Krise des TSV 1860Mitwisser im Sanierungsfall

Lesezeit: 3 Min.

Auch Geschäftsführer Romeiko war früh vor einer Finanzkrise bei 1860 gewarnt, handelte aber offenbar nicht.

Klaus Ott

Natürlich war auch Alfred Lehner am Montagabend im Stadion, als der TSV 1860 wieder einmal ein Heimspiel verlor. Doch der Aufsichtsratschef der Löwen hat trotz des 0:1 gegen den VfL Bochum keine "übergroße Angst", dass der Traditionsklub nun in der Regionalliga verschwinden könnte.

Links der Frust, rechts die Freude: Shao und Philipp Bönig.
Links der Frust, rechts die Freude: Shao und Philipp Bönig. (Foto: Foto: dpa)

"Die schaffen das schon", sagt Lehner über die nun schon seit elf Partien sieglosen Kicker. Der frühere Vorstandschef der Landesbank ist "guter Dinge", dass sich die Sechziger für den Verbleib in der zweiten Liga qualifizieren, sportlich wie auch wirtschaftlich. Man werde von der Deutschen Fußball Liga (DFL) bestimmt wieder die Lizenz bekommen, sagt Lehner.

Der Dachverband der Profiklubs will wissen, ob die Löwen genügend Einnahmen haben, um die nächste Runde finanziell zu überstehen.

Protokoll vom 14. Juli

Darum kümmert sich bei der Fußball GmbH des TSV vor allem Geschäftsführer Detlef Romeiko, der das Zahlenwerk für die kommende Saison ab Dienstag persönlich zur DFL nach Frankfurt am Main brachte.

Die Lizenz sei nicht in Gefahr, verkündete Romeiko schon im Februar, als die schwere Finanzkrise des TSV bekannt wurde. Inzwischen stellt sich allerdings die Frage, ob und inwieweit die Sechziger noch auf ihren langjährigen Geschäftsführer bauen und ihm vertrauen können.

An der Kassen-Krise ist möglicherweise auch Romeiko schuld; und nicht nur der bisherige Finanzchef Jochen Seibert. Der war vergangene Woche gefeuert worden, weil er nicht rechtzeitig und intensiv genug auf fehlende Erlöse in Höhe von mehreren Millionen Euro hingewiesen und anschließend versucht hatte, die Schuld auf andere abzuwälzen.

Nun stellt sich heraus: Auch Romeiko war einem internen Papier zufolge frühzeitig informiert, dass der Etat für diese Saison offenbar auf einer Fehlkalkulation beruht.

Leere Business Seats

Das geht aus einem Protokoll über eine Sitzung vom 14. Juli 2005 hervor, das der Aufsichtsrat vor zweieinhalb Wochen erhielt, als Oberbürgermeister Christian Ude und andere Kontrolleure Aufklärung über die schlechte Kassenlage verlangten.

Mitte Juli 2005 hatte sich die Geschäftsführung des TSV mit Fußball-Fachleuten der Sportagentur IMG getroffen, die 1860 bei Sponsoren vermarktet und die teuren Business Seats in der Allianz Arena verkauft; Letzteres mit bescheidenem Erfolg.

Die Löwen müssen der ( mit dem FC Bayern betriebenen Stadiongesellschaft) aber drei Millionen Euro pro Saison für die Business Seats zahlen, hier zeichnet sich ein horrender Verlust ab.

Laut Protokoll des Treffens vom 14. Juli 2005 hatte die IMG ausdrücklich gewarnt, die von den Löwen beim Sponsoring und den Business Seats für diese Saison kalkulierten Erlöse in Höhe von insgesamt 11,2 Millionen Euro seien "unrealistisch".

Zögern und beschwichtigen

Für die Löwen saßen, so die Niederschrift, Seibert und Romeiko damals am Tisch. Der Aufsichtsrat erfuhr aber erst kürzlich bei einer Sondersitzung, dass die IMG rechtzeitig Alarm geschlagen hatte. Das Kontrollgremium hatte, wohl aus Misstrauen gegenüber den eigenen Managern, den deutschen IMG-Chef Christian Pirzer um Auskunft gebeten.

Der Argwohn war berechtigt. Hinterher verlautete aus dem Aufsichtsrat, die Geschäftsführung der Sechziger habe auf Erlöse gehofft, mit denen nicht zu rechnen gewesen sei; das seien nichts anderes als "Luftbuchungen" gewesen. Finanzchef Seibert verlor seinen Job.

Und was geschieht nun mit Romeiko? Muss der Geschäftsführer nun auch unangenehme Fragen beantworten und um seinen Posten fürchten? "Dazu sage ich heute nichts", antwortete gestern Aufsichtsratschef Lehner.

Hilfe von außen wäre nötig

Auch sonst hielt sich der Finanzexperte zurück, der bei der Landesbank bestimmt oft genug erlebt hat, wie sehr Firmen in Not auf Hilfe von außen angewiesen sind.

Das täte auch 1860 gut, in Person eines Sanierers, der aufräumt; neues Vertrauen bei Sponsoren und anderen Geschäftspartnern schafft; für Ruhe sorgt; so dass sich der Verein auf das konzentrieren könnte, was nun wesentlich ist: den Kampf gegen den Abstieg.

Teile des Aufsichtsrates wollen einen Sanierer holen, doch Lehner zögert. Das sei "mal angeklungen", es sei aber "nichts konkret". Auch Vizepräsident Wolfgang Hauner, er vertritt den erkrankten Vereinschef Karl Auer, beschwichtigt.

Erstmal müsse ein Nachfolger für Finanzchef Seibert gefunden werden, da sei "nichts spruchreif". Über die Einsetzung eines Sanierers werde die Vereinsführung gemeinsam mit Lehner und Romeiko entscheiden.

Der Geschäftsführer dürfte kaum daran interessiert sein, einen Wirtschaftsexperten zu holen, der beim Aufräumen unter Umständen noch mehr Altlasten findet. Romeiko leugnet lieber die Krise.

Nächstes Jahr wird alles gut, sagt Romeiko

Die Lage sei ernst, aber nicht hoffnungslos, sagte er vor der Sondersitzung des Aufsichtsrats Ende Februar. Man habe nächste Saison garantiert eine Mannschaft, die aufsteigen könne, "keine Sorge". Nach der Sitzung fügte Romeiko hinzu, vor zwei Jahren, als die Löwen aus der Bundesliga abstiegen, sei alles noch viel schlimmer gewesen.

Damals bekam 1860 die Lizenz für die zweite Liga; aber nur, nachdem die DFL den Etat korrigiert und verfügt hatte, dass für 6,2 Millionen Euro Spieler verkauft werden müssten, damit die Löwen liquide blieben.

Die besten Kicker verließen den Verein, die Mannschaft verpasste die Rückkehr in die Bundesliga. Das könnte in der kommenden Saison wieder passieren; erneut ist mit drastischen Auflagen der DFL zu rechnen - falls 1860 nicht absteigt.

© SZ vom 15.3.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: