Länderspiel: DFB - Australien:Löws neuer Lieblingsschüler

Nach der deprimierenden Niederlage gegen Australien sucht Bundestrainer Joachim Löw nach positiven Nachrichten - und findet tatsächlich welche. Die Leistung eines Mainzers lobt er geradezu überschwänglich.

Carsten Eberts, Mönchengladbach

Sven Bender saß zwischen den beiden, sozusagen als Puffer. Sonst hätte nicht viel gefehlt und Joachim Löw wäre André Schürrle noch auf der Pressekonferenz um den Hals gefallen. Um ihn zu loben für eine gute Leistung, um ihm zu danken: Dafür, dass dieser deprimierende Abend doch noch eine positive Nachricht in sich trug.

Länderspiel Deutschland - Australien

"André ist mit Tempo auf die Abwehr gegangen, mit Tempo zurück": Nationaltrainer Löw lobte Schürrle nach dem Spiel.

(Foto: dpa)

In Mönchengladbach hatte Deutschland 1:2 (1:0) gegen Australien verloren, es war gewiss nur ein Testspiel, ein unbedeutendes dazu. Doch am Ende stand die erste Niederlage seit dem verlorenen WM-Halbfinale gegen Spanien, auch noch in einem Heimspiel. Wie konnte das passieren? Der Weltranglisten-Dritte gegen einen unterklassigen Gegner?

Das waren gewiss drängende Fragen, doch Löw wollte sich in diesem Moment nicht damit aufhalten. Er sprach nun über André Schürrle: "Er ist mir sehr positiv aufgefallen", sagte der Bundestrainer, "seine Leistung war wirklich sehr gut." Die Botschaft, die Löw damit in die Welt schickte, war klar: Der Bundestrainer hat gesehen, was er sehen wollte. Egal, was er an diesem Abend noch alles riskiert hatte - und was alles misslang.

Der Test gegen Australien nahm für die deutsche Elf tatsächlich einen deprimierenden Verlauf. Löw hatte die Mannschaft auf acht Positionen verändert, schickte verdiente Kräfte wie Mesut Özil, Sami Khedira oder Philipp Lahm vorzeitig zurück zu ihren Klubs, gab im Tor Tim Wiese eine Chance, baute mit dem Dortmunder Sven Bender einen echten Debütanten ein. Kurzum: Ein Team, das so nie wieder zusammenspielen wird.

Für einen derartigen personellen Umsturz begann Deutschland passabel, hatte zwar mit Abstimmungsschwierigkeiten zu kämpfen, erarbeitete sich in der halbleeren Gladbacher Arena dennoch Chancen. Thomas Müller grätschte an einer Flanke vorbei (5.), Lukas Podolski riskierte einen 25-Meter-Freistoß, den er nur knapp neben das Tor setzte. Immer wieder war es vor allem Schürrle, der die holzigen Australier mit seiner Schnelligkeit vor Aufgaben stellte. Die beste Gelegenheit nutze schließlich Mario Gomez: In der 26. Minute trat Schürrle wieder einmal an, steckte den Ball kurz vor dem Sechzehnmeterraum clever zu Gomez durch, der das Spielgerät wunderbar in den linken Winkel schlenzte.

Das 1:0 brachte Sicherheit - bis zur 61. Minute, ehe zwei Abwehrfehler das deutsche Spiel kaputtmachten. Erst legten Mats Hummels und Christian Träsch dem Australier David Carney den Ball auf, der Wiese im Tor keine Chance ließ. Vier Minuten später war es wieder Träsch, der Harry Kewell im Strafraum scheinbar foulte. Den Elfmeter verwandelte Luke Wilkshire zum 1:2 (64.).

Gut für den Trainer

Die deutsche Mannschaft, in der Löw auch noch Schweinsteiger und Müller auswechselte, fiel fortan auseinander. Ohne ihre erfahrenen Vorarbeiter fanden die jungen Spieler keinen Halt mehr. "Es ist ein bisschen schade, weil wir das Spiel in der ersten Halbzeit ganz gut im Griff hatten. In der zweiten haben wir das Spiel aber aus der Hand gegeben", wertete auch Löw. Den positiven Aspekt schob er gleich hinterher: "Testspiele sind immer gut für die Trainer, um Schlüsse zu ziehen."

Die zog Löw tatsächlich - und war wieder bei Schürrle: "André ist mit Tempo auf die Abwehr gegangen, mit Tempo zurück", lobte er. Löw hat einen Spieler hinzugewonnen, der gegen manchen Gegner eine Waffe sein kann, der Podolski oder Müller auf den Außenbahnen nicht ersetzen, jedoch ergänzen soll. Für ein wertloses Freundschaftsspiel, dem Bayern-Präsident Uli Hoeneß zuvor lautstark den Sinn abgesprochen hatte, ist das schon ziemlich viel.

Schürrle wusste wohl, dass so viel Lob nicht oft über des Bundestrainers Lippen kommt. Er sprach schnell: "Ich freue mich über so viel positive Resonanz. Gerade für uns junge Spieler hat das Spiel sehr viel gebracht." Dass er anders als bei Mainz 05 diesmal über rechts kommen musste, bedeutete eine gewisse Umstellung: "Von links kann ich mit meinem starken rechten Fuß in die Mitte dribbeln, über rechts komme ich eher zum Flanken." Über links wäre Schürrle wohl auch in der Nationalmannschaft stärker - noch so eine Erkenntnis.

Die Leistung der übrigen Perspektivspieler, die Löw gegen Australien testete, lässt sich knapp zusammenfassen. Marcel Schmelzer? Weiterhin ein Kandidat für die linke Abwehrseite. Christian Träsch? Als Lahm-Ersatz über rechts meist überfordert. Tim Wiese? Bei den Gegentoren ohne Schuld. Sven Bender? Lieferte ein gutes Länderspiel-Debüt, enorm zweikampfstark, könnte in ein oder zwei Jahren eine Größe im defensiven Mittelfeld werden.

Auch sein Mannschaftskollege Mats Hummels bewies bis auf seinen Fehler vor dem 1:1, dass Löw auf ihn bauen kann. Nicht als Abwehrchef, wie in Dortmund, jedoch als zweiter Part neben Per Mertesacker oder Arne Friedrich. Auch Hummels wollte die Niederlage nicht zu hoch hängen: "Es war ja abzusehen, dass es kein glanzvoller Kick wird." Nach seinem vierten Länderspiel sieht er sich in der Nationalmannschaft langsam angekommen: "Es ist nicht so leicht, hier reinzukommen. Aber wenn man einmal drin ist, ist es ein bisschen leichter."

André Schürrle hätte diesen Satz kaum treffender formulieren können.

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