie abwehren. 38 von 42 Klubs stimmen für den Deal, doch die zwei Giganten opponieren. Barcelona ließ deshalb wohl sogar Messi ziehen - alles wegen der Super League?

Von Javier Cáceres

Die Spanier haben ein großes Talent, im Streit alles kaputtzumachen, sagt der frühere argentinische Weltmeister Jorge Valdano, und wer wollte dem großen Deuter der Fußball-Aktualität in dieser Frage widersprechen? Jetzt fiele es erst recht schwer: Seit Tagen hat sich im Profifußball seiner Wahlheimat Spanien ein Ambiente aufgestaut, das in den Zeitungen guerracivilista genannt wird, bürgerkriegsähnlich also. Denn es geht um sehr viel Geld, um die Zukunft der spanischen Liga - und um die Frage, wer die Hoheit über den Fußball in seinen Händen hält.

Am Vorabend des Starts in die neue Saison - unter anderem reist Real Madrid mit seinem Zugang David Alaba zu Deportivo Alavés - votierten 38 von 42 Klubs der ersten und zweiten Liga für einen Handel, den der Ligaverband LFP mit der in Luxemburg ansässigen Risikokapitalgesellschaft CVC ausgehandelt hatte. Er sichert den Klubs einen Zufluss von mindestens 2,1 Milliarden Euro. Die drei Vereine, die nie aus der 1929 gegründeten ersten Liga abgestiegen sind - Athletic Bilbao, der FC Barcelona und Real Madrid -, stimmten gegen die Vereinbarung, ebenso Real Oviedo. Die Neinsager von heute können dem Deal aber in den nächsten drei Jahren noch beitreten. Somit könnte die Summe noch auf die ursprünglich ausgehandelten 2,7 Milliarden Euro ansteigen. Im Gegenzug wird CVC in den kommenden 50 Jahren mit vorerst neun Prozent an etwaigen Gewinnen der Liga beteiligt; der Betrag würde auf elf Prozent steigen. Real Madrid hat allerdings einen Präsidiumsbeschluss gefasst, um den Ligaverband LFP, die CVC und deren Bosse juristisch zu belangen. Zivil- und strafrechtlich. Wegen angeblich widerrechtlicher Aneignung von Rechten, die dem Klub gehören.

Der Deal war von der LFP hinter dem Rücken von Real ausgehandelt worden. Alle anderen Klubs wurden in unterschiedlicher Detailtiefe über den bevorstehenden Abschluss informiert. Der milliardenschwer verschuldete FC Barcelona wurde von LFP-Chef Javier Tebas besonders intensiv gebrieft - und soll zunächst Zustimmung signalisiert haben. Im Lichte des bevorstehenden Geldsegens aktivierte Barcelona Anfang vergangener Woche die Bemühungen, um den Vertrag von Kapitän Lionel Messi zu verlängern. Barcelona machte aber dann zur Verblüffung aller doch einen Rückzieher. Der Klub verzichtete auf das Geld von CVC - angeblich bis zu 275 Millionen Euro - und damit auf Messi. Der FC Barcelona verlor seinen wichtigsten sportlichen und wirtschaftlichen Aktivposten an Paris Saint-Germain, ebenso die Liga, die in den zurückliegenden Jahren schon Neymar, Cristiano Ronaldo und Sergio Ramos Adiós sagen hörte.

"Es tut weh, dass Messi geht. Aber die Auslandsrechte sind bereits auf vier Jahre hinaus verkauft, und es gibt keine Klausel, die besagt, dass sich die Verträge bei einem Weggang ändern oder weniger Geld fließt", sagte LFP-Präsident Tebas. Wie tief der Stachel sitzt, verriet eine Spitze gegen die Vereinsführung der Katalanen: Barca sei in Händen von "Leuten, die sehr intelligente Entscheidungen treffen, das hat man zuletzt gemerkt".

Warum die Großklubs den Handel ablehnen? Um die Super-League-Pläne nicht zu gefährden, glauben Insider

Tebas' Spott passte bestens zur aktuellen Lage. Schon in den Tagen vor der Abstimmung vom Donnerstag bei der LFP hatte es eine erbitterte Schlacht der Kommuniqués gegeben, in denen es um die Deutung des CVC-Deals ging. Die LFP erklärte, dass die kommerziellen Aktivitäten mit Ausnahme der Übertragungsrechte in eine neue Gesellschaft ausgelagert werden, an der CVC beteiligt ist. Die Klubs der Liga, die größtenteils knapp bei Kasse sind, erhalten aus den CVC-Geldern zinslose Darlehen, mit denen sie sofort operieren können. Bedingung aber ist, dass 70 Prozent in infrastrukturelle Maßnahmen gesteckt werden. Jeweils 15 Prozent können in die Tilgung von Schulden und in den Kader investiert werden.

Im Falle Barcelonas wären das etwa 40 Millionen der insgesamt 275 Millionen Euro gewesen. Mit diesen 40 Millionen hätte Barcelona unter Wahrung der Gehaltsobergrenze Messi als Lizenzspieler anmelden können - sagte Tebas. Der Verzicht aber bedeutete, dass sich der mit knapp 1,2 Milliarden Euro verschuldete FC Barcelona den neuen Messi-Vertrag nicht leisten konnte. Wie prekär die Lage ist, zeigt sich allein daran, dass am Freitag offen war, ob Barcelona seinen Zugang Memphis Depay (Olympique Lyon) für das Spiel am Sonntag anmelden kann. Zwei weitere Neuverpflichtungen, Eric García und Sergio Agüero (beide Manchester City) sind auch noch nicht als Lizenzspieler angemeldet. Um das Gehaltslimit einzuhalten, müssen Spieler von der Payroll verschwinden.

Warum es dennoch Widerstand der Großklubs gegen den Deal mit CVC gab? Wegen der Super-League-Pläne Barcelonas und Real Madrids, behauptet Tebas: "Sie wollen keine mächtigere spanische Liga", das wäre eine zu starke Konkurrenz auf dem TV- und Werbemarkt für die erhoffte Super League, die Tebas für eine Schnapsidee hält. Die Klubs widersprechen dieser Interpretation. Sie werfen der Liga vor, die Rechte der spanischen Liga unter Wert verramscht zu haben. Die Zeitung El País veröffentlichte zu Wochenbeginn eine von Real Madrid in Auftrag gegebene Studie, wonach CVC nur in einem Szenario die Investition nicht zurückerhält. Das Szenario heißt: Weltenende. Sollten die Gewinne der Liga bis ins Jahr 2071 um jährlich zehn Prozent wachsen ("optimistisches Szenario"), würde CVC seine Investitionen hingegen nahezu verhundertfacht zurückbekommen, auf 212 Milliarden Euro. Ein konservatives Szenario (drei Prozent Wachstum) würde demnach zu einer Ausschüttung von 21 Milliarden Euro Gewinn für CVC führen.

Klar ist: Die gegenwärtige Lage vieler Klubs aber ist dramatisch, die Pandemie potenzierte die Verluste aus Misswirtschaft und Vabanque-Spielchen. Das erklärt auch die deutliche Mehrheit für den Deal mit CVC. Eigentlich ist nur Athletic Bilbao in der kommoden Situation, keine Schulden zu haben; Real Madrid hingegen und der FC Barcelona sind durch Sünden der Vergangenheit und große Immobilienprojekte bis unter die Halskrause verschuldet - und nicht imstande, große Transfers zu tätigen. Hoffnung sprach den Spaniern ausgerechnet Lionel Messi zu, in einem Interview mit El País. "Es wird nicht einfach werden für Real Madrid und Barcelona, aber in ein paar Jahren werden sie sich anpassen. Es wird wieder große Stars im spanischen Fußball geben."

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