Kritik im deutschen Biathlon-Team:Wenn sich die kleinen Fehler häufen

Nach dem verpatzten Einzelrennen wird Kritik an den schlechten Schießleistungen von Magdalena Neuner und den anderen deutschen Frauen laut. Auffällig ist: Die vermeidbaren Fehler von Trainern und Athleten häufen sich tatsächlich - ausgerechnet bei der Heim-WM.

Carsten Eberts, Ruhpolding

"Das ist meine Lieblingsfrage", blaffte Magdalena Neuner ihrem Fragesteller entgegen: "Woran lag's?" Für einen ganz kurzen Moment vergaß sie sogar, freundlich zu sein. Auf Platz 23 hatte Neuner das Einzelrennen bei der Biathlon-WM in Ruhpolding beendet, was für die Deutsche, gemessen an ihren eigenen Erwartungen, ziemlich mies war. Ihren Humor fand Neuner jedoch schnell wieder: "Die Welt geht davon nicht unter. Ich schaue auch nicht so aus, als würde ich gleich von der Brücke springen."

Magdalena Neuner

Magdalena Neuner war erst einmal enttäuscht - fand aber schnell ihren Optimismus wieder.

(Foto: AP)

Das Einzelrennen am Mittwoch war eine deprimierende Angelegenheit, nicht nur für Neuner. Andrea Henkel kam als beste Deutsche auf Platz 20 ins Ziel, Miriam Gössner auf Rang 36 und Tina Bachmann sogar jenseits von Platz 40. Die Fehlerzahlen beim Schießen: Henkel vier, Neuner sechs, Gössner fünf, Bachmann gar sieben. 22 Fehlschüsse - so viele waren es lange nicht mehr. "Ich hoffe, dass die Mädels das Rennen schnell abhaken", analysierte Bundestrainer Uwe Müßiggang knapp.

Ganz so einfach mit dem Abhaken sollte es jedoch nicht gehen, denn es gibt nach diesem Rennen einiges zum Aufarbeiten. Noch im Zielbereich entsponn sich eine forsche Debatte, wie es zu den außerordentlich vielen Schießfehlern der Deutschen beim ersten Liegendschießen kommen konnte. Und wer daran Schuld hatte. Die Athleten? Oder die Trainer?

Zur Situation: Beim Einschießen kurz vor dem Start kam der Wind stark von links, die Athletinnen stellten ihre Gewehre darauf ein. Dann drehte der Wind jedoch, er kam nun zeitweise von Rechts. Die Trainer - Uwe Müßiggang, Gerald Hönig und Ricco Groß - informierten die Starterinnen nach eigener Aussage rechtzeitig darüber. "Wir geben per Funk die Informationen nach draußen", erklärte Müßiggang, "dann ist es Sache der Athleten, auf diese Informationen zu reagieren."

Nur: Neuner und die anderen reagierten nicht. Sie schossen mit der bisherigen Einstellung weiter oder korrigierten diese nur leicht. Und zielten reihenweise daneben. "Die Mädels haben es unterschätzt", kritisierte Hönig, "sie haben zu wenig oder gar nicht reagiert." Neuner, die gleich ihre ersten beiden Schüsse daneben setzte, gestand: "Wenn man mit zwei Fehlern liegend anfängt, ist die Frustration groß. Ich habe dann auch nicht mehr richtig durchgezogen."

Die Bedingungen waren schwierig - doch es ging nicht allen Athleten so. Zwar schoss auch Verfolgungs-Weltmeisterin Darja Domratschewa beim ersten Schießen vier Fehler und nahm sich damit quasi selbst aus der Wertung. Andere jedoch, etwa Tora Berger, hatten auf die Windbedingungen gut reagiert. "Ich hatte Informationen bekommen und mich darauf eingestellt", sagte Berger. Am Ende gewann sie das Rennen, wurde Weltmeisterin. So einfach kann das gehen.

Kleine Fehler, allesamt entschuldbar

Haben taktische Fehler bessere Platzierungen von Neuner und Co. verhindert? Dies wäre bei dieser Weltmeisterschaft, wenn man es genau nimmt, nicht zum ersten Mal der Fall.

Zwei andere Fälle gab es bereits, zunächst in der Mixed-Staffel: Da hatte Startläuferin Andrea Henkel nach ihren beiden Runden auf die Sonneneinstrahlung am Schießstand hingewiesen. Schlussläufer Arnd Peiffer verzichtete trotzdem auf den Sichtschutz am Gewehr (es wäre nur ein kleines Pappschild gewesen) - und verschoss eine noch bessere Platzierung. Trainer Ricco Groß erklärte später süffisant, andere Läufer hätten sich besser auf die Bedingungen eingestellt. Am Ende wurde es immerhin Bronze.

In beiden Sprintrennen dann hatten sich die deutschen Skitechniker offensichtlich verwachst. Nur Magdalena Neuner, die Gold holte, kam mit den Schneebedingungen gut zurecht. Alle anderen quälten sich mehr durch die Loipe, als eigentlich nötig, kamen weit abgeschlagen ins Ziel.

Dies sind kleine Fehler, wie sie im Biathlon nun mal passieren, allesamt entschuldbar. Nur in ihrer Häufung geben sie ein unglückliches Bild ab. Vor allem bei einer Heim-WM.

Als Alleinschuldige am miesen Schießergebnis sahen sich die DSV-Frauen am Mittwoch jedoch nicht. Neuner erklärte forsch, sie wolle niemandem einen Vorwurf machen, jedoch: "Die Trainer haben vor dem Rennen Nervosität verbreitet. Die überträgt sich natürlich auch auf die Athleten." Häufiger als nötig hätten die Coaches auf die Windfähnchen hingewiesen, fand Neuner. Bleibt trotzdem die Frage: Weshalb hat sie darauf nicht reagiert?

Im Namen der deutschen Trainer erklärte Groß immerhin: "Vielleicht können wir uns auch mal hinterfragen, ob wir vielleicht ein bisschen viel Hektik reingebracht haben mit dem Anschießen." Groß sagte jedoch: "Das sind alles Sachen, die wir teamintern besprechen müssen." Auch Neuner vermutete im Weggehen, "dass wir noch eine Besprechung haben werden". Mit den Trainern, an diesem Donnerstag, über die Schießleistungen des Tages, über die taktischen Fragen, vielleicht auch über die Darstellung des Teams nach Außen. Wer wen zu kritisieren hat - und zu welchem Zeitpunkt.

Dann war Neuner jedoch wieder die Alte - und verbreitete schnell den gewohnten Optimismus. Sie freue sich auf die beiden Ruhetage, sagte Neuner, dann auf das nächste Rennen: die Frauen-Staffel am Samstag. Denn: "Da haben wir einiges gut zu machen."

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