La Glosse:Polyglotte Probleme

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(Foto: N/A)

"Uefa rügt Schweiz!", titelten die Schweizer Gazetten am Freitag. Die Schweizer Spieler seien zu vieler Sprachen mächtig und brächten die Dolmetscher in Schwulitäten.

Von Javier Cáceres

Herrlich waren die Zeiten, als der Fußball noch ein Proletensport war, den die Intellektuellen verachteten - mitsamt jenen, die schon damals anfingen, Geld mit ihm zu scheffeln. Dass sich daran etwas änderte, weiß man spätestens, seit Sócrates, ein Mittelfeldspieler und Mediziner, in seiner brasilianischen Heimat eine Demokratie-Bewegung initiierte und später bei Beginn seines Auslandsengagements in Italien davon sprach, dass er den kommunistischen Theoretiker Antonio Grasci im Original lesen wolle und nicht gekommen sei, um italienische Fußballer kennenzulernen. Oder, als der französische Nationalspieler Eric Cantona am Tag nach seiner Vorstellung als neuer Stürmer bei Manchester United die Journalisten korrigierte, sein Idol sei nicht "Rambo", der Filmheld, sondern Rimbaud, der Poet. Jorge Valdano wiederum, der schöngeistige einstmals stürmende Argentinier, zitiert lieber Jorge Luis Borges - und fing irgendwann selbst an, Kurzgeschichten auf beeindruckendem Niveau zu schreiben. Doch vor praktische Probleme stellte das angehobene Bildungsniveau der Kicker die Fußballinstitutionen noch nie. Bis jetzt.

"Polyglott - Uefa rügt Schweiz!", titelten am Freitag die Schweizer Gazetten. Das Problem: Die Schweizer EM-Spieler seien zu vieler Sprachen mächtig - "kein Witz!" Tatsächlich sind nahezu alle Schweizer imstande, in den internationalen Pressekonferenzen in jener Sprache zu antworten, in der sie jeweils befragt werden - und das, obwohl sie auf Rätoromanisch verzichten. Nach der Partie gegen Rumänien etwa parlierte Trainer Vladimir Petkovic auf Deutsch, Französisch und Italienisch; Granit Xhaka, bislang bei Borussia Mönchengladbach und künftig beim FC Arsenal tätig, gab sich ähnlich multilingual.

Trap hätte in einem Satz fünf Sprachen untergebracht, die er nicht beherrscht

Ein Problem ist das für die Uefa, weil es den Simultanübersetzern in ihren Kabinen inzwischen schlimmer ergeht als Bill Murray im Film "Lost in Translation". Nicht alle sind zum Beispiel des Deutschen mächtig - und müssen zuweilen erst abwarten, bis sie eine deutsche Antwort vom englischen Kollegen übersetzt bekommen, um sie dann, sagen wir, ins Ungarische oder Albanische zu übertragen. Wenn dann auf dem Podium Leute sitzen, die den Dolmetschern nicht genug Zeit für die Übersetzung lassen, ist die Post nicht nur still, sondern auch langsam, und so geht ein großer Teil der Floskeln unter in einem babylonischen Meer aus Wörtern.

Ob im Presseraum wirklich jeder Journalist auch in jeder Sprache mitbekam, dass Petkovic nach der Partie glatt behauptete, das Glas der Schweizer sei "halbvoll" und müsse "nachgefüllt" werden, kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit behauptet werden. Dafür kann die Hand dafür ins Feuer gelegt werden, dass die Uefa ganz froh ist, dass sich der irische Verband rechtzeitig von Coach Giovanni Trapattoni ("müsse nich' versteh', wenn es gibt die Fehler und wenn was machen") getrennt hat. Trap ist zwar kein Schweizer. Aber er hätte in einem Satz aus vier Worten locker alle fünf Sprachen untergebracht, die er nicht beherrscht.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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