Werder Bremen im Abstiegskampf:Idylle ist Geschichte

FC Bayern Muenchen v SV Werder Bremen - Bundesliga

Es läuft nicht: Werder-Trainer Robin Dutt (links) und Manager Thomas Eichin

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Gegen den 1. FC Köln geht es nicht nur um den ersten Saisonsieg für Werder Bremen, sondern um den Arbeitsplatz von Trainer Robin Dutt. Auch die Personalpolitik von Manager Thomas Eichin wird hinterfragt.

Von Jörg Marwedel, Bremen

Marco Bode, 45, hätte schon manchen gut bezahlten Job im Profifußball haben können. Der VfL Wolfsburg wollte ihn mal als Manager. Und als im November 2012 der Werder-Manager Klaus Allofs nach 13 Jahren in Bremen in Richtung Wolfsburg entschwand, hätte der Bremer Rekordschütze (101 Bundesliga-Tore) nur "ja" sagen müssen, um bei Werder dessen Nachfolge anzutreten.

Aber Bode wollte nicht. Er gehört zu jenen Menschen, denen es sehr wichtig ist, neben der Arbeit genügend Zeit fürs Privatleben zu haben, was neudeutsch wohl als "Work-Life-Balance" bezeichnet wird. Der frühere Student der Mathematik und Philosophie zog es vor, Geschäftsführer einer Sportmarketing-Firma zu sein. Er gehört der Stiftung Jugendfußball an, ist Lesepate und Werder-Botschafter in Schulen. Es war für ihn, der stets auf seine Unabhängigkeit pochte, schon ein großer Schritt, sich 2012 in Werders Aufsichtsrat wählen zu lassen.

Nun wird eben jener Marco Bode zum Aushängeschild des Klubs aufgebaut. Er wird kommende Woche Vorsitzender des Aufsichtsrates und löst den vertriebenen Sparkommissar Willi Lemke ab. Der intelligente, aber oft zögerliche Bode soll der neue Hoffnungsträger in der schwierigsten Zeit seit 35 Jahren sein, denn in Mannschaft und Klubführung gibt es eine solche Figur nicht mehr.

Es geht um Dutts Arbeitsplatz

Vor 35 Jahren stieg Werder zum bisher einzigen Mal aus der Bundesliga ab. Das Heimspiel am Freitag gegen den 1. FC Köln hat der Sportgeschäftsführer Thomas Eichin schon mal als "Endspiel" für den derzeitigen Tabellenletzten bezeichnet, am neunten Spieltag. Was übersetzt heißt: Es geht auch um den Arbeitsplatz des Trainers Robin Dutt.

Aber in Wahrheit geht es um viel mehr. Es geht vor allem um neue Antworten für den Tabellenzweiten der ewigen Bundesligatabelle, der im Zuge von immer mehr Investoren bei der Konkurrenz wirtschaftlich abgehängt zu werden droht. Und natürlich geht es auch um Eichin selbst, der sich als cooler Mann mit schnittigem Dreitagebart gibt und von Dutt als starker Manager verehrt wird. Doch wie Dutt hat auch Eichin es bisher nicht geschafft, den schlingernden SV Werder mit einem Spar-Etat (das Team kostet noch 30 Millionen Euro jährlich, zu Zeiten der Champions League waren es 50 Millionen) wieder auf Kurs zu bringen. Und das hat mit einer Personalpolitik zu tun, die auch mit weniger Geld erfolgreicher sein könnte - wie etwa Augsburg, Mainz oder Paderborn zeigen.

Schlampige Recherche

Dass Eichin vom Aufsichtsrat inzwischen auch kritisch gesehen wird, hat vor allem damit zu tun. Keiner seiner Transfers hat das Team vorangebracht. Der auffälligste von mehreren Fehlgriffen war Ludovic Obraniak. Den polnischen Franzosen hatte Eichin im Winter als Spielmacher von Girondins Bordeaux für 1,5 Millionen Euro gekauft, um der Elf mehr Struktur zu geben. Eichin war sehr stolz auf diesen Transfer. Doch bald stellte sich heraus, dass da irgendwer schlampig recherchiert hatte. Obraniak war zu langsam für die Bundesliga, weshalb er bei anderen Klubs durchfiel, und er betrachtete Werder offenbar nur als eine Art Not-Arbeitgeber.

In dieser Saison hat Obraniak bislang keine Minute gespielt. Izet Hajrovic (kam im Sommer, immerhin ablösefrei, von Galatasaray Istanbul) könnte nun ein ähnlicher Fall werden, er soll aber womöglich gegen Köln eine neue Chance bekommen. Auch Eichins durchwachsene Transferbilanz hat dazu geführt, dass Lemkes Kontrollgremium im August den drei Millionen Euro teuren Kauf des Costa Ricaners Bryan Ruiz aus Fulham blockierte.

Lemke hat keine Mehrheit mehr

Inzwischen aber hat Lemke keine Mehrheit mehr. Die Bremer Idylle, die es in Wirklichkeit nur manchmal gab, gehört der Geschichte an. Kurios nur, dass gerade der vorsichtige Bode zum Wegbereiter der neuen Politik werden soll. Trotz der 30 Millionen Euro Minus in den vergangenen drei Jahren ist auch er dafür, mehr zu riskieren, um den Abstieg zu verhindern; er möchte den Klub für Geldgeber öffnen. Deshalb hat er vom Direktor Günter Netzer, dessen Marketing-Unternehmen Infront mit Werder Geschäfte macht, im Weser-Kurier viel Lob bekommen. Auch denkt er über einen neuen Namen fürs Weserstadions nach, was bei vielen Fans ein rotes Tuch ist.

Der frühere Klubchef Jürgen Born forderte schon vor Wochen ein Umdenken. Und vor allem forderte er Lemkes Ablösung. Die Antipathie hat auch einen persönlichen Grund. 2009 betrieb Lemke Borns vorzeitigen Abschied, wegen angeblich unlauterer Finanzgeschäfte bei Transfers. Born, im Gegensatz zu Lemke von den Fans immer noch mit alten Erfolgen wie dem Double 2004 in Verbindung gebracht, hat angeblich zwei bis drei Privatleute an der Hand, die dem Klub Geld für Wintertransfers geben würden.

Schon Rudi Völler und Miroslav Klose habe man einst mit Geld von betuchten Werder-Freunden bezahlt, erzählt Born gern; nachdem der Klub in Europa viel Geld verdiente, hätten die Gönner ihr Geld zurückbekommen. Die Frage lautet im Moment also: Traut man dem coolen Eichin zu, Spieler zu holen, die Werder retten?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: