Länderspiel in Dänemark:Ein Spiel, das die Macht des DFB-Teams zeigt

Dänemark - Deutschland

Wer erkennt alle deutschen Nationalspieler? In der oberen Reihe (v.l.): Lars Stindl, Kevin Trapp, Antonio Rüdiger, Niklas Süle, Sandro Wagner und Matthias Ginter. In der unteren Reihe (v.l.): Sebastian Rudy, Julian Draxler, Jonas Hector, Leon Goretzka und Joshua Kimmich.

(Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Die DFB-Elf spielt mit sechs Debütanten ordentlich und kommt zu einem 1:1 in Dänemark.
  • Die Vorbereitung wirkte auffällig improvisiert im Vergleich zur sonstigen Detailverliebtheit des Bundestrainers.
  • Doch Joachim Löw weiß jetzt: Er findet zu jeder Tag- und Nachtzeit eine ordentliche Elf aus gut ausgebildeten Spielern.

Von Thomas Hahn, Kopenhagen

Sandro Wagner wurde am 29. November 1987 in München geboren, und zwar mit einer sehr klaren Vorstellung von seiner Zukunft. Eltern und übrige Verwandtschaft waren damals vor allem froh, dass der Bub wohlbehalten auf der Welt angekommen war. Was er dort genau werden sollte, wussten sie noch nicht. Sandro Wagner schon.

Er wollte Fußball-Nationalspieler werden, das war für ihn ganz klar. Er sehnte den Tag herbei, an dem er endlich das Trikot mit dem Bundesadler überstreifen durfte. Wenn die Erwachsenen seinerzeit sein Schreien richtig gedeutet hätten, wären sie sicher selbst darauf gekommen, dass dieser Säugling von Anfang an die Vision vom ersten Länderspiel in sich trug. Dass er ein Ziel hatte, welches er bedingungslos verfolgen würde.

So zumindest hat es Sandro Wagner selbst erzählt nach seinem Debüt in der A-Nationalelf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Dienstag beim 1:1 in Kopenhagen gegen Dänemark. "Darauf habe ich 29 Jahre lang gewartet", sagte er zu seiner Nationalspieler-Werdung und machte damit noch mal allen deutlich, dass es sich bei diesem ersten Test für den zusammengewürfelten Confed-Cup-Kader des Bundestrainers Löw keineswegs nur um irgendeine beliebige Partie gehandelt hatte.

Löws Vorgehen wirkt wunderlich - oder täuscht das nur?

Sondern um einen Karriere-Höhepunkt ausgewählter Profis. Um die Vollendung einer persönlichen Mission, die für jemanden wie Wagner, einen robusten Strafraumstürmer mit Bundesliga-Referenzen unter anderem aus Darmstadt und Hoffenheim, keine triviale Angelegenheit ist. Oliver Bierhoff stimmte zu: "Wir konnten vielen einen Kindheitstraum erfüllen", sagte der DFB-Manager im Ton des Gönners.

Sechs Länderspiel-Debüts hat es im Regen von Kopenhagen gegeben. Neben Wagner standen noch Torwart Kevin Trapp und Mittelfeldspieler Lars Stindl in der Startelf, nach der Pause kamen Amin Younes, Kerem Demirbay und Marvin Plattenhardt zum Zug. Die deutsche Elf wirkte an diesem Abend teilweise wie ein Basar für Länderspielminuten. Das ganze Auftreten der Deutschen vor dem WM-Qualifikationsspiel am kommenden Samstag in Nürnberg gegen San Marino und dem ungeliebten Confed-Cup in Russland wirkte etwas wunderlich, wenn man bedenkt, wie wichtig der Bundestrainer Joachim Löw sonst eine sorgfältige Vorbereitung nimmt.

Das 1:1 in Kopenhagen: Schema vom deutschen Länderspiel-Test

Dänemark: Rönnow (Bröndby Kopenhagen/24 Jahre/5 Länderspiele) - S. Larsen (Austria Wien/26/3), Christensen (Gladbach/21/12), ab 46. Jörgensen (FC Kopenhagen/27/11), ab 76. Dolberg (Ajax/19/2), Vestergaard (Gladbach/24/14), Durmisi (Betis Sevilla/23/19), ab 65. Sörensen (Köln) - Delaney (Werder Bremen/25/16), Eriksen (Tottenham/25/68), ab 65. Lerager (Zulte Waregem/ 23/1), Kvist (FC Kopenhagen/32/70), ab 46. Schöne (Ajax Amsterdam/31/29) - Y. Poulsen (Leipzig/22/19), ab 76. Vibe (Brentford/30/11), N. Jörgensen (Feyenoord Rotterdam/26/23), Braithwaite (FC Toulouse/26/16). - Trainer: Hareide.

Deutschland: Trapp (Paris St. Germain/26/1) - Ginter (Dortmund/23/10), ab 46. Younes (Ajax Amsterdam/23/1), Rüdiger (AS Rom/24/13), Süle (TSG Hoffenheim/21/2) - Kimmich (FC Bayern/22/14), Goretzka (Schalke 04/22/4), ab 77. Demirbay (Hoffenheim/23/1), Rudy (TSG Hoffenheim/27/15), ab 59. Can (Liverpool/23/9), Hector (Köln/27/28), ab 89. Plattenhardt (Hertha BSC/ 25/1) - Draxler (Paris St. Germain/23/29) - Stindl (Gladbach/28/1), Wagner (Hoffenheim/29/1), ab 67. Brandt (Leverkusen/21/6). - Trainer: Löw.

Tore: 1:0 Eriksen (18.), 1:1 Kimmich (88.). - Schiedsrichter: Oliver (England). - Gelbe Karten: keine. - Zuschauer (in Kopenhagen): 15 488.

Für manchen liest sich sein Kader wie ein Zufallsprodukt von der Resterampe. Das einzige gemeinsame Training vor dem Dänemark-Spiel fand nach der Anreise am Montagabend statt. Und wenn man Löw vor der Einheit beim offiziellen Pressetermin fragte, wen von seinen Diego Demmes und Marvin Plattenhardts er denn nun aufbieten werde, konnte er dazu gar nichts sagen, weil er selbst noch nicht die leiseste Ahnung hatte. Es war, als gönne sich der Weltmeister-Trainer mal eine Auszeit von seiner eigenen, manchmal etwas sehr deutschen Fußball-Planwirtschaft.

Oder täuscht das nur? Ist dieser Ausflug ins Reich der Improvisation vielleicht sogar ein Akt gewesen, der die Macht des deutschen Fußballs besonders anschaulich machte? Die DFB-Mannschaft ohne Vorbereitung ließ den Ball jedenfalls ganz gut laufen gegen die robusten Dänen, leistete sich zwar einen Abwehrfehler beim 0:1 durch Christian Eriksen, aber spielte danach meist hübsch nach vorne. Das 1:1 durch Joshua Kimmichs Fallrückzieher kurz vor Schluss war ein später Lohn für eine sehr ordentliche Darbietung, die Löw "eine gute Standortbestimmung" nannte. Zurück blieb der Eindruck, dass die deutschen Fußballer von heute gar nicht so viel voneinander wissen müssen, um gemeinsam ein Spiel aufzuziehen. Und das hat mit Zufall wenig zu tun.

Spieler wie Younes sind Berufssportler mit Extra-Gütesiegel

Seine große sportliche Krise hatte der DFB um die Jahrtausendwende. Die Reaktion darauf war eine umfassende Reform der Nachwuchsförderung in Verband und Profiklubs. Dass die Reform gelungen ist, zeigt sich gerade in diesen Tagen, da Löw etablierte Kräfte wie Toni Kroos, Sami Khedira , Mesut Özil oder Thomas Müller schonen will und trotzdem internationalen Pflichten nachkommen muss.

Ein ganzer Pool aus gut ausgebildeten Kräften steht Löw zur Verfügung, lauter Leute, die sämtliche Jugend-Nationalteams durchlaufen haben und für die der Aufstieg in die erste Mannschaft fast schon eine logische Folge ihrer Entwicklung ist. Wenn man sich den Kader genauer anschaut, wirken die Zusammengewürfelten gar nicht so zusammengewürfelt. "Das Gute ist, dass wir uns ja schon ein bisschen kennen. Von den Spielen gegeneinander oder weil wir in Jugendmannschaften zusammengespielt haben", sagt Kevin Trapp, der selbst einst für U 18, U 19, U 20 und U 21 des DFB spielte.

Niklas Süle und Matthias Ginter haben schon bei Olympia 2016 nebeneinander verteidigt, der Schalker Leon Goretzka war in Rio auch dabei. Und Weltmeister Shkodran Mustafi, gegen Dänemark nicht im Einsatz, muss alle enttäuschen, die glauben, er treffe im neu gemischten Aufgebot auf lauter Fremde. Mit dem Neuling Plattenhardt ist er 2009 U 17-Europameister geworden; im Kader standen damals auch die Confed-Cup-Torleute Marc-André ter Stegen und Bernd Leno. Selbst Sandro Wagner, Absolvent der FC-Bayern-Fußballschule, stand schon in der DFB-Kartei: als U 21-Europameister 2009 mit den späteren Weltmeistern Neuer, Boateng, Hummels, Höwedes, Khedira und Özil.

Lauter selbstgemachte DFB-Talente haben gegen Dänemark gezeigt, was sie an Technik und Taktik gelernt haben in den Fußball-Akademien des Landes. Leute wie Amin Younes, Europa-League-Finalteilnehmer mit Ajax Amsterdam, profitieren außerdem von ihrer Auslandserfahrung. Sie sind Berufssportler mit Extra-Gütesiegel, durch umsichtige Jugendarbeit zur Reife gebracht. Aus solchen Spielern lässt sich zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Nationalelf basteln, die zumindest handwerklich guten Fußball vorführt. Es gehört zum Job dieser jungen Leute, sich ihre Träume zu erfüllen. Und das tun sie mit Geschick und professionellem Eifer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: