Australian Open:Zurück im Leben, zurück im Finale

Petra Kvitova

Petra Kvitova zieht ins Endspiel der Australian Open ein und trifft dort auf Naomi Osaka.

(Foto: AP)
  • Die Tschechin Petra Kvitova steht dank eines souveränen Sieges gegen Kerber-Bezwingerin Danielle Collins im Finale der Australian Open.
  • Vor zwei Jahren verletzte ein Einbrecher Kvitova mit einem Messer an der Schlaghand. Ärzte waren nicht sicher, ob sie wieder Tennis spielen können wird.
  • Kvitova kämpfte sich zurück - und bezwang auch ihre Angst vor leeren Räumen.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Die Kulisse hätte nicht prächtiger sein können an diesem so bedeutsamen Nachmittag für Petra Kvitova: Die Rod-Laver-Arena war ausverkauft, 14 000 Zuschauer beklatschten jeden ihrer Punkte, darunter die australische Oscar-Preisträgerin Nicole Kidman und Vogue-Chefin Anna Wintour. Kvitova schlug die US-Amerikanerin Danielle Collins 7:6, 6:0, erreichte erstmals in ihrer Karriere das Finale der Australian Open und sprach danach im ersten Glücksrausch auf dem Platz von einem Sieg, "der mir alles bedeutet". Das Halbfinale war ein Triumph für die zweimalige Wimbledonsiegerin, aber womöglich nicht größer als jener, den sie vor einiger Zeit fern der Öffentlichkeit in aller Stille erlebte hatte: nicht auf einem der Center Courts, sondern in einem tschechischen Tennisklub, in einer leeren Umkleidekabine.

Sie erinnere sich noch gut an den Tag in Prag, sagte Kvitova später, als sie über ihren langen Weg zurück in die Weltspitze berichtete. An jenen Klub. An jenen Raum. Sie sei damals herausgekommen aus der Kabine und habe ihrem versammelten Team erleichtert erklärt: "Das war das erste Mal, dass ich da drin allein war. Und ich habe mich okay gefühlt."

Im Dezember 2016 wurde die tschechische Spitzenspielerin Petra Kvitova Opfer einer Messerattacke, als ein Einbrecher sie in ihrer Wohnung in Prostejov an der Schlaghand verletzte. Sie erlitt schwerste Schnittverletzungen an Sehnen und Bändern, die operiert werden mussten, aber auch Verletzungen an ihrer Seele. Die Folgen waren "psychisch und mental", sagte sie am Donnerstag: Sie habe lange Zeit gebraucht, ehe sie wieder Vertrauen in die Menschen um sie herum habe fassen können; "und es fiel mir schwer, irgendwo allein zu sein". Auch deshalb hat sie in Australien den Trainern und Physiotherapeuten gedankt, die in den schweren Monaten bei ihr blieben und eine Stütze waren.

Fünf Finger zerschnitten und Sehnen durchtrennt

Denn lange war unklar, ob sie ihre Finger überhaupt wieder bewegen und einen Schläger fest umgreifen könne. Mehrmals am Tag trainierte sie mit Krankengymnasten, nicht nur, um den Beruf als Tennisspielerin fortzusetzen, sondern "um in der Lage zu sein, wieder ein normales Leben zu führen". Ihr Arzt, berichtete sie, habe den Heilungsverlauf im zweiten Monat sehr skeptisch beurteilt, weil das Narbengewebe die Finger fest und unbeweglich machte: "Gottseidank hat er mir das alles erst später gesagt."

Über die Schwere der Verletzungen referierte ihr Chirurg, Radek Kebrle, 2017 in einer tschechischen TV-Talkshow: Das Messer des Angreifers habe alle fünf Finger zerschnitten und Sehnen durchtrennt; diese multiplen Wunden hätten die Genesung gefährdet, weil sich dadurch das Risiko von Komplikationen enorm erhöhte. Es gab keine Garantie für die Rückkehr in den Sport, schon gar nicht bei Weltklasseturnieren. "Um ehrlich zu sein, ich glaube, viele hätten mir das nicht zugetraut, dass ich noch mal auf so einem Platz stehe und auf so einem Level spiele", sagte Kvitova in Erinnerung an das vergangene Jahr, als sie bei den Australian Open in der ersten Runde gescheitert war.

Sie hat sich langsam bis auf Platz sechs der Weltrangliste zurückgearbeitet und 2018 fünf Titel auf der WTA-Tour gewonnen. Als sie nach der Operation wieder in Wimbledon auf dem Rasen stand, wo sie 2011 und 2014 triumphiert hatte, lud sie ihren Arzt nach London ein. Jetzt hat sie es mit 28 Jahren erstmals wieder ins Finale eines Grand-Slam-Turniers geschafft.

Die Siegerin in Finale erwartet gleich der nächste Preis

Am Donnerstag stand sie bei 39 Grad Celsius am bislang heißesten Tag des Turniers im Halbfinale der ungesetzten Danielle Collins gegenüber. Beim Stand von 4:4 musste das Dach der Arena geschlossen werden, so schreiben es die Regeln der für solche Hitzeschlachten ausgearbeiteten "Extreme Heat Policy" vor. Für Kvitova ein Glücksfall, wie sie lächelnd sagte: "Ich spiele gern in der Halle." Bis zum Tiebreak konnte ihre amerikanische Gegnerin mithalten, die auf dem Weg ins Halbfinale unter anderem Angelique Kerber und Julia Görges besiegt hatte. Dann hatte Collins den langen, harten Grundschlägen Kvitovas nichts mehr entgegenzusetzen.

Im Finale am Samstag begegnet ihr nun die 21-jährige Japanerin Naomi Osaka, die die Tschechin Karolina Pliskova bezwang und ihre phänomenale Klasse ebenfalls noch einmal vor großer Kulisse beweisen möchte: Im September hatte sich die in Florida lebende Osaka zur US-Open-Siegerin gekürt.

Allerdings verdarb ihr damals die unterlegene Gegnerin Serena Williams die Feier, die im Zorn einen unschönen Streit mit dem Schiedsrichter anzettelte und das gesamte Stadion auf ihre Seite zwang. Das machte für Osaka die Siegerehrung nicht zum Triumph, sondern zur Qual.

So greifen nun beide, Petra Kvitova und Naomi Osaka, nach Rückschlägen und Zurücksetzungen zum Titel. Und danach gibt es den nächsten Preis: Die Siegerin ist in der neuen Tennis-Weltrangliste auch die neue Nummer eins.

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