Krawalle beim EM-Spiel Russland-Polen:Polizei nimmt mehr als 180 Randalierer fest

Fliegende Steine, Flaschen und Fäuste: Beim Duell zwischen Russland und Polen haben sich Fans beider Mannschaften heftige Kämpfe geliefert. Schon vor dem Spiel brach eine Massenschlägerei aus, auch danach zogen Krawallmacher durch Warschau. Die Polizei nahm mehr als 180 Randalierer fest, mindestens fünfzehn Männer wurden verletzt.

Ausschreitungen haben das EM-Spiel zwischen Polen und Russland am Dienstagabend in Warschau überschattet. 15 Verletzte mussten in Krankenhäusern behandelt werden, wie die polnische Nachrichtenagentur PAP in der Nacht unter Berufung auf die Bezirksregierung berichtete. Unter den Verletzten soll auch ein Deutscher sein.

Auch nach dem 1:1-Unentschieden gingen die Auseinandersetzungen weiter. Noch nach Mitternacht versammelten sich an mehreren Stellen der Innenstadt Hooligans, die die Auseinandersetzung mit Fans des jeweils anderen Landes suchten. Insgesamt nahm die Polizei nach eigenen Angaben 150 Randalierer aus Polen und mehr als 20 Russen fest.

Mehr als 6000 Beamte waren im Einsatz. Regierungssprecher Pawel Gras erklärte am Mittwoch im polnischen Rundfunksender RFM, weitere Festnahmen seien wahrscheinlich. "Die Gewalttäter sollen nicht glauben, dass sie ruhig schlafen können."

Schon während des Spiels im Warschauer Nationalstadion hatten in der Innenstadt Hooligans versucht, durch einen Technik-Eingang in die Fanzone einzudringen. Dort hatten sich nach Angaben der Organisatoren rund 100.000 Fans vor allem in den polnischen Farben versammelt. Die Hooligans bewarfen Polizisten mit Steinen und Flaschen. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein.

Provozierender Aufmarsch

Zuvor waren mehr als 1000 russische Fans in einem Block zum Spiel ins Warschauer Stadion marschiert. Sie wollten mit dem gemeinsamen Marsch ihren Unabhängigkeitstag feiern. Die Organisatoren hatten sich vorher verpflichtet, keine sowjetischen Symbole zu tragen, die die aufgeheizte Stimmung noch weiter anfachen könnten. Die Polizei verstärkte den Schutz der russischen Botschaft.

Trotz des massiven Polizeiaufgebotes versuchten polnische Hooligans wiederholt, die Russen zu provozieren und anzugreifen. Steine flogen, Feuerwerkskörper wurden gezündet. Auch aus dem russischen Block suchten Hooligans die Auseinandersetzung mit den Polen.

"Bisher größte Herausforderung für Sicherheitskräfte"

Eine Gruppe älterer Polen demonstrierte gegen Russland. "Russland hat den polnischen Präsidenten ermordet" hieß es auf einem Plakat in Anspielung auf den Flugzeugabsturz des damaligen Präsidenten Lech Kaczynski beim Anflug auf das russische Smolensk. "Stoppt Putin und den KGB", hieß es auf einem anderen Plakat, das ein Mann dem russischen Fanblock entgegenstreckte.

Als russische Fans während der Nationalhymnen vor dem Anpfiff eine riesige Flagge mit einer martialischen Figur samt Schwert und der Aufschrift "This is Russia" enthüllten, gellten Pfiffe durch das Stadion. Der polnische Innenminister Jacek Cichocki hatte den Polizeieinsatz vor dem politisch wie sportlich brisanten Spiel als bisher größte Herausforderung für die Sicherheitskräfte bei der EM bezeichnet.

Die polnischen Behörden befanden sich bereits den gesamten Tag in erhöhter Alarmbereitschaft. Ab dem Vormittag glich die Warschauer Innenstadt einer Hochsicherheitszone. Überall standen Hundertschaften der Polizei, Sondereinsatzkräfte in Kampfmontur beteiligten sich an der Bewachung des Fanmarsches.

Historischer Hass

Die Beziehungen zwischen Russland und Polen sind durch zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen belastet. Im Polnisch-Sowjetischen Krieg (1919 bis 1921) starben Zehntausende Menschen. Im Zweiten Weltkrieg waren in Katyn (heute Russland) bei einem Massaker der sowjetischen Geheimpolizei Tausende Polen ermordet worden. Vor zwei Jahren war der damalige polnische Präsident Lech Kaczynski auf dem Weg zu einer Trauerfeier anlässlich des 70. Jahrestages des Massakers bei einem Flugzeugabsturz bei Smolensk in Russland mit weiteren Regierungsmitgliedern tödlich verunglückt. Die genauen Umstände sind bis heute unklar.

"Jede Kleinigkeit wird die historischen Missstände, die nie ganz aufgeklärt wurden, wieder ans Tageslicht bringen", sagte Andrzej Rychard, ein Soziologe an der polnischen Akademie der Wissenschaften, in Hinblick auf das Spiel. In der Nacht vor der Begegnung hatten polnische Fans das russische Teamhotel in Warschau unter Dauerbeschallung gestellt. Bis in die frühen Morgenstunden grölten sich bier- und wodkaselige Anhänger des Ko-Gastgebers die Seele aus dem Leib, um Andrej Arschawin und Co. den Schlaf zu rauben.

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