Krim-Klubs in Russland:Endspiel zwischen Sport und Politik

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Nach der Annexion der Krim-Klubs durch den russischen Fußballverband suchen Fifa und Uefa nach Lösungen. Doch die großen Verbände scheuen Sanktionen. Fußballkreise warten auf ein Treffen zwischen Sepp Blatter und Wladimir Putin.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, München

Russlands Fußball hat den Spielbetrieb wieder aufgenommen, doch diesmal stehen nicht die bekannten Namen wie Zenit Sankt Petersburg im Fokus, sondern drei Teams von der Krim, die nächste Woche in die dritte Liga einsteigen sollen und die zuletzt bereits im russischen Pokalwettbewerb antraten. Dafür haben sie sich einfach vom russischen Verband (RFS) annektieren lassen, obwohl die Krim noch zur ukrainischen Föderation zählt.

Eigentlich höchste Zeit für Fifa und Uefa, tätig zu werden. Denn aus Funktionärssicht gibt es nichts Verwerflicheres, als wenn Politik den Sport domestiziert, weshalb sie darauf gewöhnlich mit drastischen Sperren reagieren. Jedenfalls in Dritte-Welt-Ländern oder Unruhezonen. Jetzt aber geht es um Wladimir Putins mächtiges Russland, deshalb zögern Welt- und Europaverband noch, ihre Statuten anzuwenden.

Fußball
:Ukraine will Russland wegen Krim-Klubs bestrafen

Der Fußballverband der Ukraine weigert sich, die russische Eingliederung der Vereine Tawrija Simferopol, FC Sewastopol und Schemtschuschina Jalta zu akzeptieren. Die Tennisspielerinnen Angelique Kerber und Sabine Lisicki erreichen in Cincinnati das Achtelfinale.

Paragraf 84 der Fifa-Charta besagt, dass es für einen Verbandswechsel oder Spiele eines Klubs auf dem Territorium eines anderen Verbandes die Zustimmung beider Seiten brauche, zudem das Okay von Uefa und Fifa. Erfüllt war keine der drei Bedingungen, als Simferopol, Sewastopol und Jalta am Dienstag im russischen Pokal antraten.

Im Gegenteil. Ukraines Verband geht offiziell gegen die Annexion vor, er drängt auf Sanktionen und die Korrektur der regelwidrigen Übernahme. Wegen der politischen Gemengelage um die Krim und die Ukraine-Krise müssen die Dachverbände nun vor den Augen einer kritischen Sportwelt reagieren - und das schnell.

Dabei zeigt ihr bisheriges Zögern, wie sehr sie Sanktionen oder auch nur Drohgebärden gegenüber Putin scheuen. Fieberhaft wird eine Lösung gesucht; dass in Funktionärskreisen gar schon thematisiert wurde, die Krim-Klubs hätten bisher ja "nur im Pokal" gespielt, deutet auf Bemühen hin, strikt Schadensbegrenzung zu betreiben.

Doch die Zeit drängt, die Liga soll in wenigen Tagen starten; das treibt die Verbände aus der Deckung. Die Europa-Union hat nach SZ-Informationen jetzt einen Brief an die russische RFU geschickt, in der sie um "Klärung und Rechtfertigung" der Maßnahme ersucht - und auf die Regelwerke beider Dachgremien pocht, die derlei verbieten. So ein Schritt müsste in Sanktionen münden, sollte die RFU nicht eine schlüssige Erklärung herbeizaubern können.

Die Fifa erklärt, erst einmal sei die Uefa am Zug. Doch zugleich wird in hohen Fußballkreisen auf ein Treffen von Fifa-Chef Sepp Blatter mit Wladimir Putin hingefiebert. Es war für das Wochenende geplant, die Hoffnung ist, dass daraus zeitnah eine Resolution erwächst. Ein Verständigungsversuch auf dieser Ebene stellt klar, dass die offenkundig von oben verordnete Rambo-Strategie der Fußballfürsten auf die höchste Eskalationsstufe führt: Zur Frage, ob die Fifa ihre WM 2018 in einem Land ausrichten kann, das vor den Augen der Welt zentrale Fifa-Regeln bricht.

Diese Frage wird bereits in westlichen Politikerkreisen debattiert. Aber auch dem russischen Verband war diese Tragweite bewusst. Nach einer Vorstandssitzung am 31. Juli veröffentlichte die russische Zeitung Nowaja Gazeta ein Stenogramm, das angeblich einen Tonbandmitschnitt der Versammlung wiedergibt: Dabei zeigt sich, wie die Funktionäre Sorge vor etwaigen Fifa-Sanktionen für ihren geplanten Regelbruch artikulierten - sich andererseits und vor allem aber massiv unter Druck von Putin sahen.

Auch die Furcht vor einem Entzug der WM 2018 wurde geäußert. Ohne Europapokal könnten die Klubs zur Not überleben, doch gehe es um die WM, sei das eine "politische Frage", wird Alexander Djukow, Klubchef von Zenit, zitiert.

Die Mitschnitte sind nicht offiziell bestätigt, aber auch nicht bestritten worden - trotz aller dramatischen Aussagen. Sie zeigen, wie enorm Putins Macht ist bei den Funktionären, unter denen sich auch milliardenschwere Oligarchen befinden.

Zugleich wird aber auch die Version kolportiert, dass Putin zur Not auch auf die WM 2018 verzichten würde; die Kompletteingliederung der Krim und eine harte Position gegenüber dem Westen seien wichtiger. Ein Treff zwischen Blatter und Putin erscheint unvermeidlich, eine Art Endspiel zwischen Sport und Politik.

© SZ vom 16.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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