Länderspiel: Deutschland - Australien:Traurige Kennenlern-Party

Wer bin ich, und wenn ja: Wo spiele ich? Eine neuformierte DFB-Elf unterliegt Australien 1:2. Anfangs scheinen die "Socceroos" ein guter Gegner für die durcheinandergewürfelte deutsche Mannschaft, doch das ändert sich plötzlich - Löws Experimente gelingen nicht.

Michael Ballack ist ein erfahrener Profi, er hat ein gutes Gespür für den Raum. Er hatte sich einen guten Platz ausgesucht im Stadion in Mönchengladbach, Haupttribüne Mitte, mit guter Sicht, und vor allem: mit angemessener Sitzqualität. Er entschied sich, eine Reihe über Reiner Calmund Platz zu nehmen, sicherheitshalber nicht neben ihm. Sollte er sich aber erhofft haben, in Calmunds breitem Schatten abtauchen zu können, so hatte er sich getäuscht: Die Fernsehkameras fanden ihn. So konnte ganz Deutschland sehen, wie der (ehemalige?) Kapitän live den Bemühungen seiner (ehemaligen?) Kollegen beiwohnte.

Germany v Australia - International Friendly

Im Spiel obenauf: Der Australier Mile Jedinak im Zweikampf mit Thomas Müller.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Was Ballack wohl dachte, als er die Kollegen mit 1:2 (1:0) gegen harmlose Australier verlieren sah? Aber auch er wird wissen, dass diese experimentell zusammengestellte Elf in dieser Formation gewiss nicht mehr zusammenspielen wird. Bundestrainer Joachim Löw kommt die Niederlage in diesem ganz und gar unwichtigen Spiel dennoch ganz und gar ungelegen.

Schließlich wollte seine Elf den jüngsten Pfiffen und der Kritik aus München (siehe nebenstehende Meldung) eine munteres Vorstellung entgegensetzen. "In der ersten Halbzeit haben wir es eigentlich ganz gut gemacht, auch und gerade die jungen Spieler. In der zweiten Halbzeit haben wir das Spiel aber irgendwie aus der Hand gegeben", sagte Löw, verwies aber darauf, dass es auch vor der WM Niederlagen in Testspielen gegeben habe. "Für die junge Spieler sind solche Partien wichtig", meinte Löw. Ein älterer Spieler äußerte sich dagegen ziemlich kritisch: "Das ist eine Sache der Einstellung. Man kann sich sehr gut vorbereiten, aber dann lässt man es doch etwas locker angehen. Das sollte normal nicht so sein", erklärte Miroslav Klose, der in der zweiten Hälfte eingewechselt wurde.

Es ist nicht ganz sicher, ob das Thema Ballack/DFB die Nation wirklich noch interessiert (Tendenz: eher nein), aber dank Ballacks Präsenz gab es schon vor dem Spiel was zu diskutieren. Zuvor hatten die Nachrichtenagenturen ja aufgeregt ins Land hinaus gemeldet, dass Ballack den (ehemaligen?) Kollegen einen (kurzen!) Besuch im Teamhotel abgestattet habe.

Das Thema Ballack reichte auch, um sich die ersten 20 Minuten dieses Freundschaftsspiels zu vertreiben - ein Spiel, in dem die Akteure allerdings bestimmt nicht mit Ballack, sondern eher mit sich selbst beschäftigt waren. Oder besser: mit ihrem jeweils nächststehenden Mitspieler, den sie irgendwoher aus der Bundesliga kannten.

Viel mehr schien die DFB-Spieler zunächst nicht miteinander zu verbinden, was kein Wunder war angesichts der großen Rotationsmaschine, die Joachim Löw angeworfen hatte. Im Vergleich zum Qualifikationsspiel gegen Kasachstan hatte der Bundestrainer seine Elf auf acht Positionen verändert - eigentlich auf achteinhalb, denn Müller, neben Podolski und Schweinsteiger eine der drei verbliebenen Konstanten im Team, besetzte eine andere Rolle als sonst. Er spielte nicht am rechten Flügel, sondern hinter der einzigen Spitze Mario Gomez - wie beim FC Bayern.

Es war kein leichter Auftrag, den Löws B-Mannschaft da gegen knorrige Australier zu erfüllen hatte. Nicht nur, dass sie vollauf damit beschäftigt waren, sich im laufenden Spielbetrieb kennenzulernen - sie wussten, dass ihnen die Nation nach dem Kasachstan-Spiel kritisch auf die Füße sah. Am vorigen Samstag war die A-Elf in Kaiserslautern trotz eines souveränen 4:0 ausgepfiffen worden, was die Frage aufwarf: Würde Mönchengladbach verzeihen können, wenn mal ein Pass verrutscht?

Keine Feststimmung

Mönchengladbach war zwar nicht besonders festlich gestimmt, aber durchaus gnädig. Die Zuschauer merkten, dass die junge DFB-Elf sich erst finden musste. Mancher Laufweg endete mit dem überraschten Blick zum plötzlich aufgetauchten Nebenmann: Was, Du auch hier? Aber das Publikum merkte auch, dass viele Spieler willig waren, mitunter bis an die Grenze des Übereifers.

Länderspiel - Deutschland - Australien

Glückliche "Socceroos": Brett Emerton (links) jubelt mit Luke Wilkshire, Torschütze zum 2:1 für Australien.

(Foto: dpa)

Auf der rechten Seite etwa bildeten der Stuttgarter Christian Träsch und sein Vordermann, der Mainzer André Schürrle, anfangs ein sehr motiviertes Duo. In der ersten Hälfte machten beide immer wieder auf sich aufmerksam, ebenso der stellungssichere Sven Bender, 21, den Löw auf der Sechser-Position neben Ersatzkapitän Bastian Schweinsteiger debütieren ließ.

Begabung und Willen der jungen Deutschen waren erkennbar, aber wozu die Elf fähig ist, zeigte sich nur bei zwei, drei schnellen Kombinationen - etwa in der 26. Minute, als Schürrle den Ball nach einem flinken Angriffszug zu Gomez legte, der den Ball am Sechzehnmeterraum stoppte, schoss und in den Winkel traf - ein prächtiges Tor, das Gomez' aktuelle Ligaform aufs Schönste unterstrich.

Die Australier waren anfangs ein passender Gegner, um den Deutschen ihre Kennenlern-Party nicht zu verderben. So spielten nicht schnell genug, um die Abstimmungsprobleme der DFB-Elf (Wer bin ich, und wenn ja: Wo spiele ich?) auszunutzen; speziell jene auf der linken Seite, auf der Marcel Schmelzer recht nervös wirkte. Manche Lücken waren aber doch zu einladend: In der 61. Minute kurvte David Carney an Träsch und Hummels vorbei und überwand den wild heranfliegenden Torwart Wiese überlegt zum Ausgleich. 180 Sekunden später war aus der Führung gar ein Rückstand geworden: Luke Wilkshire (64.) verwandelte einen Elfmeter, den Routinier Kewell clever gegen Träsch herausgeholt hatte.

Mit dem jungen Mario Götze und dem guten, alten Miroslav Klose brachte Löw neuen Schwung ins Spiel, beide kamen gleich zu Chancen, aber nun, bei Rückstand, fand diese neue Elf erst recht nicht mehr zueinander. Und am Ende pfiff Mönchengladbach sogar.

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