Niko Kovac beim FC Bayern:Der Einzelkämpfer

FC Bayern München - Eintracht Frankfurt

Deutscher Fußball-Meistertrainer 2019: Niko Kovac.

(Foto: dpa)
  • Niko Kovac gewinnt mit dem FC Bayern nach einer bemerkenswerten Aufholjagd die Meisterschaft.
  • Hoeneß, Rummenigge und Salihamidzic vermeiden trotzdem ein klares Bekenntnis zum Trainer.
  • Niko Kovac bewahrt in dieser schwierigen Situation Haltung - und gewinnt so die Symapthien der Fans.

Von Benedikt Warmbrunn

Die Stadionregie hatte gerade "Sweet Caroline" eingespielt, den Gute-Laune-Klassiker von Neil Diamond, in den die Menschen seit Jahrzehnten so viel hineininterpretieren, unter anderem in die Zeile good times never seemed so good noch ein zweites und ein drittes so good, die beide im Original nicht vermerkt sind. Die Meisterfeier des FC Bayern lief da bereits seit einer halben Stunde, nun kam der Moment, in dem der Mann, in dessen Leben in diesen Tagen ebenfalls viel hineininterpretiert wird, die Meisterschale ganz für sich hatte. Also schnappte er sich seinen Bruder, dann standen sie vor den Fotografen, Niko und Robert Kovac, Cheftrainer und Assistenztrainer des FC Bayern. Stolz präsentierten sie die Trophäe, die Hände rissen sie nach oben. Und Niko Kovac brüllte, die Augen fast so weit aufgerissen wie den Mund.

Gute Zeiten erschienen nie so gut. Oder waren diese gute Zeiten vielleicht weiterhin gar nicht so good, so good, so good?

Am späten Samstagnachmittag musste in das Leben von Niko Kovac - anders als sonst in diesen Wochen - nicht viel hineininterpretiert werden. Er feierte einfach seinen ersten Meistertitel als Fußball-Trainer, und er feierte ihn auf seine eigene Art. Er, dem Fairness so viel bedeutet, spazierte erst zu den Spielern und Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt, gegen die der FC Bayern mit einem 5:1 die Meisterschaft gesichert hatte. Für Kovac war es auch ein Besuch bei bedingungslos freundlich gestimmten Menschen; vor einem Jahr hatte er sich ja von der Eintracht mit dem DFB-Pokal verabschiedet, mit einem Sieg gegen den FC Bayern.

Anschließend feierte Kovac mit seiner Mannschaft, von der niemand gesichert weiß, ob sie auch im Juli noch seine Mannschaft sein wird. Auf dem Podium stand er am Rand, in der Hand einen riesigen Wimpel, er hüpfte und brüllte mit seinen Spielern. Doch es zog ihn keiner nach vorne, es stimmte keiner ein Lied auf ihn an, er wurde auch nicht in die Luft geworfen, nicht mal die Schale bekam er in die Hand gedrückt - stattdessen wurde ihm einmal die Schale abgenommen, von Franck Ribéry, der gerne ein Foto fürs Familienalbum machen wollte. Später schütteten Arjen Robben und Rafinha jeweils ein Weißbierglas über ihrem Trainer aus. Kovac lachte, die Zuneigung erfreute und erleichterte ihn.

Der Mann, der den größten Erfolg seiner jungen Laufbahn als Trainer feierte, war ganz einverstanden mit dem Verlauf dieser Feierlichkeiten. Es war da keine Distanz sichtbar zwischen Team und Trainer. Es feierte da jedoch einer, der sich nicht gerne in den Vordergrund drängt, dem der Jubel über die eigene Person in dieser bisweilen selbstherrlichen Branche immer noch fremd geblieben ist.

Dass in das Leben des Niko Kovac in diesen Tagen so viel hineininterpretiert wird, das liegt auch daran, dass alle im Verein diesen Interpretations-Spielraum freihalten, alle, nur Kovac nicht. Braucht er die Meisterschaft, um den Job zu sichern? Braucht er sogar den Pokalsieg in der nächsten Woche? Retten vielleicht auch beide Titel nicht seine Zukunft in München? Das waren die Fragen, die Kovac an diesem letzten Bundesliga-Spieltag begleitet hatten. Es waren Fragen, die leicht mit Klarheit zu beantworten wären. Doch in diesem Meisterschaftsfinale gab es nur zwei Fraktionen, die sich für Kovac aussprachen. Es gehört zur Problematik der aktuellen Situation des Trainers, dass es ausgerechnet die zwei Fraktionen waren, die am Ende am wenigsten entscheiden dürfen.

Die Bosse lassen zahlreiche Gelegenheiten verstreichen, Klarheit zu schaffen

Die Fans feierten ihren Trainer, zu Beginn der zweiten Halbzeit, in der 80. Minute und nach dem Abpfiff, als Kovac ein paar Worte des Dankes ins Mikrofon sprach.

Die zweite Fraktion war eine Ein-Mann-Fraktion, das war Niko Kovac selbst.

Angesprochen auf eine übereifrig veröffentlichte Meldung vom Freitag, wonach sein Abschied von den Bossen bereits beschlossen sei, antwortete Kovac: "Ich habe im Hintergrund ein paar andere Informationen und bin überzeugt, dass es nächste Saison weitergeht. Sie können mir glauben, dass es Informationen aus erster Hand sind." Dann ging er duschen.

Eine Stunde später saß Kovac in der Pressekonferenz, die Haare gekämmt, am Körper ein Poloshirt. Er sei "total happy", aber auch "total ausgelaugt". Später sagte er: "Dieses Jahr war sehr anstrengend, das können Sie mir glauben. Man sieht es vielleicht an meinen Haaren, an meinem Bart, was da alles dazugekommen ist." Der Applaus war für ihn "Anerkennung" und "Trost", er sagte: "Man sieht, dass die Fans immer wieder ein gutes Gespür haben."

Hoeneß weicht aus, Chef-Skeptiker Rummenigge schweigt

Kovac, der schon vor dem Spiel mehr Menschlichkeit im Umgang miteinander gefordert hatte, bleibt auch als Meistertrainer ungeschminkt ehrlich. "Hier sitzt kein Roboter. Ich schäme mich auch nicht, Gefühle zu zeigen beziehungsweise sie mitzuteilen. Das macht uns ja auch menschlich." Doch am Samstag trat der Mensch Kovac auch als großer Stratege auf.

Die Bosse schlingern ja durch diese Woche, sie lassen zahlreiche Gelegenheiten verstreichen, Klarheit zu schaffen. Kovac schaffte es innerhalb weniger Tage, mit so viel Klarheit aufzutreten, dass es für seine Vorgesetzten immer schwieriger wird, sich von ihm zu trennen, vorausgesetzt, sie wollen das noch. Kovac sagte: "Ich rede mit meinen Chefs. Es ist so: Wenn man redet, dann hört man schon auch raus, in welche Richtung es geht. Und ich glaube schon, dass ich es richtig interpretiert habe. Daher gehe ich davon aus, dass ich meinen Vertrag erfüllen werde." Es waren Aussagen, deren Wirkung gleich einem dreifachen so good glich. Sie verengen all die Interpretationen ja auf zwei Szenerien. Erstes Szenario: Kovac hat am Samstag verkündet, dass er bleibt. Zweites Szenario: Die Bosse trennen sich doch von ihm, müssen dann aber erklären, wie sie es zulassen konnten, dass sich ihr Trainer, ein Meistertrainer noch dazu, in einer Sicherheit fühlen konnte, die es offenbar nicht gab.

Die Bosse selbst, die in dieser Saison nur selten eine gute Figur gemacht haben, gerade im Umgang mit ihrem jungen Trainer, traten am Samstag als dritte Fraktion auf. Sie schafften es, Kovac auch als Meistertrainer weiterhin nicht mit bedingungslosem Zuspruch zu unterstützen.

Als Erster marschierte am frühen Samstagabend Uli Hoeneß dem Ausgang der Arena entgegen. Der Präsident hatte Kovac als Wunschtrainer nach München geholt (zumindest als zweitliebsten Wunschtrainer nach dem ewigen Jupp Heynckes), in den vergangenen Wochen hatte er mit seinen Aussagen den Trainer oft geschützt. Am Samstag sagte er: "Ich habe immer gesagt, ich werde mich an den Spekulationen nicht beteiligen, deshalb werden Sie zu dem Thema von mir nichts hören." Man solle das Thema "aus unseren Köpfen" bekommen. Spielraum für Interpretationen hinterließ auch er reichlich.

Etwas deutlicher positionierte sich später Sportdirektor Hasan Salihamidzic. "Der Trainer hat von mir die absolute Unterstützung", sagte er, "das wird sich auch nicht ändern." Da er aber auch herumdruckste, folgte die Nachfrage, ob Kovac sicher in der neuen Saison Trainer bleibe. Salihamidzic sagte: "Die Fakten sprechen dafür, ja." Er sagte aber nicht einfach nur: Ja. Und Karl-Heinz Rummenigge schließlich, der Chef-Skeptiker der vergangenen Wochen, zog es vor, gleich ganz zu schweigen.

Dass Niko Kovac in München bleiben wird, ist am Samstag wahrscheinlicher geworden, auch weil der Trainer gerade die Diskussionen selbst lenkt. Doch sollten die Bosse sich weiterhin so bedeckt halten über ihren Trainer, erscheinen auch in der neuen Saison die guten Zeiten nicht zwangsläufig so good, so good, so good.

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