Süddeutsche Zeitung

Los Angeles Lakers in der NBA:Mal Traumteam, mal Slapstick

LeBron James fällt aus, Anthony Davis übergibt sich: Bei den Lakers versammeln sich in dieser Saison zahlreiche alternde Größen des Basketballs - kann so was funktionieren? Der Saisonstart ist nicht gerade vielversprechend.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Okay, die Umkleidekabine der Los Angeles Lakers ist noch genauso groß wie immer. Man hatte ja durchaus zu befürchten, dass sie anbauen mussten vor dieser Spielzeit; nicht aufgrund der strengen Covid-Regeln der nordamerikanischen Basketballliga NBA, wegen denen die Katakomben in der Arena zum Labyrinth geworden sind. Sondern wegen der zahlreichen Egos, die sie beim berühmtesten Basketballverein der Welt versammelt haben.

Aber nein, der Raum ist immer noch klein, und angesichts der durchwachsenen Bilanz zum Saisonstart (6:5 nach dem 126:123 gegen die Charlotte Hornets in der vergangenen Nacht) fragen sich die Leute: Geht durch die angespannte Stimmung und die Enge irgendwann alles hoch? Oder entsteht da unten wegen der Reibung ein Feuer, das keiner löschen kann?

Die Lakers haben mit lauter alten Profis einen grotesken Kader

Manager Rob Pelinka hat einen grotesken Kader zusammengestellt. Basketball-Feinschmecker würden mit der Zunge schnalzen - wäre man im Jahr 2010. Oder so: LeBron James (36 Jahre), Dwight Howard (35) und Carmelo Anthony (37) gehörten bereits 2008 zur amerikanischen Olympia-Auswahl, 2012 war Russell Westbrook (32) dabei, 2016 DeAndre Jordan (33) - zu Olympia im Sommer in Tokio wurde allerdings kein aktueller Lakers-Spieler eingeladen. Rajon Rondo (35), Kent Bazemore (32), Trevor Ariza (36) und Avery Bradley (30), komplettieren den Club der betagten Baller. Das Alter derer, die gegen Charlotte von Beginn an auf dem Parkett waren: 155, im Schnitt 31 Jahre. Es war Anthony Davis (28), der den Schnitt ein wenig senkte.

Es soll tatsächlich so was wie ein Dream Team sein, bei dem das Motto seit Olympia 1992 (das einzige Dream Team, das diesen Namen verdient) ist: Man versammelt die besten Einzelkönner der Welt und hofft darauf, dass sie nach ein paar gemeinsamen Trainingswochen zu einer Einheit werden - sollte das nur bedingt funktionieren, hat man immer noch die besseren Einzelkönner, und gegen die Hornets war in Abwesenheit des angeschlagenen James (Bauchmuskelzerrung) zu sehen, was das bedeutet.

Charlotte ist - trotz des hochtalentierten LaMelo Ball, 20 - wahrlich kein Titelkandidat, und es war deutlich zu sehen: Wenn die Lakers nur ein paar Minuten lang Druck machen, wenn sie sich bewegen und passen, vor allem aber wenn sie gut und gemeinsam verteidigen, dann ziehen sie scheinbar spielend um zehn Punkte davon. Wenn sie das nicht tun, lassen sie den Gegner auf gar jämmerliche Weise herankommen; aus dem Traumteam wird eine Slapstick-Truppe.

Wenn die Lakers ernst machen, läuft es. Aber nur dann

Mit 14 Punkten führten sie neun Minuten vor dem Ende, und sie mussten dennoch in die Verlängerung - die sie gewannen, weil sie dann doch grandiose Einzelkönner haben: Davis auf Zuspiel von Westbrook, Anthony auf Pass von Davis; eine Einzelaktion von Davis und zwei verwandelte Freiwürfe. Die letzten neun Lakers-Punkte erzielten die Anführer im Zusammenspiel, sie ließen währenddessen nur zwei gegnerische Punkte zu. Na ja, klappt doch, irgendwie.

Nur: Es hat in dieser Saison bereits häufig nicht geklappt. Gegen Oklahoma City Thunder, ebenfalls kein Titelkandidat, verspielten sie einen 26- und dann einen 19-Punkte-Vorsprung - wegen der Covid-Regeln tragen Vereine ihre Auswärtsspiele meist direkt nacheinander aus. Sie streiten häufig auf dem Parkett, kürzlich gerieten Howard und Davis während einer Auszeit aneinander; Davis schubste seinen Kollegen in Richtung Tribüne. Danach spielten sie den Vorfall runter: Könne passieren, so was, alles geklärt.

Die Hoffnung von Manager Pelinka: Es gibt nicht nur ein paar Trainingswochen, die komplette reguläre Saison soll bis Playoff-Beginn im April dem Finden und Einspielen dienen. Westbrook, Anthony, Jordan und Bazemore haben noch keine Meisterschaft gewonnen und werden sich, noch eine Hoffnung Pelinkas, für den Triumph den beiden Alphatieren James und Davis schon unterordnen. Es ist der Test, ob das Ganze so viel ist wie die Summe der Einzelteile, zumal diese Einzelteile nicht mehr so viel wert sind wie noch vor ein paar Jahren - angefangen bei LeBron James.

Ja, er ist noch immer einer der besten Basketballspieler der Welt - wenn er fit ist. In der vergangenen Saison verpasste er 37 Partien der regulären Spielzeit; ein Grund dafür, warum die Lakers plötzlich so abrutschten und sich als Titelverteidiger gerade so, 103:100 im Entscheidungsspiel gegen die Golden State Warriors, für die Playoffs qualifizierten. Dort schieden sie, James war noch immer nicht wirklich genesen, in der ersten Runde gegen die Phoenix Suns aus. Heuer verpasste James bereits fünf von elf Partien - kleine Blessuren wie Bauchmuskelzerrung, die aber doch zeigen, dass Gevatter Zeit immer noch unbesiegt ist, selbst gegen einen Extraklasse-Athleten wie James.

Sie erklären seit Wochen, dass alles schon in Ordnung sei, doch das ist es nicht; und auch das war gegen Charlotte zu sehen: Anthony und Westbrook debattierten mit den Schiedsrichtern und kassierten jeweils technische Fouls, auch wegen der resultierenden Freiwürfe kamen die Hornets im Schlussviertel heran. Spielmacher Rondo wurde kurz davor wegen eines unsportlichen Fouls hinausgestellt - und natürlich lag es an einer Grippe, jedoch könnte man es auch als Symbol für den Zustand dieser Lakers gerade sehen: Davis musste sich im dritten Viertel übergeben - und wurde dennoch am Ende dringend gebraucht.

Sie haben nun noch vier weitere Heimspiele nacheinander; darunter gegen Miami und Chicago - zwei echte Tests darüber, wie es um die schwächelnden Lakers gerade bestellt ist. James dürfte zurückkehren, und das muss er auch. Die Stimmung in der Umkleidekabine explodiert wohl nicht, im Gegenteil, sie ist kurz davor, in sich zusammenzufallen.

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