Real Madrid vor Duell mit ManCity:Mit der Faust in der Tasche

Lesezeit: 3 Min.

Es geht mal wieder heiß her im Derby: Hier kämpft Luka Modric gegen Atléticos Marcos Llorente (links) und Angel Correa um den Ball. (Foto: Javier Soriano/AFP)

Real lamentiert nach einem Unentschieden im Stadtderby gegen Atlético erneut über die Schiedsrichterleistung. Dabei deutet einiges darauf hin, dass der spanische Rekordmeister vor dem Treffen mit Manchester City in Wahrheit andere Baustellen hat.

Von Javier Cáceres, Madrid/Berlin

Im Pressesaal des Estadio Santiago Bernabéu war der erste Satz der ersten Frage noch nicht zu Ende formuliert, da schüttelte Carlo Ancelotti, der Trainer von Real Madrid, bereits mit dem Kopf. „Ich wollte Sie zur Aktion vor dem 1:0 von Atlético Madrid …“, hatte ein TV-Mann angehoben, doch Ancelotti fiel ihm umgehend ins Wort. „No, no“, sagte der Italiener und schob ein zweisilbiges Wort hinterher, das signalisieren sollte, zur nächsten Frage überzugehen. Doch der Fragesteller insistierte: Ob er nicht über den Schiedsrichter reden wolle? „No“, sagte Ancelotti. „Gibt es dafür einen Grund?“, lautete die nächste Erkundigung. Doch Ancelotti zuckte nur mit den Achseln und den Brauen, ehe er aus verzogenen Mundwinkeln kurz und knapp herauspresste: „Ich mag einfach nicht.“

Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn Real Madrid im Liga-Derby gegen Atlético nicht noch ausgeglichen hätte – die Partie endete 1:1 (0:1)  -, sondern das Duell verloren gegangen wäre und Real die Tabellenführung nicht bewahrt, sondern an den ungeliebten Nachbarn abgegeben hätte. Madrid hätte wohl gebrannt. Denn über nichts war in den Tagen vor dem Derby mehr gesprochen worden als über die Referees, und ihnen wurde auch im Madrider Derby wieder eine Hauptrolle zuteil.

Zur Erinnerung: Nach dem Spiel aus der Vorwoche bei Espanyol Barcelona hatte Real Madrid einen vierseitigen Brief an den spanischen Verband geschickt, in dem der spanische Rekordmeister festhielt, dass das Schiedsrichterwesen des Königreichs verkommen sei und den Wettbewerb verzerre. Das Echo dazu war am Samstag gut zu hören: „Corrupción/en la federación“, Korruption im Verband also, skandierten die Zuschauer im Bernabéu, noch ehe der Ball rollte. Als er es dann tat, war noch etwas anderes zu hören, was auf Groll in der Kabine schließen ließ. Denn wie über die Außenmikrofone des übertragenden TV-Senders deutlich hörbar war, bedachte der englische Real-Profi Jude Bellingham den Schiedsrichterassistenten mit Kraftausdrücken, als dieser Atlético einen Einwurf zusprach. „Fuck you! Fuck off!“, rief Bellingham.

Die Szene, zu der Ancelotti ursprünglich nichts sagen wollte (die er dann aber natürlich doch noch kommentierte), hatte sich in der ersten Halbzeit zugetragen und den Zornespegel im Bernabéu ins Unermessliche steigen lassen. Der Franzose Aurélien Tchouaméni, der bei Real nach den Verletzungen von Antonio Rüdiger, David Alaba und Éder Militão wieder aushilfsweise den Innenverteidiger mimte, hatte im Strafraum die Sohle wie ein Bügeleisen über den Fuß von Atléticos Außenspieler Lino gehalten. Nach Ansicht von Wiederholungen, Zeitlupen, Zoom- und Standbildern dekretierte der Schiedsrichter: Strafstoß. Ancelotti konnte es erkennbar nicht fassen. Sein sarkastisch wirkendes Lächeln vergrub er unter den Händen, die er nachgerade demonstrativ vors Gesicht schlug. Auf der Tribüne rasteten die Kommentatoren von Real Madrid TV aus: „Das ist ein Grund, um den Platz verlassen!“

Vinícius vom Einhalten der taktischen Vorgaben zu überzeugen, war wohl kein leichter Kampf

Ancelotti ballte bloß die Faust in der Tasche. „Den Elfmeter pfeift der VAR. Der Schiedsrichter war in der Nähe gewesen und hatte die Szene gesehen“, klagte Ancelotti später – und outete sich als Fußballtraditionalist: „Das Fußballvolk versteht so etwas nicht.“ Der Strafstoß immerhin brachte einen der wenigen Momente von Anmut, die in der ersten Halbzeit zu beobachten waren. Der argentinische Weltmeister Julián Álvarez überwand Real Madrids Torwart Thibaut Courtois mit einem hauchzarten Lupfer in die Mitte des Tores zur 1:0-Führung.

Kollektiv entsetzt: Trainer Carlo Ancelotti und die Fans von Real Madrid. (Foto: Manu Fernandez/AP)

Real Madrid erwachte nach der Pause aus der Lethargie und kam schon in der 50. Minute durch Kylian Mbappé zum 1:1-Ausgleichstreffer; die restlichen Real-Chancen vereitelten der blendende Atlético-Schlussmann Jan Oblak, bei einem Bellingham-Kopfball half Atlético die Querlatte.

Mit Blick auf das komplizierte Champions-League-Duell am Dienstag bei Manchester City gab sich Ancelotti zufrieden. „Das (taktische) Schema kann uns dort nützen; wir haben mit zwei Viererlinien gespielt, mit Bellingham etwas weiter außen, und das hat gut funktioniert. Ich kann mich an keine Paraden von Courtois erinnern“, erläuterte Ancelotti.

Vor allem aber hat er noch ein paar Tage Zeit, den aktionistischen Vinícius Jr. davon zu überzeugen, dass er nicht kopflos und eitel ins Sturmzentrum herumlaufen, sondern auf der Außenbahn Dienst verrichten sollte. Gegen Atlético wurde Real Madrid erst stärker, als er sich an die taktischen Vorgaben Ancelottis hielt.

Das war kein leichter Kampf. Allmählich gilt der Brasilianer intern bei Real Madrid als eitles, selbstherrliches Sorgenkind. Die TV-Bilder aus der Vorwoche zeigten, wie Reals zentraler Mittelfeldspieler Ceballos den brasilianischen Stürmer mied; unter der Woche stellte Luka Modric Vinícius auf dem Platz in den Senkel, weil er keine Abwehrarbeit verrichtete. Man könnte meinen, dass es den angeschlossenen Funkhäusern Reals gut in den Kram passte, über Schiedsrichter zu klagen. Wer spricht schon gern über interne Querelen.

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