Kroatien bei der WM in Katar:Gute Nachricht vom Herausragenden

Kroatien bei der WM in Katar: Weltklasse auf die unaufgeregte Art: Luka Modric kommt Marokkos Selim Amallah zuvor.

Weltklasse auf die unaufgeregte Art: Luka Modric kommt Marokkos Selim Amallah zuvor.

(Foto: Jewel Samad/AFP)

Nach dem Sieg im Spiel um Platz drei kündigt Luka Modric an, vorerst weiterzumachen. Statt eine Abschiedsvorstellung zu geben, geht von Kroatiens Auswahl eine andere Botschaft aus: Das war's noch nicht.

Von Sebastian Fischer, Doha

Josip Juranovic hatte die Neuigkeit noch gar nicht gehört, die sein Kapitän kurz vorher in einem Fernsehinterview verkündet hatte. "Oh, das ist ja perfekt", sagte der kroatische Verteidiger, "eine gute Überraschung". Luka Modric, 37, wird vorerst weiter für die Nationalmannschaft spielen, das war die Nachricht gewesen, und Juranovic, die WM-Bronzemedaille um den Hals, ging jetzt noch etwas fröhlicher aus dem Stadion.

Der 27-Jährige von Celtic Glasgow ist einer der Fußballer aus Kroatiens jüngerer Generation. Man könnte also auf die Idee kommen, dass er sich freut, wenn ältere Spieler Platz machen für ihre Nachfolger. Doch nicht im Fall von Modric. Juranovic sagte: "Wenn wir mit ihm spielen, ist alles einfacher."

Das ganze Turnier dieser kroatischen Mannschaft hatte gewirkt wie eine Abschiedsvorstellung der erfolgreichsten Fußballergeneration in der Geschichte des nur vier Millionen Einwohner zählenden Landes, die 2018 bei der WM in Russland Zweiter geworden war. Zwar waren 18 von 26 Spielern neu, doch wichtige Spieler waren noch dabei; nicht nur Modric, auch Ivan Perisic und Dejan Lovren, beide 33. Die Kroaten vertrauten einer Achse der Alten. Es sah sogar ein bisschen nach Abschied aus, wie sie am Samstag auf dem Rasen feierten, sich mit ihren Familien fotografieren ließen und den Moment auskosteten, als kleines Land schon wieder zu den Besten der Welt zu gehören. Doch die Botschaft, die vom Sieg im Spiel um Platz drei gegen Marokko ausgehen sollte, war eine andere: Das war's noch nicht.

"Es ist das Ende einer Reise", sagte Trainer Zlatko Dalic. "Ob das auch das Ende dieser Generation ist? Ich denke nicht. Kroatien muss keine Angst haben vor der Zukunft." Und Modric, der die Fortsetzung seiner Karriere im Nationalteam bis zuletzt offengelassen hatte, sagte: "Ich genieße es im Nationalteam, ich bin glücklich. Ich denke, dass ich immer noch auf hohem Niveau spielen kann. Ich will zunächst bis zur Nations League weiterspielen, danach haben wir genug Zeit, um über die Europameisterschaft nachzudenken."

Modric machte ein Team zu einem herausragenden, dem sonst wohl das Herausragende gefehlt hätte

Bei der EM in Deutschland 2024 wäre Modric 38, sein aktueller Vertrag bei Real Madrid läuft nur bis zum Sommer 2023. Doch wer einen der besten Fußballer der vergangenen Jahrzehnte in Katar spielen sah, der konnte tatsächlich wenige Indizien erkennen, die auf einen Alterungsprozess auf dem Feld hindeuten.

Gegen Marokko war er ständig anspielbar, ließ sich zwischen die Innenverteidiger fallen, in einer etwas defensiveren Rolle als sonst. Er dosierte seine Pässe richtig, man muss das eigentlich nicht mehr erwähnen. Für die Kollegen, die sie empfangen, gerade die regelmäßig eingestreuten mit dem rechten Außenrist, muss es sich anfühlen, als würden sie sich in ein gemachtes Bett legen.

Modric war an keinem Tor Kroatiens in Katar so beteiligt, dass es in den üblichen Statistiken auftaucht, keines schoss er selbst, keines legte er vor. Trotzdem machte er ein Team zu einem herausragenden, dem sonst womöglich das Herausragende gefehlt hätte.

Im zentralen Mittelfeld hat er Mitspieler aus der internationalen Spitzenklasse, Mateo Kovacic, 28, und Marcelo Brozovic, 30, vom FC Chelsea und Inter Mailand. Aber sonst? Topscorer war Perisic vom linken Flügel, mit einem Tor und drei Vorlagen. Hinter ihm folgt Mislav Orsic mit zwei Vorlagen und einem Tor, das er gegen Marokko zum 2:1 schoss: ein Schlenzer vom linken Strafraumeck in den rechten Winkel, einer der schönsten Treffer des WM-Turniers. Doch Orsic, 29, war kein Stammspieler. Einen Mittelstürmer, der Mario Mandzukic ersetzt, der 2018 die Tore schoss, haben sie auch noch nicht gefunden.

Kroatien bei der WM in Katar: Ein Kunstwerk unter den WM-Toren: Marokkos Torwart Yassine Bounou (blaues Shirt) kann den Schuss von Mislav Orsic (rechts) nicht abfangen.

Ein Kunstwerk unter den WM-Toren: Marokkos Torwart Yassine Bounou (blaues Shirt) kann den Schuss von Mislav Orsic (rechts) nicht abfangen.

(Foto: Hassan Ammar/AP)

Kroatiens Stärke in Katar war es, dem Gegner das Tempo des Spiels zu diktieren; ihr Fußball ist keiner der Sprints, eher einer des kräftezehrenden Dauerlaufs. Er fußt auf einer schwer zu überwindenden Defensive, die sie zweimal ins Elfmeterschießen hievte. In der Abwehr haben sie ihr größtes Talent: Josko Gvardiol, 20, angestellt bei RB Leipzig, gehört nun wohl zu den begehrtesten Verteidigern der Welt. Seine Souveränität wurde oft gelobt, er ist zweikampfstark, kann das Spiel mit langen Pässen eröffnen.

Am Samstag glänzte er auch einmal in der Offensive, vollendete eine einstudierte Freistoßvariante mit einem Flugkopfball zum frühen 1:0. Trainer Dalic sagte, er würde Gvardiol zum besten jungen Spieler des Turniers wählen. Und Dominik Livakovic, 27, der insgesamt vier Elfmeter hielt, zum besten Torwart.

Livakovic, Gvardiol, Kovacic und Brozovic, so könnte bei der EM der hintere Teil der Achse einer Mannschaft aussehen, die nun den Anspruch hat, zu den Etablierten in der Weltspitze zu gehören. Davor kann Lovro Majer, 24, von Stade Rennes im offensiven Mittelfeld spielen, in Katar wurde er meist eingewechselt. Luka Sucic, 20, von RB Salzburg saß nur auf der Bank.

Doch noch braucht es diese Überlegungen ja gar nicht. Noch macht Modric weiter. Als er über das Finalturnier der Nations League im kommenden Sommer sprach, klang er fast pikiert. "Es wäre sinnlos", sagte er, "wenn ich das nicht mitmachen würde."

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