Kylian Mbappé:Mbappé arbeitet am Bad-Boy-Image

Kylian Mbappé: Immer öfter genervt: Kylian Mbappé.

Immer öfter genervt: Kylian Mbappé.

(Foto: AP)
  • Frankreichs WM-Held Kylian Mbappé, 19, fällt gerade immer mal wieder aus der Rolle.
  • Er wirkt genervt und impulsiv, in Frankreich sah er zuletzt Rot. Das hat auch damit zu tun, dass er in Paris im Schatten von Neymar steht.
  • Trotzdem könnte Mbappé nun zum Weltfußballer gewählt werden - und nicht Neymar.

Von Oliver Meiler

Freude entlädt sich meist mit Wucht gleich nach einem Sieg, im Sturm der Gefühle, wenn die Herzen überlaufen. Manchmal erstickt sie aber auch schnell wieder.

Vielleicht lag es ja auch an dem Sommerregen, der sich ausgerechnet am späten Nachmittag des 15. Juli über Moskau ergoss, exakt während der Siegerehrung. Er prasselte so urplötzlich auf die Szene, dass es in der Requisitenkammer des Luschniki-Stadions eine Weile lang nur einen einzigen Schirm zu geben schien - natürlich schützte der das Haupt Wladimir Putins. Die kroatische Präsidentin und der französische Präsident bekamen das ganze Wasser ab, was ihre Freude aber nicht trübte. Sie herzten einander, sie lachten, sie taten, was Politiker nun mal tun: Sie nutzten die tolle Bühne für etwas Selbstinszenierung.

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte das schon während des WM- Finales auf der Ehrentribüne so kindlich euphorisch getan, dass die Welt fast nur auf ihn schaute. Es gibt nun dieses berühmte Foto, aufgenommen von einem Hoffotografen des Kreml, darauf sieht man den jungen, dünnen Mann tanzend in der Präsidentenloge vor Putin und Gianni Infantino, dem Boss der Fifa. Macron überall, Macron Weltmeister - er, lui-même! Eine Ikone. Im Moment des Glücks stahl er den Bleus fast die Schau. Als die tatsächlichen Weltmeister nach Paris kamen, um sich feiern zu lassen, fiel die Parade auf den Champs-Élysées viel kürzer und nüchterner aus, als es so ein Titel verdienen würde. Dann begann der Urlaub.

Selten verpuffte ein Sommermärchen so schnell wie diesmal, wie feuchtes Feuerwerk. Das Feiern soll nun nachgeholt werden, ganz ausdrücklich.

Er steht in Paris im Schatten von Neymar, dem er möglichst alle guten Bälle zupassen soll

Als Didier Deschamps vor einigen Tagen das Aufgebot für die Uefa Nations League bekannt gab, für die Spiele gegen Deutschland und die Niederlande, da sagte der Coach der Franzosen, die Spieler hätten noch eine Hommage verdient, eine richtige Feier. Natürlich findet die nicht am Donnerstag beim Länderspiel in München statt, da läuft man sich erst warm. Sondern am Sonntag im Stade de France bei Paris. "DD" berief genau jene 23 Fußballer, die er schon zur WM mitgenommen hatte, sie hätten sich nämlich alle vorbildlich benommen, auch die Ersatzleute. Und müssten die Torhüter Hugo Lloris und Steve Mandanda nicht wegen Verletzungen passen (das Tor bewacht nun Alphonse Areola), wären auch alle wieder dabei.

Deschamps ist nicht bekannt für revolutionäres Gestalten, weder in fußballerischen noch in personalpolitischen Belangen: Er gilt als sorgsamer Bewahrer, der den Gegner lieber taktisch neutralisiert, als ihn mit eigenen spielerischen Ideen zu übermannen. Das ist nicht immer spektakulär anzusehen, aber legitim, und es brachte den Erfolg: 88 Prozent der Franzosen finden, DD müsse unbedingt weitermachen als Sélectionneur. Angesichts der offen bekundeten Ambitionen von Zinédine Zidane auf den Job ist das ein bemerkenswert festes Bekenntnis zum Basken. Macron jedenfalls ist nicht ganz so populär.

Deschamps zählt auch zu jenen drei Trainern, die unter sich die Auszeichnung der Fifa für den "Best Coach Award" ausmachen. Die anderen beiden sind Zidane (Champions-League-Sieger mit Real Madrid) und der Kroate Zlatko Dalic. Für einigen Unmut sorgt in Frankreich, dass kein Spieler des Weltmeisterteams es auf die Shortlist für den "Best Player Award" brachte. Den machen Cristiano Ronaldo, Mohamed Salah und Luka Modric unter sich aus. Vielleicht, findet man pikiert, hätte auch Antoine Griezmann eine Nominierung verdient gehabt: Weltmeister, Finalschütze und Gewinner der Europa League mit Atlético Madrid. Oder Raphaël Varane, Weltmeister und Sieger der Champions League mit Real. Die Sportzeitung L' Équipe hält die Auswahl für "erstaunlich", "ungerecht", "eine kleine Farce".

In der Liga sah Mbappé zuletzt sogar Rot

In Frankreich hofft man jetzt auf den Ballon d' Or, die Auszeichnung des weltbesten Fußballers, den das französische Magazin France Football seit vielen Jahren vergibt. Es gibt Umfragen dazu, wer die erhalten soll. Und auch da haben die Franzosen ihre ganz klare Präferenz - obschon man nun unbedingt hoffen sollte, dass der unverschämt talentierte junge Mann, den man da auf das Podest steigen sehen will, seiner frühen Glorifizierung entkommt. Kylian Mbappé ist erst 19, ein Kindkönig, der Louis XIV. des Fußballs.

Bisher galt er als vorbildlicher Jungstar aus der Pariser Banlieue, bescheiden und wohlerzogen, spielerisch reif und doch so modern, frisch und unbeschwert - der Mix für eine ganz große Karriere, für ein langes Regnum. Die jüngsten Signale seiner Entwicklung geben aber eher zu denken. Mbappé ist neuerdings oft nervös, impulsiv. Man sah das schon bei der WM, da flog er manchmal so formvollendet über gegnerische Beine wie Neymar, sein Vereinskollege bei PSG, im Ringen ums Mitleid von Zuschauern und Schiedsrichtern. Am vergangenen Wochenende, im Meisterschaftsspiel gegen Aufsteiger Nîmes, echauffierte er sich dermaßen über ein taktisches Foul eines Gegenspielers an der Mittellinie, dass er ihn anrempelte und zu Boden stieß. In der 94. Minute, die Pariser führten 4:2, völlig unnötig also. Mbappé sah dafür Rot.

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Kylian Mbappé bei seiner Rückkehr in Clairefontaine.

(Foto: Stephen Caillet/Imago)

Deschamps sagte, er werde mit Mbappé reden

Unmittelbar nach dem Spiel sagte er, er bereue nichts, er würde wieder so handeln. Als er dann von seinem Umfeld und wahrscheinlich auch vom Verein zur Räson gedrängt wurde, entschuldigte er sich für beides, Rempler und Sturheit. Viel bringt das aber nicht. Die Verbandskommission, die über seine Sperre entscheiden muss, wird sich dafür auf den Rapport des Referees beziehen, auf die Version mit dem uneinsichtigen Mbappé. Drei bis fünf Spieltage, mit weniger kommt er wohl nicht davon. Deschamps sagte, er werde mit Mbappé reden: "Er muss lernen, sich in solchen Momenten zu beherrschen." Die französischen Medien wundern sich über die Verwandlung. Manche vermuten, Mbappé lege sich bewusst das Image eines Bad Boy zu, um sich Respekt zu verschaffen.

Von allen Stammspielern der Bleus, die in Russland Weltmeister wurden, ist er der einzige, der noch in Frankreich spielt. Im europäischen Vergleich ist die Ligue 1 eine Provinzliga, trotz der Millionen aus Katar. Mbappé hätte im Sommer weggehen können, Angebote gab es genügend. Auch Real Madrid hat sich um seine Dienste bemüht. Doch Mbappé blieb in Paris - und steht dort nun im Schatten von Neymar, dem Posterboy des Vereins, dem er möglichst alle guten Bälle zupassen soll. Mbappé würde lieber im Zentrum der Offensive spielen statt rechts außen. Doch das will der Brasilianer nicht, weil der Jungstar dann vielleicht noch mehr Tore erzielen und noch mehr Licht auf sich ziehen würde.

"O Ney" und der Kindkönig - es ist eine schwierige Kohabitation. Wer wird größer? Kürzlich sagte Neymar, Mbappé sei noch jung, er, Neymar, werde ihm helfen zu wachsen. Wie einen Schuljungen behandelte er ihn. Nicht auszudenken, wenn der Schulbub vor dem Lehrer den Ballon d' Or gewinnen würde.

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