Die Erinnerungen mögen vergilbt sein, aber wer die Verbindung zwischen Stefan Kuntz und der Türkei sucht, findet sie noch. Auf der Homepage des Besiktas Jimnastik Kulübü zum Beispiel - dort hat sein Ex-Verein ihm einen Alumni-Text gewidmet. Inhalt: seine Stationen in Neunkirchen, Bochum, Uerdingen und Kaiserslautern. Und natürlich fehlt nicht der Hinweis, dass dieser findige Stürmer einmal neun Tore in einer Saison für Besiktas erzielte.
1995/1996 war das, danach wechselte er als Europameister nach Bielefeld. Lange her alles, aber die Aktualität beschert Kuntz, 58, nun eine Rückkehr an den Bosporus. Dass der bisherige Trainer der deutschen U21 mit dem türkischen Verband TFF über eine Anstellung als Nationalcoach verhandelt, hatte er bereits Ende vergangene Woche bestätigt. Jetzt wird aus diesen Gesprächen Handfestes: Kuntz befand am Sonntag vor Ort in der Türkei und durfte dann prompt miterleben, wie sein neuer Arbeitgeber ihn via Twitter als neuen Nationalcoach präsentierte. "Willkommen, Stefan Kuntz", heißt es dort unter anderem. Angeblich soll sein Vertrag drei Jahre dauern, womit er die Türken auch bei der EM 2024 in Deutschland betreuen könnte.
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Ausgehandelt hatte Kuntz die Modalitäten seines neuen Engagements mit Hamit Altintop, langjähriger Bundesliga-Profi - unter anderem beim FC Bayern - und jetzt Nationalteam-Manager der Türken. Mit Altintop konnte sich Kuntz praktischerweise auf Deutsch verständigen, der 38-Jährige wurde in Gelsenkirchen geboren.
Bei den Türken steht Kuntz als Nachfolger des zuletzt gescheiterten Altmeisters Senol Günes vor kniffligen Aufgaben. Gerade erst erlebte die Nationalelf mehrere Demütigungen in Serie: Bei der EM schied man als eines der schlechtesten Teams in der Vorrunde aus, hinzu kam ein 1:6 in der WM-Quali in den Niederlanden. Vorletzte Woche trennte sich der TFF von Günes mit dem Hinweis, alles sei "einvernehmlich" verlaufen.
Auch wenn die spekulierfreudige türkische Presse zuvor noch Namen wie Jürgen Klinsmann oder den Ukrainer Andrej Schewtschenko als Kandidaten jongliert hatte, fällt die Wahl nun auf den deutschen Coach, der seinerseits eine andere Herausforderung suchte. Er sei von Beginn an die präferierte Lösung für den Job gewesen, erklärte Altintop: "Die Gespräche, auch mit dem DFB, waren alle einwandfrei und sehr, sehr fair."
Der DFB sucht nun einen Kuntz-Nachfolger für die U21
So ist auch der Deutsche Fußball-Bund in der Sache involviert: Er muss Kuntz schließlich aus dessen bis 2023 laufendem Vertrag freistellen. Man wollte ihm wegen seiner Integrität und Meriten bei einem Abschied aber nicht im Weg stehen. Wer künftig den deutschen Nachwuchs zu solchen Erfolgen wie Kuntz (zweimal U21-Europameister) führen soll, darüber grübelt man nun im DFB.
"Wir sind auf diese Situation vorbereitet, haben einen Plan B", sagte Meikel Schönweitz, Cheftrainer der deutschen U-Teams, den Zeitungen der Mediengruppe VRM am Wochenende. Dem Vernehmen nach ist eine interne Variante denkbar, dafür kämen U20-Coach Christian Wörns oder U19-Trainer Hannes Wolf in Frage. Und Kuntz, nach Sepp Piontek Anfang der 90er Jahre zweiter deutscher Trainer bei der türkischen Nationalelf, kann sich schon mal auf seinen ersten Auftritt einstellen: WM-Qualifikation, 8. Oktober gegen Norwegen in Istanbul.