La Liga:"So können wir nicht weitermachen, wir sind Real Madrid"

LA LIGA:  LA LIGA GIRONA VS REAL MADRID

Trifft einfach nicht: Ronaldo beim 1:2 gegen Girona.

(Foto: dpa)
  • Nach der Blamage gegen das kleine Girona hat Real Madrid in der spanischen Liga bereits acht Punkte Rückstand auf den FC Barcelona.
  • Noch nie gelang es dem Verein, einen derart gewaltigen Rückstand aufzuholen.
  • Vieles läuft schief, doch Trainer Zidane sieht keinen Grund, etwas zu verändern.

Von Lisa Sonnabend

Cristiano Ronaldo sorgte mal wieder für Aufsehen. Der Angreifer von Real Madrid, eben zum Fußballer des Jahres gewählt, traf allerdings nicht etwa besonders kunstvoll ins Tor. Nein, er traf überhaupt nicht. Schon wieder nicht. Ronaldo rangelte am Sonntag stattdessen mit Pere Pons vom FC Girona, er schob ihn mit dem Arm weg - und langte ihm dann auch noch mit der rechten Hand ins Gesicht. Der Portugiese hatte Glück, dass der Schiedsrichter gerade nicht hinschaute.

Cristiano Ronaldo, der keine Tore erzielt, sondern überfordert ist mit dem Gegenspieler - dieser Eindruck steht derzeit symptomatisch für die Lage von Real Madrid. Gegen das kleine Girona verlor der Rekordmeister in der spanischen Liga nach einer 1:0-Führung noch 1:2, es war die erste Niederlage gegen einen Aufsteiger nach 27 Jahren. Doch das 1:2 war mehr als eine Blamage, Real könnte in dieser Partie bereits die Meisterschaft verspielt haben. Nach nur zehn Spieltagen.

Zidanes arg optimistisches Urteil

Die Königlichen liegen derzeit nur auf dem dritten Tabellenplatz. Acht Punkte hinter Spitzenreiter FC Barcelona. Nie gelang es Real, nach einem derart gewaltigen Rückstand noch den Meistertitel zu gewinnen. "Real sagt Nein zur Liga", titelte die Sportzeitung Marca am Tag danach - in Anlehnung an die nach Unabhängigkeit strebenden Katalanen. Der Klub, der in der vergangenen Saison als erstes Team der Geschichte den Champions-League-Titel verteidigte, ist innerhalb von nur wenigen Wochen in eine tiefe Krise geschlittert.

Zum ersten Mal gerät damit auch Zinédine Zidane in die Kritik. Der Trainer setzte sich nach dem Spiel in Girona vor die Presse, der Anzug wie immer gebügelt, die Stimme ruhig. Er gab sich unbeeindruckt von den Ereignissen. "In einem Fußballspiel entscheiden meist nur Details", sagte er. "Uns hat es heute ein bisschen an der Konzentration gefehlt." Mehr nicht? Eine ziemlich optimistische Einschätzung. Denn bei Real liegt derzeit einiges im Argen.

Abfällige Handbewegungen

Gegen Girona war wieder einmal zu sehen, wie sehr die Defensive der Spanier wackelt, wie schwer es dem Team fällt, sich zwingende Torchancen zu erspielen, wie schlecht manchmal die Abstimmung auf dem Feld funktioniert. Immer wieder machte Ronaldo abfällige Handbewegungen in Richtung seiner Teamkollegen. Zidane gelang es nicht, seine Mannschaft wachzurütteln, durch seine Einwechslungen trug er nicht zu einer Verbesserung des Niveaus bei.

Real plagen derzeit zwar viele Verletzungen. Mit Torhüter Keylor Navas, Angreifer Gareth Bale oder Verteidiger Daniel Carvajal fehlen einige Stammspieler. Nun zog sich gegen Girona auch noch Raphaël Varane eine Blessur zu. Doch eine Entschuldigung für den schwachen Saisonstart ist dies nur bedingt. Denn es ist nicht zu verbergen, dass zahlreiche Real-Profis deutlich schwächer Fußball spielen als in der Vorsaison.

Ronaldo fehlte seinem Team nach einer unnötigen roten Karte zunächst vier Liga-Spiele, seitdem wirkt es oft, als wäre er nicht eingebunden in das Teamgefüge. In sechs Partien erzielte er lediglich ein Tor. Stürmer Karim Benzema traf genauso selten. Marcelo, eigentlich einer der besten Außenverteidiger der Welt, rennt nach einer Verletzung nicht mehr so schnell die Seitenlinie rauf und runter wie zuvor, es gelingt ihm nur noch selten, Angriffe einzuleiten. Gegen Girona verlor er 16 Mal den Ball. Toni Kroos ist zwar weiterhin die Konstante im Mittelfeld, doch auch er hilft der Offensive derzeit zu wenig, ihm ist noch keine Torvorlage in der Liga-Saison gelungen.

Was der FC Barcelona besser macht

Nur ein Real-Spieler überzeugte in den vergangenen Wochen, er traf auch gegen Girona: Isco. Der Spanier bietet sich seinen Mitspielern ständig an und versucht, sie mit Rufen und Gesten aus ihrer Lethargie zu reißen. Doch ein Spieler kann nicht wiedergutmachen, was zehn andere versäumen. "So können wir nicht weitermachen", schimpfte Isco am Tag nach der Niederlage auf der Vereinsseite. "Wir sind Real Madrid."

Zwei Unentschieden, zwei Niederlagen, nur sechs Siege - diese Liga-Bilanz ist in der Tat untypisch für den spanischen Rekordmeister. Barcelona startete dagegen souverän mit neun Siegen und nur einem Unentschieden in die Saison. Zwar spielen die Katalanen auch noch nicht so gut wie zu ihren besten Zeiten. Unter dem neuen Trainer Ernesto Valverde müssen sie ihr System erst noch finden. Doch das Team beeindruckt mit Effizienz und Willen.

Messi trifft, ter Stegen patzt nicht

Neymar wird nach seinem 222-Millionen-Euro-Wechsel nach Paris in Barcelona deutlich weniger vermisst als befürchtet, dem deutschen Torhüter Marc-André Ter Stegen unterlaufen keine Patzer mehr - und im Gegensatz zu seinem großen Konkurrenten Ronaldo hat Lionel Messi keine Probleme, das Tor zu finden: Zwölf Treffer führt die Statistik bereits in seiner Liga-Bilanz. Nicht nur die Meisterschaft, auch die Torjägerkanone ist somit für Ronaldo in weite Ferne gerückt.

Real reist nun zur Champions-League-Partie gegen Tottenham Hotspur am Mittwoch. Vor zwei Wochen gelang ihnen gegen den Premier-League-Verein zuhause nur ein Unentschieden, nun könnten sie in London die Tabellenführung in Gruppe H verspielen. Es wäre ein weiterer Rückschlag.

Die Mannschaft müsse sich nun ausruhen und die Batterien aufladen, sagte Zidane nach der blamablen Niederlage am Sonntag. Und eben konzentrierter spielen. Sonst sieht er keinen Grund für Veränderungen. "Die Mannschaft ist intakt", findet er. Doch ist sie das wirklich?

Immerhin in der Champions League könnte es für einen Erfolg reichen. Dort hat Ronaldo nämlich in dieser Saison bereits fünf Mal getroffen - zwei Mal öfter als Messi.

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