Süddeutsche Zeitung

Kovac zum FC Bayern:Eine Zukunft nach Hoeneß' Geschmack

  • Die sportliche Führung beim FC Bayern liegt nun in den Händen von zwei Spielern, die 2001 gemeinsam den Weltpokal gewannen.
  • Nach der Absage von Thomas Tuchel ist Niko Kovac als Trainer die Kompromisslösung.
  • Bereits vor einem Jahr platzierten die Bayern den Hinweis in Kovacs Umfeld, er solle bei der Vertragsverlängerung auf eine Ausstiegsklausel achten.

Von Christof Kneer

Die Speisekarte im " Italy " im oberbayerischen Geretsried ist sehr klassisch gehalten, es gibt eine Eisdiele nebenan sowie einen integrierten Veranstaltungsraum, der sich laut Website "für Ihre Hochzeit, Geburtstagsfeier, Jubiläum, Firmenfeier oder Kommunion!" eignet. Von einer Eignung bezüglich Hintergrundgesprächen mit Fußballtrainern steht da nichts, aber vielleicht wäre diese Art von Eigenwerbung auch nicht wirklich praktisch. Eingeweihte wissen ohnehin, dass man im Ristorante durchaus mal Andy Brehme treffen kann, auch ein Loddarmatthäus ist dort von unabhängigen Zeugen bereits in echt gesehen worden. Die Nähe dieser Location zum Fußball ist bekannt, da muss man nicht auch noch wissen, dass manchmal Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge vorbeikommen.

Parallel gibt der Klub bekannt, dass Ribéry und Robben neue Vertragsangebote vorliegen

Vor zwei Wochen trafen sie dort offenbar den Fußballtrainer Niko Kovac, und es wäre ein Irrtum zu glauben, dass es sich dabei um ein Kennenlerngespräch handelte.

Kovac, 46, hat von 2001 bis 2003 beim FC Bayern gespielt und in dieser Zeit den Weltpokal gewonnen, das reicht locker für die Aufnahme ins Familienalbum. Mit 1:0 nach Verlängerung bezwangen die Bayern am 27. November 2001 den argentinischen Vertreter Boca Juniors, Niko Kovac spielte 77 Minuten, bevor er dem möglicherweise unvergessenen Carsten Jancker Platz machte. Das Siegtor in der 109. Minute, erzielt vom ganz sicher unvergessenen Sammy Kuffour, erlebte Kovac von der Bank aus mit, anders als sein Bruder Robert, der neben Kuffour 120 Minuten verteidigte. Das Bild von Robert Kovac, heute 44, klebt natürlich auch im Familienalbum.

Es ist also auch eine Art Heimkehr, wenn die Kovac-Brüder im Sommer nun wieder nach München umziehen werden. Robert Kovac wird für die Bayern seine Wohnung in Frankfurt verlassen, Niko Kovac sein Hotelzimmer: Dort hat er zwei Jahre gewohnt, gerade so, als sei er in Frankfurt nur auf Montage. Dabei hat er damit vor zwei Jahren nun wirklich nicht rechnen können: dass seine zweite Trainerstation im deutschen Fußball gleich der FC Bayern sein würde. Niko Kovac wird Eintracht Frankfurt trotz eines Vertrages bis 2019 im Sommer verlassen dürfen, dank einer speziellen, angeblich nur für europäische Spitzenklubs geltenden Ausstiegsklausel, über deren Höhe unterschiedliche Versionen im Umlauf sind. Von 2,2 Millionen wird gerne berichtet, aber es gibt Insider, die die Summe höher veranschlagen.

Vor zwei Wochen, beim Italiener in Geretsried, haben sich die Bayern mit Kovac offenbar über jene Zusammenarbeit ausgetauscht, die nun bestätigt wurde. "Es ist wahr: Niko Kovac wird Trainer des FC Bayern zum 1. Juli", erklärte Bayerns Sportdirektor Hasan Salihamidzic am Freitag. Für drei Jahre gilt Kovacs Vertrag, seinen Bruder Robert bringt er als Assistenten mit.

Kovac selbst skizzierte am Freitag bei einer Pressekonferenz seine Version, er betonte die Dynamik des Tages zuvor; erst am Donnerstag, sagte er, habe er vom FC Bayern ein Vertragsangebot erhalten. "Ich habe vor einer Woche gesagt: Es gibt keinen Kontakt zu Bayern München. Das hat sich gestern schlagartig geändert."

Hasan Salihamidzic hat den Weltpokal damals übrigens auch gewonnen, ehrenhalber zumindest. Er war am Finaltag wegen einer Operation entschuldigt, aber er zählte damals ebenso wie der eine und der andere Kovac zum Kader des FC Bayern. Salihamidzic, Codename Brazzo, war damals sogar Publikumsliebling.

Die Generation Weltpokal wird nun also die Geschäfte übernehmen, zumindest jene Geschäfte, die Karl-Heinz Rummenigge (offizieller Titel: Vorstandschef) und Uli Hoeneß (offizieller Titel: Uli Hoeneß) noch übrig lassen. Kovac sei "der perfekte Trainer, er kennt die DNA des Klubs", sagt Salihamidzic, "Niko arbeitet sehr akribisch, sehr fleißig, das ist das, was wir brauchen."

Über Salihamidzic sagen sie im Klub übrigens, dass er sehr fleißig und sehr akribisch sei, und dass das genau das sei, was sie brauchen.

Die durchaus unerfahrenen Kovac und Salihamidzic sind nun also jene beide Menschen, die den Klub in die Zukunft führen sollen. Auf jeden Fall dürften beide insofern geeignet sein, als die Zukunft bei Bayern immer auch ein paar Epochen Vergangenheit enthalten muss. Jener Mann, der den offiziellen Titel Uli Hoeneß führt, dürfte nun erst mal entspannt auf diese Zukunft blicken, es ist eine Zukunft nach seinem Geschmack: Zwei Ex-Spieler sollen nun also dafür sorgen, dass Franck Ribéry und Arjen Robben noch mal ein cooles Jahr beim FC Bayern erleben. Auch das bestätigte Salihamidzic am Freitag: Man habe "mit Arjen und Franck in den letzten Tagen Gespräche geführt", beiden läge nun ein Angebot des Vereins bis Juni 2019 vor. Beide müssten "nur Bescheid sagen". Das ist gewiss ein Grund, warum die Bayern nun guten Gewissens behaupten können, Kovac habe - Tuchel hin, Klopp, Nagelsmann oder Hasenhüttl her - immer zu den Wunschkandidaten gehört: weil er nicht nur einer von ihnen ist, sondern weil sie ihm auch als Champions-League-Anfänger genügend Autorität für die Promi-Kabine mit Ribéry & Robben zutrauen. Kovac sei "einerseits jung gebliebener Fußballer, andererseits aber auch ein Fußballlehrer, der Disziplin und Ordnung einfordert", sagte Frankfurts Sportchef Fredi Bobic kürzlich. In Frankfurt spielt der dominante Kevin-Prince Boateng, es spielen da überhaupt die unterschiedlichsten Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen mit den unterschiedlichsten Mentalitäten: Aber es gibt keine Geschichten dort, kein Reservist in diesem großen Kader motzt, keine Eitelkeit dringt nach außen.

Niko Kovac - außen smart, innen hart - hat den Laden im Griff.

In diesem Sinne hat Jupp Heynckes seinen Nachfolger nach der Bekanntgabe der Personalie auch gleich pflichtschuldig angepriesen, Kovac habe "schon eine Biografie, die sehr, sehr positiv ist". Professionell wikipediasierte Heynckes am Freitag den Lebenslauf des Kollegen, er würdigte nicht nur Kovacs Erfolgsgeschichte in Frankfurt inklusive des Pokalfinales 2017, sondern auch dessen Arbeit für die kroatische Nationalelf bei der WM 2014.

Kovac sei prädestiniert, Bayern zu übernehmen, sagte Heynckes, "das wird funktionieren". Derselbe Heynckes hatte kürzlich in einem Interview allerdings angemerkt, es sei "schon von Nutzen", wenn Kovac "im nächsten Jahr erst mal international mit seiner Eintracht spielt".

Thomas Tuchel hatte es gewagt, nicht auf Bayern zu warten - und in Paris zugesagt

Diese Sätze führen noch einmal tief hinein in die kuriose Trainersuche dieses Klubs, dessen Funktionsträger - vor allem die mit dem Jobprofil Uli Hoeneß - lange davon ausgegangen waren, dass sie den Freund Jupp schon noch zu einem weiteren Dienstjahr überreden könnten. Mit ihrem ebenso rührenden wie vergeblichen Werben haben sich die Bayern den Trainermarkt am Ende noch kleiner gemacht, als er ohnehin schon war, nach Heynckes' end-end-endgültiger Absage war zum Beispiel auch der Kandidat Thomas Tuchel schon vergeben; er hatte es gewagt, nicht auf den FC Bayern zu warten und in der Zwischenzeit bei Paris St. Germain zugesagt.

So darf Kovac nun als durchaus schlüssige Kompromisslösung gelten, sein straffer Pragmatismus könnte ihn ebenso zum Bayern-Coach befähigen wie seine Münchner Prägung unter Ottmar Hitzfeld. Schon in Frankfurt hat Kovac das Hitzfeld'sche Rotationsgesetz versiert angewendet und die Spieler seriös bei Laune gehalten.

Dass die Münchner ihren neuen Trainer früh zum erweiterten Kandidatenkreis gezählt haben, zeigt eine Episode, die etwa ein Jahr alt ist. Vor einem Jahr haben die Münchner ja längst gespürt, dass das nicht mehr allzu lange gut gehen könnte mit diesem superlaxen Carlo Ancelotti, also haben sie in Kovacs Umfeld einen kleinen Hinweis platziert. Wenn der Trainer seinen Vertrag in Frankfurt verlängere, ließen die Münchner ausrichten, solle er doch bitte an eine Ausstiegsklausel denken.

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Quelle:
SZ vom 14.04.2018/schm
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