Amateur-Fußball:Große Verunsicherung wegen Kunstrasen-Plastik

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Die Eckfahne eines Kunstrasenplatzes - gehören derartige Plätze bald der Vergangenheit an? (Foto: dpa)
  • Wegen der Verwendung von Plastik gibt es eine Debatte um Kunstrasenplätze in Deutschland.
  • Eine EU-Behörde prüft aus Umweltschutzgründen ein Verbot des Granulats. Viele Vereine sind verunsichert.

Von Hanno Charisius

Seit einigen Tagen ist die Verunsicherung in Sportvereinen groß. Eine EU-Behörde prüft, ob das Granulat, das zwischen die grünen Plastikhalme von Kunstrasen gestreut wird, ab 2022 verboten werden soll, um die Umwelt zu schützen. Laut Deutschem Fußball-Bund (DFB) wären 6000 Kunstrasenplätze in Deutschland davon betroffen. Bislang ist weder über ein Verbot entschieden worden, noch sind Übergangsfristen geklärt, trotzdem machte sich Bundesinnenminister Horst Seehofer am Wochenende bereits für eine Frist von sechs Jahren stark. Das Umweltministerium hält die Aufregung derzeit allerdings für verfrüht: "Ob die EU-Kommission ein Verbot von Plastik-Einstreumaterial für Kunstrasensportplätze vorschlagen wird, steht noch längst nicht fest", teilte ein Sprecher am Montag mit. Die Europäische Chemikalienagentur Echa sei "in einer frühen Phase der Meinungsbildung".

Wie groß das vom sogenannten "Infill" verursachte Problem tatsächlich ist, können Platzwarte recht gut abschätzen. Sie müssen Jahr für Jahr einige hundert Kilogramm Granulat pro Platz nachlegen, weil das Material vom Spielfeld gewaschen, geweht oder auch getragen wird, wenn es an Hosen, Trikots und an den Schuhen haften bleibt. Das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen hat im vergangenen Jahr nachgerechnet, aus welchen Quellen Mikroplastik in die Umwelt gelangt. Insgesamt bezifferten die Forscher die Menge der deutschen Mikroplastikemissionen auf 330 000 Tonnen pro Jahr. Nahezu ein Drittel davon stammt von Autoreifen und wird als Abrieb von den Straßen in Kanalisation und Flüsse gespült.

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Welche Folgen das Kleinstplastik für Mensch, Tier und Umwelt hat, ist kaum erforscht

Den zweitgrößten Emissions-Posten macht Plastik aus, das bei der Müllentsorgung entgegen der Absicht in die Umwelt gelangt. Auf Platz fünf schließlich liegen Sportplätze. Wie viel Granulat vom Kunstgrün wirklich in die Umwelt gelangt, ist auch davon abhängig, wie das Abwasser in der betreffenden Region behandelt wird. In manchen Kommunen wird nur häusliches Abwasser in Kläranlagen gereinigt. Im Mischwasserbetrieb, der in Süddeutschland nach Angaben der Fraunhofer-Forscher verbreiteter ist, mischen sich Abwässer aus den Haushalten und von der Straße in der Kanalisation und werden gemeinsam aufbereitet. In diesem Fall gelangt weit weniger Kunststoff in die Umwelt.

Mikroplastik ist eines der größten Umweltprobleme weltweit. Egal, wo Forscher nachschauen, sie finden die mikro- und millimetergroßen Partikel nahezu überall. In Arktis und Antarktis, in der Tiefsee, es fliegt vom Wind bewegt mehr als hundert Kilometer weit. Mit der Nahrung gelangt es in den Verdauungstrakt von Kleinstlebewesen und Tieren. Auch im menschlichen Darm stießen Forscher bereits auf beträchtliche Mengen von Kunststoffpartikeln.

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Größere Plastikteile sind eindeutig gefährlich für Tiere, davon zeugen zahlreiche Studien und noch mehr Fotos von toten Fischen, Vögeln und auch Walen, die mit Plastik im Bauch verendeten. Welche Folgen das Kleinstplastik für Menschen, Tiere und Umwelt hat, ist jedoch bislang kaum erforscht. Chemikalien könnten sich aus den Partikeln lösen und den Lebewesen schaden. Viele Fragen in dieser Hinsicht sind noch offen.

Etwas Klarheit gibt es seit Erscheinen der Fraunhoferstudie immerhin über die Quellen. Kosmetikprodukte galten bis dahin als besonders problematisch. Zwar tragen auch sie zur Mikroplastikflut in der Umwelt bei - aber eben weitaus weniger als Kunstrasenplätze oder gar die Kunststoffindustrie selbst. Die verarbeitet oft Roh-Pellets zu den fertigen Produkten. Von diesen Pellets gelangen durch Unachtsamkeit oder Unfälle mehr Partikel in die Umwelt als Einstreu von Fußballplätzen.

Bis zum 20. September sammelt die Echa noch Informationen zum Einstreumaterial auf Kunstrasenplätzen. Dann beraten die Experten. Ein Jahr danach könnte es eine Stellungnahme geben, die nach nochmaliger Kommentierungs- und Prüfungsphase an die EU-Kommission gereicht wird. Bis die Mitgliedstaaten über Vorschläge entscheiden, bleibt vermutlich noch viel Zeit, die Plätze auf andere Materialien umzurüsten.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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