VfB-Trainer Labbadia:Vereint im Frust

Der VfB Stuttgart kommt in der Liga nicht in Fahrt und dann pöbeln auch noch die eigenen Fans. Nach dem Remis gegen Leverkusen verschafft sich Trainer Bruno Labbadia öffentlich Luft - und gibt Sportdirektor Fredi Bobic zu denken.

und Jürgen Schmieder

Labbadia trotzt dem Trend

Trotz Wutrede vom Trainer: Sportdirektor Fredi Bobic (re.) steht hinter Bruno Labbadia.

(Foto: dapd)

Bruno Labbadia leidet. In der Regel nicht in der Öffentlichkeit, denn der Trainer des VfB Stuttgart gehört eher zu der zurückhaltenden Sorte seiner Zunft. Am Wochenende jedoch war es vorbei mit Labbadias Zurückhaltung, er schimpfte mit hochrotem Kopf über die Pöbeleien der eigenen Fans beim 2:2 gegen Bayer Leverkusen.

Bei Labbadia hat sich allerlei Frust angestaut, wegen des miesen Saisonstarts der Stuttgarter, aber auch der skurrilen Atmosphäre, die beinahe jede Pressekonferenz nach einem Spiel der Schwaben zu begleiten scheint. So wie am 25. Februar: Der VfB Stuttgart hatte gerade verdient mit 4:1 gegen den SC Freiburg gewonnen - doch die Stimmung auf der Pressekonferenz ließ eher vermuten, dass Stuttgart mit gleichem Ergebnis verloren hätte. Die Freiburger wurden gelobt ob ihrer Spielfreude und ihres Einsatzwillens, während der Stuttgarter Trainer immer wieder nach den Schwächen seiner Mannschaft gefragt wurde.

Labbadia beantwortete die Fragen geduldig und freundlich, er suchte tatsächlich nach Antworten, obwohl er einfach nur hätte sagen können: "Ihr habt schon das Spiel gesehen und wisst, dass wir deutlich gewonnen haben?" Doch Labbadia blieb ruhig - und Freiburgs Trainer Christian Streich sah irgendwann mitleidig hinüber zu seinem Kollegen. Sein Blick sagte: Bruno, in deinem Fall ist gewinnen auch nicht unbedingt schön.

Nach dem Remis gegen Leverkusen war es bei Labbadia nun vorbei mit der Ruhe. Auf der Pressekonferez verwandelte sich seine Gesichtsfarbe von Stuttgart-Weiß zu Stuttgart-Rot. "Ich kann gewisse Dinge nicht akzeptieren, wenn der Trainer wie der letzte Depp dargestellt wird, als hätte er gar keine Ahnung", schimpfte der Coach und machte darauf aufmerksam, dass Trainer nicht "die Mülleimer von allen" seien.

Bobic verteidigt Labbadia

Empört hatten Labbadia wohl die eigenen Anhänger. Die Stuttgarter Fans gelten als lautes und freudiges, indes aber auch überaus kritisches Publikum. Bei einem Sieg aus sieben Spielen kam in dieser Saison Letzteres besonders zum Vorschein. Als Labbadia Raphael Holzhauser in der 77. Minute vom Platz nahm, weil dieser von Krämpfen geplagt über den Platz torkelte, hallten Pfiffe durchs Stadion. Am härtesten getroffen haben Labbadia vermutlich die "Bruno raus"-Rufe der eigenen Fans.

"Die Zuschauer sind aufgewiegelt durch absolute Unwahrheiten. Holzhauser wäre nicht mehr beim VfB, wenn ich nicht mein Veto eingelegt hätte", wütete Labbadia weiter und dann redete er sich auch den Frust über die ständige Kritik an seiner Person von der Seele. "Es ist eine gewisse Grenze erreicht. Vor 22 Monaten bin ich hier angetreten. Da hatten wir nur zwölf Punkte auf dem Konto. Da hat keiner mehr auch nur einen Pfifferling gegeben auf die Mannschaft. Danach habe ich sie in die Europa League geführt."

Wer einmal eine Pressekonferenz nach dem Spiel verfolgt hat, der kommt nicht umhin zu denken: Wenn die Stuttgarter verlieren, dann wollen die Journalisten wissen, warum die Mannschaft verloren hat. Und wenn sie gewinnen, dann wollen die Reporter wissen, warum es keinen höheren Sieg gegeben hat. Meist wird dann der Trainer angegangen - und wenig später entlassen: 2008 musste Armin Veh gehen, der in der Saison zuvor Deutscher Meister geworden war. 2009 wurde Markus Babbel entlassen, im Jahr 2010 waren es gar zwei Trainer: Christian Gross und Jens Keller.

Labbadia ist mit seinen mittlerweile 22 Monaten Amtszeit fast schon ein Urgestein auf dem Stuttgarter Trainerposten, auch und vor allem wegen der Unterstützung von Sportdirektor Fredi Bobic. Für Labbadias Wutrede zeigte er gleich im Anschluss Verständis: "Er hat ein gutes Recht, sich genau so zu äußern."

Bobic scheint es ungeheuer wichtig zu sein, seine Loyalität für Labbadia auszudrücken. Loyalität, die aus seiner Sicht von den Medien immer wieder zu Unrecht angezweifelt wird. "Wenn dann geschrieben wird, im Trainerstab stimmt es nicht, mit den Spielern nicht und hin und her, dann reicht es. Es reicht!", so Bobic, "Ich habe das schon vor einer Woche gesagt. Kritik kann man äußern, aber sie muss sachlich sein und darf nicht persönlich werden."

Und dann sagte Labbadia noch etwas, was den Sportdirektor, der so an seinem Trainer festhält, ein bisschen erschrocken haben muss: "Als normaler Bundesliga-Trainer muss man sich die Frage stellen: Gehe ich einen schweren Weg mit? Oder sage ich: Am Arsch geleckt! Das Fass ist absolut voll." Nach einem tollen Job, den Labbadia ausübt, hört sich das nicht mehr an.

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