Krise beim TSV 1860 München:Gewitter im Wirtshaus

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Beim Zweitligisten 1860 München spitzt sich der Streit zwischen Präsident Schneider und dem jordanischen Investor Ismaik zu - die DFL dürfte es gespannt beobachten. Eine baldige Versöhnung der beiden Parteien wäre im Sinne des Vereins, scheint aber in weiter Ferne zu liegen.

Philipp Schneider

Die Kulisse war symbolisch gewählt, man traf sich in einem bayerischen Wirtshaus in einem Münchner Vorort, und geredet wurde in einem Festsaal mit schwerer, tiefbrauner Deckenvertäfelung, von der massive Kronleuchter baumelten. Tradition und Heimeligkeit. Ausgewählte Mitglieder eines deutschen Fußball-Traditionsklubs, des TSV München von 1860 e. V, waren hier am Montagabend zusammengekommen zur jährlichen Delegiertenversammlung - und die Wahl dieses Ortes sollte deutlich machen, dass sich der Verein nach den finanziellen Schwierigkeiten der Vergangenheit in Bescheidenheit hüllen will.

Abgeschnitten vom Informationsfluss: 1860-Präsident Dieter Schneider (links) sieht seine Rechte durch Investor Ismaik eingeschränkt. (Foto: dapd)

Als dann Präsident Dieter Schneider gegen 18.45 Uhr an das Rednerpult trat, da sollte dieser eigentlich so geruhsame Abend zu einem Politikum geraten, das Deutschlands Fußballbranche bundesweit beschäftigen wird. Denn Schneider entsandte einen Hilferuf. Es war eine politische Inszenierung, er redete hinab zu den Delegierten, aber adressiert waren seine Worte auch an die Funktionäre der Deutschen Fußball-Liga (DFL).

Um eine Insolvenz abzuwenden, war der TSV 1860 im Mai eine im deutschen Profifußball bislang einmalige Verbindung eines Traditionsvereins mit einem ausländischen Investor eingegangen. Hasan Ismaik, Geschäftsmann aus Abu Dhabi, hatte 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile der KGaA erworben, die DFL hatte massive Bedenken angemeldet und bis zur endgültigen Genehmigung der Beteiligung mehrfach Nachbesserungen am Vertragswerk gefordert. Seit Montag ist klar, dass sich die Befürchtungen der DFL bewahrheitet haben, im Verein tobt längst ein Machtkampf zwischen Klubpräsidium und Investorenseite. Schneider fühlt sich dabei übergangen.

Fünf Monate nach der Vertragsunterzeichnung haben wir noch immer keine Übereinstimmung mit dem Investor erzielt, wie dieser Vertrag mit Leben zu füllen ist", sagte Schneider: "Bereits kurz nach der Unterzeichnung haben sich unterschiedliche Auffassungen über die weitere Zusammenarbeit immer weiter herauskristallisiert." Er, als Präsident des e.V. und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der KGaA, sei seitens der Geschäftsführung des Klubs "vom Informationsfluss abgeschnitten" - ein Vorwurf, der konkret an Geschäftsführer Robert Schäfer adressiert war.

"Von einem Eingreifen ins Tagesgeschäft, aber auch von einer irgendwie gearteten Kontrollmöglichkeit kann seitdem nicht mehr die Rede sein", präzisierte Schneider. Was er hier in aller Öffentlichkeit aussprach, bedeutet nicht weniger als einen direkten Verstoß gegen die gültige 50 plus 1-Regelung der DFL-Statuten, die vorschreibt, dass Kapitalgeber allenfalls Minderheitseigner sein dürfen, indem sie maximal 49 Prozent erwerben. Die Klubs, so die Idee der Schutzklausel, sollen Herr im eigenen Haus bleiben, um Tendenzen wie in England, Italien oder Spanien zu verhindern, wo selbst Topvereine von Investoren aus aller Welt kontrolliert werden.

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Bei 1860 ist die Situation noch etwas komplizierter: Aufgrund einer Finanzierungslücke von insgesamt 18 Millionen Euro, die Ismaik im Mai schloss, war der Verein dazu gezwungen, sogar 60 Prozent seiner Anteile zu veräußern. Was in Deutschland eigentlich verboten ist, wurde erst durch einen Rechtskniff möglich: Ismaik besitzt zwar nun de facto 60 Prozent der KGaA, nur 49 Prozent seiner Anteile sind jedoch stimmberechtigt.

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Genau darin besteht nun der Kern der Auseinandersetzung: Der Jordanier Ismaik und sein in München ansässiger Statthalter Hamada Iraki, ein Investmentbanker, sehen ihre Ausgaben als Investition. Da sie sich als Mehrheitseigner fühlen, wollen sie offenbar bestimmen und ihr eingesetztes Kapital nicht verlieren. Die andere Fraktion, allen voran Präsident Schneider, kämpft darum, die Rechte als stimmberechtigter Mehrheitseigner wahrnehmen zu dürfen. Das höchste Gebot lautet: keine weitere Verschuldung der KGaA wie in der Vergangenheit.

Aktuelle Brisanz erhalten die unterschiedlichen Ansätze bei der Frage, wie künftige Investitionen zu finanzieren sind. Im Winter sollen Spieler verpflichtet werden, das mittelfristige sportliche Ziel der Investoren ist der Aufstieg in die erste Bundesliga in der Saison 2013/14. Ismaik und Iraki wollen für die Ausgaben für neue Spieler aufkommen, jedoch nur mittels Krediten, die sie der KGaA gewähren. Der Investor wäre demnach eher eine Art Bankinstitut, kein gleichgestellter Partner, der das finanzielle Risiko mitträgt.

Dieser Weg sei mit ihm nicht drin, betonte Schneider: "Da wären wir in kürzester Zeit stärker verschuldet als je zuvor", das Insolvenzrecht würde den Verein wieder "einholen". Investitionen in neue Spieler, die auch "den Wert des Aktienanteils erhöhen", müssten stattdessen "an Erfolg oder Misserfolg dieser Investition gekoppelt werden". Der Investor profitiere als Anteilsinhaber vom möglichen Plusgeschäft, müsse aber ebenfalls das "unternehmerische Risiko" im Falle eines Misserfolges tragen.

Die politischen Gräben zwischen Ismaik und Schneider sind bereits so tief, dass der Iraki in der vergangenen Woche unverblümt ("der Verein braucht frisches Blut") den Rücktritt des Präsidenten forderte. Seither steht zu befürchten, dass Ismaik seine Solvenz als Mittel zur Einflussnahme auf die personelle Struktur des e.V. missbrauchen könnte. Der von Schneider kritisierte Geschäftsführer Schäfer erklärte am Dienstag, er "sehe derzeit keine Möglichkeit zur Einigung", der Konflikt sei so groß, dass es "im Winter keine Investitionen geben wird."

Schneider trug die Rede im Wirtshaus sachlich-unaufgeregt vor. "Die Gegenseite" habe zuletzt "die Presse instrumentalisiert - und ich jetzt halt diese Veranstaltung", erklärte er. Sein Ziel sei gewesen, ein "reinigendes Gewitter" im Klub auszulösen, jetzt müssten sich die Partner aussprechen. Wenn es dafür nicht schon zu spät ist.

© SZ vom 16.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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