Länderspiel gegen Schweden:Deutschland im Winterschlaf

Großkreutz, Holtby, Schmelzer, Götze, Schürrle: Das fade 0:0 zwischen Schweden und Deutschland bleibt vor allem wegen der fünf Debütanten in Erinnerung. Bei Minusgraden kann kein deutscher Spieler überzeugen - Bundestrainer Löw ist dennoch zufrieden.

Die Atemwölkchen sehen in Schweden aus wie überall sonst. Obwohl: In Südafrika während der WM hatten sich die Atemwölkchen ja bisweilen zu Tieren geformt, zu Springboks, zu Büffeln, zu sehr kleinen Elefanten und einmal sogar zu einem Tintenfisch. In Schweden aber stiegen sie formlos in den Göteborger Nachthimmel, wo sie sich verloren. Man konnte ihnen lange nach sehen am Mittwochabend und sehnsüchtig an die teils rauschenden Spiele der WM denken, bei der es nachts so kalt wurde wie im schwedischen November.

Schweden - Deutschland

Schweres Spiel gegen defensive Schweden: Dortmunds Kevin Großkreutz (Mitte).

(Foto: dapd)

Genau genommen hätte man 90 Minuten lang nichts anderes tun können, ohne irgendetwas vom Freundschafts-Länderspiel Schweden gegen Deutschland zu verpassen, denn auf dem Rasen kam das Nichts in seiner reinsten Form zur Aufführung. Für Anhänger von Samuel Beckett war es also ein schöner Abend, für Freunde des Spektakelfußballs hingegen bot dieses 0:0 Gelegenheit, einen langen Winterschlaf zu beginnen.

Übersetzt ins Trainerdeutsch hieß das: "Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden mit der Mannschaft. Es war schnell klar, dass es ein Geduldsspiel werden würde. Wir haben eine engagierte Leistung gezeigt, in einigen Situationen wurde vielleicht nicht konsequent genug gespielt." So sprach Bundestrainer Joachim Löw.

Man sollte sicherlich nicht jedesmal, wenn es um Schweden geht, auf die Lou-Reed-Geschichte verweisen. Der hat einmal behauptet, Schweden sei das Land, in dem sie Ohr-Operationen im Fernsehen zeigten, womit er sagen wollte, wie unglaublich langweilig diese Schweden wären. Das sind sie meistens natürlich kein bisschen, aber der Mittwochabend war wie gemacht dafür, die Lou-Reed-Geschichte hervorzukramen, denn die Schweden spielten sich einen so bemerkenswert faden Fußball zusammen, dass man tatsächlich lieber eine ordentliche Ohr-Operation im Fernsehen gesehen hätte, als bei Atemwölkchen-Kälte im Ullevi-Stadion zu sitzen.

Die schwedischen Zuschauer müssen das geahnt haben, denn nur 22.000 Menschen verloren sich im Rund, es herrschte eine Atmosphäre wie bei einem B-Jugendspiel. Der wohl spannendste Moment des Abends war gekommen, als vor Beginn der zweiten Halbzeit einer der Linienrichter feststellte, dass eines der Tornetze nicht richtig befestigt war. Was würde nun geschehen? Das Spiel konnte zunächst nicht wieder beginnen. Ob es zu einer langen Verzögerung kommen würde wie damals, im April 1998, als beim Champions-League-Spiel zwischen Real Madrid und Borussia Dortmund ein Torpfosten umgeknickt war? In Göteborg kam ein Hausmeister aufs Spielfeld gerannt und nahm den Schaden in Augenschein. Dann rannte er wieder weg und verschwand.

Jetzt war Leben im Stadion. Die deutschen Spieler passten den Ball hin und her, es wurde ein bisschen geraunt auf den Rängen. Der Hausmeister kam zurück auf den Platz gerannt, er trug ein Tütchen bei sich, und dann nahm er am Tor rasch eine Netzbefestigungs-Operation vor, und weiter ging's.

Dass die Szene mit so viel Freude aufgenommen wurde, lag daran, dass in der ersten Halbzeit so wenig passiert war. Einigen Zeitvertreib bot es immerhin, all die jungen Spieler im deutschen Team aus der Ferne zu identifizieren. Da war Marcel Schmelzer von Borussia Dortmund, der ebenso sein Debüt gab wie Lewis Holtby von Mainz 05. Mats Hummels spielte anstelle von Per Mertesacker in der Innenverteidigung, und noch ein Dortmunder stand auf dem Platz: Kevin Großkreutz agierte im Mittelfeld.

Holtby, der Agilste

Unter all diesen Spielern wirkte der 26 Jahre alte Bastian Schweinsteiger, der bereits sein 85. Länderspiel bestritt, wie ein Veteran. Er bemühte sich, Linie ins Gekicke zu bringen, bis er nach genau einer Stunde ausgewechselt wurde. Zuletzt spielte Schweinsteiger ja so gut, dass alle großen Klubs Interesse an ihm haben. Jüngste Meldung: Laut der italienischen Gazzetta dello Sport ist Inter Mailands Präsident Massimo Moratti bereit, 30 Millionen Euro Ablöse zu zahlen, um Schweinsteiger im kommenden Sommer zu verpflichten. Der FC Bayern will Schweinsteigers Vertrag aber lieber verlängern.

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Der Beste in einer trägen deutsche Mannschaft: Lewis Holtby (Mitte) von Mainz 05.

(Foto: AFP)

Einerseits ist so ein Freundschaftsspiel eine gute Gelegenheit, junge Profis ans internationale Niveau zu gewöhnen. Andererseits sind solche Spiele auch undankbar. Es geht um nichts, und der andere lässt einen trotzdem nicht einfach so gewinnen. Die Schweden gingen sogar durchweg sehr hart zu Werke, was besonders Marko Marin bis zu seiner Auswechslung zu spüren bekam.

Hervorzuheben waren zwei der jungen Spieler: Schmelzer machte sein Sache insgesamt gut und hatte mit einem Schuss aus rund 20 Metern eine gute Chance (36. Minute). Holtby machte seine Sache sogar noch besser, er war der agilste Spieler auf dem Platz und schoss in der 58. Minute knapp am Tor vorbei.

Dann, in der 69. Minute, ein Spielerwechsel bei den Schweden, der einiges versprach: Es kam Behrang Safari für Mikeal Lustig. Doch das war leider nicht programmatisch zu verstehen, weder war das Spiel vorher sonderlich lustig gewesen, noch neigte es sich nun ins Safarihafte. Also blieb den Chronisten an diesem ereignislosen Abend nur, die Statistiken zu pflegen. Sie notierten: André Schürrle und Marco Götze durften in den letzten zwölf Minuten auch noch mitspielen, und dieser 18 Jahre alte Götze war der jüngste Debütant im Nationalteam seit Uwe Seeler im Jahr 1954.

Für Götze war das alles natürlich doch ziemlich aufregend, er sagte: "Ich hatte schon ziemliches Herzrasen, aber ich bin froh und zufrieden, dass ich dabei sein durfte."

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