Krise der Ballsportarten:Wie das deutsche Olympiateam schrumpft

Fußballer, Basketballer, Handballer: In den Ballsportarten haben die meisten deutschen Teams die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 verpasst. Sieben von zwölf Teams sind bereits gescheitert - damit reisen so wenige deutsche Athleten zu Olympia, wie lange nicht mehr. Das hat Konsequenzen.

Claudio Catuogno

Am Donnerstagmorgen um 2:08 Uhr verschickte der Manager des deutschen Wasserball-Nationalteams eine Meldung, die nichts Gutes verhieß. "Enttäuschung in Eindhoven" stand in der Überschrift; gerade hatte das Team von Bundestrainer Hagen Stamm den Einzug ins Halbfinale der Wasserball-EM verpasst. 4:9 gegen Italien.

Poland v Germany - Men's European Handball Championship 2012

Frust und Tränen: Deutschlands Handballer verpassten durch die Pleite gegen Polen das EM-Halbfinale - und damit die Quali für London.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Wasserballer hatten in Holland zuvor mit beachtlichen Leistungen auf sich aufmerksam gemacht, doch nun ließ Hagen Stamm folgendes Statement übermitteln: "Es hört sich komisch an, aber so einfach wie heute war es noch nie, die Italiener zu schlagen! Unser Auftritt heute glich jedoch leider dem einer Frauenmannschaft, die sich im Männerturnier verirrt hat." So analysiert man wohl eine bittere Niederlage, nachts um 2:08 Uhr.

Den Antrag, sich mit seiner Auswahl geschlagener Mannsbilder noch rasch fürs kommende olympische Frauenturnier ins Spiel zu bringen, wird Stamm trotzdem eher nicht stellen. Die Sache ist nämlich schon durch: Deutschlands Wasserballerinnen haben die Qualifikation für die Sommerspiele in London (27. Juli bis 12. August) soeben unter anderem deshalb verpasst, weil es bei der EM in Eindhoven für sie nicht bei einer Enttäuschung blieb. Sie gewannen kein einziges Spiel.

Sie stehen damit exemplarisch für einen Trend, der dem deutschen Sport nicht gefallen kann: Außer den Hockey-Teams der Männer und Frauen hat sich bisher keine einzige Spielsportart für den Jahreshöhepunkt empfohlen.

Sieben von zwölf sind gescheitert

Sieben von zwölf möglichen Teams sind bereits gescheitert: Neben den Wasserballerinnen auch jeweils die Männer-und Frauen-Mannschaften im Handball, Fußball und Basketball. Die Fußballerinnen vergeigten die Qualifikation, weil sie bei ihrer Heim-WM im Sommer 2011 im Viertelfinale scheiterten, 2008 bei den Spielen in Peking hatten sie noch Bronze gewonnen.

Für die Basketballer um NBA-Champion Dirk Nowitzki war bei ihrer EM vergangenen Herbst ebenfalls schon zu früh Schluss, um für Olympia infrage zu kommen. Chancen haben jetzt nur noch Hagen Stamms Wasserballer: Beim Qualifikationsturnier in Edmonton/ Kanada (1. bis 8. April) werden die letzten drei Olympia-Plätze ausgespielt. Außerdem kann es bei den Volleyballerinnen und Volleyballern noch klappen, hier stehen im Mai und Juni diverse Last-Minute-Turniere auf dem Programm.

Sicher ist aber schon jetzt, dass so wenige Athleten mit Bundesadler zu Olympia reisen werden wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Negativrekord waren bisher 428 Sportler 2000 in Sydney, in London werden es kaum mehr als 400 sein. 2004 (Athen) waren sechs deutsche Mannschaften am Start, 1996 (Atlanta) und 2008 (Peking) je acht. Und weil sich die Zahl der zugelassenen Trainer, Betreuer und Ärzte an der Gesamt-Mannschaftsstärke bemisst, zeigt sich das Fehlen der großen Gruppen auch an unerwarteter Stelle.

So sagt etwa Thomas Weikert, der Präsident des Tischtennis-Bundes: "Wenn Basketballer und Handballer dabei wären, hätten wir im Tischtennis unseren eigenen Arzt in London - so wohl eher nicht."

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