Krise beim FC Bayern:Ein Team! Ein Team! Ein Team!

"Wir haben eine prekäre Situation": Der Auftritt von Trainer Jupp Heynckes bei der Pressekonferenz zeigt deutlich, wie fragil der Zustand des FC Bayern derzeit ist. Jeder Einzelne tut, was er für richtig hält, unabhängig vom Nebenmann. Heynckes appelliert mit kritischen Worten an die Egoisten im Team.

Michael Neudecker

Normalerweise ist das so: Jupp Heynckes kommt zur Tür herein, setzt sich, grüßt, der Pressesprecher eröffnet, es werden Fragen gestellt. Freitagspressekonferenzen mit Fußballtrainern sind wenig aufregend, es sei denn, es handelt sich um eine Freitagspressekonferenz mit dem Trainer des FC Bayern in einer sogenannten Krisensituation. Wobei Heynckes das so nie sagen würde, er ist ein Mann der sauberen Worte, er sagt: "Wir haben eine prekäre Situation."

Training FC Bayern München

Zusammenhalt? Fehlanzeige. Die Spieler des FC Bayern im Training.

(Foto: dpa)

Die diesmalige Freitagspressekonferenz an der Säbener Straße - zeitlich einzuordnen nach dem 0:0 gegen Freiburg und dem 0:1 gegen Basel und vor dem Spiel am Sonntag gegen den Verfolger in der Liga, Schalke 04 - war dann auch anders als normalerweise. Jupp Heynckes nahm Platz - und begann sofort einen Vortrag von beachtlicher Ausführlichkeit.

Man habe eine Situation im Klub, eröffnete er seinen Monolog, "in der Redebedarf ist", weswegen er "ein paar Gedanken zu dieser Situation" äußern wolle. Wenn ein Trainer so beginnt, dann weiß man: Irgendwas stimmt nicht.

Aus seiner Sicht, sagte Heynckes, "spielen wir nicht mehr so homogen, so selbstverständlich und zielgerichtet wie vor der Winterpause, deshalb ist die Kritik Ihrerseits berechtigt", er blickte in den Raum voller Reporter und Kameras. "Wir müssen uns etwas einfallen lassen", fuhr er fort, "in erster Linie die Verantwortlichen, also vor allem ich", er sprach weiter, "wir müssen als Team anders Fußball spielen, wir müssen auch Fußball arbeiten", er fuhr politikerhaft mit der Hand durch die Luft, "man braucht eine Mischung aus Kreativität und malochen, und diese Mischung ist bei uns derzeit nicht gegeben".

Heynckes sprach und dozierte, und man muss nun festhalten: Wenn die Defensive so geordnet spielen würde wie Heynckes spricht, dann hätte der FC Bayern keine Sorgen.

Man darf annehmen, dass Jupp Heynckes so auch mit seinen Spielern kommuniziert, am Donnerstag zum Beispiel, da richtete er eine längere Ansprache an die versammelte Mannschaft. Er habe dabei die Probleme "massiv" angesprochen, sagte Heynckes. Am Freitag gab er dann trainingsfrei, zur Regeneration, und "damit man sich auch mal einen Tag nicht sieht". Die Kinder auf ihr Zimmer schicken und über das, was sie getan haben, nachdenken lassen: Fußballtrainer müssen manchmal auch Pädagogen sein.

"Mia san mia" falsch übersetzt

Was genau die Probleme sind, das war gerade in Basel nicht mehr zu übersehen; was in einer Fußballmannschaft nicht funktioniert, wird ja immer erst dann offenbar, wenn es schlecht läuft. Dass die Münchner etwa die Basler unterschätzten, wie Heynckes "nun einmal auch öffentlich sagen" wollte, das zeigt zum einen, dass mancher beim FC Bayern die Redewendung mia san mia offenbar falsch übersetzt. Und, das zum anderen: Mannschaften wie die der Musterschüler aus Dortmund sind auch deshalb so erfolgreich, weil sie auf hässliche Begriffe wie Sozialstruktur und Hierarchie großen Wert legen.

In Dortmund gibt es zwar eine Hierarchie, aber eine divenfreie: Dortmund hat keine Robbens und keine Ribérys, nur Kagawas und Götzes, die zwar auch geschickte Einzelspieler sind, ihre Kreativität aber vor allem in der Gruppendynamik entfalten. Gruppendynamik kann erfolgreich machen, beim FC Bayern ist es andersherum: Nur der Erfolg erzeugt das Miteinander.

Heynckes weiß das wohl, er sagt jedenfalls: "Jeder muss seine persönlichen Interessen zurückstellen." Nachfrage: Ob das heiße, Einzelne stellten ihre persönlichen Interessen derzeit in den Vordergrund? "Nein", sagt Heynckes, er ruft es geradezu, "das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass die persönlichen Interessen hinten anstehen müssen." Teamwork, fügt Heynckes an, müsse jetzt über allem stehen, "wir müssen als Team auftreten, anders geht es heutzutage nicht".

Wie etwa Arjen Robben den Begriff Team interpretiert, das allerdings ist hinlänglich bekannt, zuletzt führte auch die Defensivabteilung ihre eigene Auslegung vor, als beim Gegentor in Basel jeder Einzelne tat, was er für richtig hielt, unabhängig vom Nebenmann: Badstuber verließ abrupt seine Position, Lahm hielt seine stur; Müller attackierte halbherzig, Alaba lief hinterher; Rafinha spielte auf Abseits, Timoschtschuk blieb stehen.

Gewiss, noch ist die Ausgangslage für die Bayern keine schlimme, ein 0:1 kann man in der Champions League aufholen, in der Bundesliga sind noch viele Punkte zu vergeben, und das Pokalhalbfinale gegen Gladbach ist noch nicht verloren. Doch je länger Heynckes sprach, je mehr er seine Forderung nach Zusammenhalt herausstellte, desto stärker wurde dieses Gefühl: Die Mannschaft des FC Bayern ist ein ziemlich fragiles Gebilde.

"Wir müssen zur Teamarbeit finden und zum Teamgeist, damit wir wieder als Team herausragen", sagte Heynckes. Als er ging, blieb die Frage, wie oft er in diesen zwanzig Minuten das Wort Team verwendete, Schätzungen ergaben eine hohe zweistellige Zahl.

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