Fußball-EM 2024:Eine der wichtigsten Figuren im deutschen Fußball

Philipp Lahm wird das Gesicht eines deutschen Fußball-Großevents wie 2006 Franz Beckenbauer. Nach dem Zuschlag für die EM 2024 sehen ihn manche schon als neuen Verbandspräsidenten.

Von Johannes Aumüller, Nyon

Es hat für Philipp Lahm nicht nur Siege gegeben während seines Aufenthalts am Genfer See. Als am Donnerstagnachmittag der Zuschlag für die EM 2024 gesichert war, versammelte sich die deutsche Delegation noch einmal im ebenso luxuriösen wie abgeschiedenen Jiva Hill Resort in der Nähe von Genf. Eine rauschende Stimmung herrschte da nicht unbedingt, sondern eher eine erleichterte und gediegene. Ein paar prominente Köpfe der Delegation wie Bundestrainer Joachim Löw waren ohnehin schon abgereist.

DFB-Präsident Reinhard Grindel gab noch ein paar Interviews für die abendlichen Nachrichtensendungen im Fernsehen. Und Philipp Lahm kam kurz vor dem gemeinsamen Abendessen mit Cacau angeschlendert, früher sein Mitspieler und heute Integrationsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes. Auf dem Rücken trug er einen Sack voller Golfschläger. Wie es denn ausgegangen sei? "Unentschieden", rief Lahm im Vorbeigehen.

Clever genug, einen Job beim FC Bayern auszuschlagen

Philipp Lahm, 34, ist ein Mann, der das Gewinnen gewohnt ist. Das war schon als Spieler und Kapitän des FC Bayern und der Nationalmannschaft so: acht Mal deutscher Meister, Champions-League-Sieger 2013, Weltmeister 2014, das ist eine beeindruckende Bilanz. Mal spielte er rechts, mal spielte er links, aber fast immer spielte er fehlerlos. Und der Erfolg bleibt ihm nun offenkundig auch in seiner frisch eingeschlagenen Funktionärslaufbahn treu. Denn indem Deutschland den Zuschlag für die EM 2024 erhielt, steigt der Münchner zu einer der wichtigsten Figuren im deutschen Fußball auf.

Lahm war in den vergangenen Monaten bereits der EM-Botschafter, demnächst wird er Organisationschef der EM 2024 sein und damit das Gesicht dieser Veranstaltung. Und manch einer in der Branche handelt ihn angesichts des schwachen Auftretens von Amtsinhaber Grindel und trotz seines jungen Alters schon als baldigen DFB-Präsidenten. Als die FAZ ihn jüngst in einem Interview mit diesem Gedanken konfrontierte, lachte Lahm nur und sagte: "Das ist noch lange hin." Aber immerhin ist in seinem Fall klar, dass er das EM-Turnier in einer führenden Funktion erleben wird; Grindel und andere aktuelle Spitzenvertreter des Verbandes können das eher nicht behaupten.

Dabei kann Lahms rascher Aufstieg kaum verwundern. Es hat ihn ja schon immer ein gewisser Ehrgeiz beseelt, dazu lief eine ebenso zielstrebige wie wohlüberlegte Karriereplanung. Knapp zehn Jahre ist es her, dass er der SZ ein Interview gab, wie es selten ein Fußballer über seinen Verein gegeben hatte. Die kritische Analyse brachte ihm zwar eine Geldstrafe ein, aber auch die Anerkennung, ein mündiger und eigenständiger Kopf zu sein. Später nutzte er den passenden Moment, um Michael Ballack als Kapitän der Nationalmannschaft abzulösen.

Nach seiner aktiven Karriere wiederum war er clever genug, einen Posten beim FC Bayern auszuschlagen, als sich abzeichnete, dass bei den Münchner Bossen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge Uneinigkeit darüber herrschte, welche Rolle Lahm einnehmen solle. Und im aktuellen WM-Sommer verblüffte er, als er als ARD-Experte zunächst allerlei butterweiche Erklärungen zum frühen Aus der deutschen Elf abgab - aber kurz danach über ein soziales Netzwerk dem Bundestrainer empfahl, seinen Führungsstil zu ändern.

Wer bei Philipp Lahm an Karriereplanung denkt, muss immer auch an Roman Grill denken, seinen Berater, dem er seit sehr vielen Jahren fest vertraut. Manch einer in der Branche sieht es durchaus skeptisch, wie eng das Verhältnis der beiden ist und wie offensiv der Berater seinen Klienten bisweilen in Stellung bringt. Es ist keineswegs weltfremd anzunehmen, dass dieser Punkt schon bei den Münchner Debatten um eine Klubfunktion für Lahm eine Rolle gespielt haben dürfte. Und dass sich jetzt auch im DFB mancher damit beschäftigt.

Formal ist Lahm fürs Erste nun das, was bei der WM 2006 Franz Beckenbauer war: der Mann, den die nationale und die internationale Öffentlichkeit mit dem Turnier verbindet - und der dafür sorgen muss, dass das Ereignis ein Erfolg wird. "Wir wollen ein riesengroßes Fest feiern", so verkündete Lahm sein Motto nach dem Zuschlag am Donnerstag. Wie sein Job exakt aussehen wird, weiß er selbst noch nicht, "das werden wir noch detailliert besprechen".

Etwas anders als Beckenbauer

Aber es ist nicht nur aufgrund der inzwischen bekannten Umstände rund um die WM 2006 klar, dass er das wohl ein bisschen anders machen wird als damals Beckenbauer. Man darf davon ausgehen, dass Lahm seine Position einerseits sicht- und hörbar ausfüllen wird - dass er sie aber keineswegs nur als repräsentatives Amt versteht.

Die Unterschiede zu Beckenbauer dürften auch schon bei den formalen Rahmenbedingungen beginnen. Beckenbauer war damals offiziell ehrenamtlich fürs Organisationskomitee tätig. Aber er kassierte nebenbei kräftig ab; etwa 5,5 Millionen Euro flossen im Kontext von Werbeauftritten für den DFB-Partner Oddset oder nach dem Turnier 600 000 Euro an seine Franz-Beckenbauer-Stiftung als Dank für die ehrenamtliche Tätigkeit.

Bei Lahm ist noch unklar, wie die Bezahlung geregelt werden soll - obwohl nun schon seit einer Weile feststeht, dass er im Falle eines Zuschlages Organisationschef werden solle. Der DFB teilte am Freitag auf Anfrage mit: "Wir haben gestern den Zuschlag bekommen, mit den organisatorischen Fragen befassen wir uns jetzt in Ruhe."

Aber zugleich wird Lahm in den nächsten Monaten nicht nur als Organisationschef wahrgenommen werden. Die EM soll ja nicht nur als Turnier erfolgreich sein, sie soll auch als Katalysator wirken zur Lösung all der Probleme, die den deutschen Fußball gerade durchdringen: vom zunehmend belasteten Verhältnis zwischen Profis und Amateuren über die Unzufriedenheit vieler Fans mit diversen Entwicklungen bis hin zur zunehmenden Verselbständigung der Nationalmannschaft.

Durch sein neues Amt rückt Lahm auch ins DFB-Präsidium auf, wo es Kritikern zufolge schon lange an der sportlichen Kompetenz mangelt. Und auch als eine Art Gegenspieler für den DFB-Direktor und Nationalelf-Verantwortlichen Oliver Bierhoff sehen ihn nun manche.

Aber ein paar Erwartungen gibt es auch, die über das Fußballerische hinausgehen. Reinhard Rauball etwa, bis zum kommenden Jahr noch Präsident des Ligaverbandes und Vizepräsident des DFB, sagte nach der Vergabe in Nyon ein paar klare Sätze über den EM-Zuschlag und die gesellschaftliche Bedeutung des Fußballs. "Insbesondere mit den Themen und Problemen der letzten Monate haben wir eine Bringschuld", erklärte er etwa. Und weil er selbst seine Funktionärslaufbahn bald beendet, gab er Lahm & Co. einen klaren Auftrag mit auf den Weg: "Es wäre schön", meinte Rauball, "wenn die politischen Themen nicht untergehen."

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