Kovac beim FC Bayern:Mit den Kniffen von Heynckes

Niko Kovac beim Spiel des FC Bayern gegen den 1.FC Nürnberg

Niko Kovac im Spiel gegen Nürnberg.

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • Niko Kovac beendet beim FC Bayern die Rotation und setzt taktisch auf die Doppelsechs Kimmich/Goretzka.
  • Auch sein Vorgänger Jupp Heynckes war ein Freund von klaren Hierarchien und klaren taktischen Vorgaben.
  • Allerdings könnte Mats Hummels das prominenteste Opfer dieser neuen Grundsätze sein.

Von Benedikt Warmbrunn

Im Blick von Mats Hummels steckte all die Sehnsucht, die ein Fußballer aufbringen kann. Geruhsam war er die halbe Spielfeldhälfte entlang geschlendert, die Augen hafteten aufmerksam auf dem Geschehen, erst vor den letzten Schritten senkte er den Blick. Dann drehte er sich noch einmal um, hob den Kopf, blickte zum Strafraum, der ganze Körper schien sich zu verbiegen unter der nervösen Sehnsucht, er wirkte wie eine Wildkatze, die seit Tagen vergeblich auf Beute lauert. Hummels drehte sich wieder um, sein Körper entspannte sich. Er setzte sich auf die Ersatzbank und sah zu, wie Sandro Wagner eingewechselt wurde, nicht er.

Die Sehnsucht, die Hummels am Samstagnachmittag empfand, war die eines Fußballers, der miterleben muss, wie sich eine Mannschaft findet. Eine Mannschaft, die zurzeit ganz gut auskommt ohne Hummels, 29 Jahre alt, 70 Länderspiele, Weltmeister von 2014, zwei Jahre lang Kapitän in Dortmund. Und so bündelten sich in Hummels' Blick mehrere Wahrheiten darüber, warum der FC Bayern wieder erstarkt ist.

Die Mannschaft hat am Samstag selbstverständlich nicht deshalb 3:0 (2:0) gegen den 1. FC Nürnberg gewonnen, weil Hummels nicht mitgespielt hat. Sie hätte auch mit dem Innenverteidiger Hummels gewonnen, wobei zu den Wahrheiten über die wiedergewonnene Stärke auch die gehört, dass der FC Bayern selbst ohne Innenverteidigung gegen diesen bestürzend harmlosen Gegner gewonnen hätte. Dass Hummels nicht gespielt hat, lag jedoch daran, dass der Trainer Niko Kovac gerade sein Profil schärft. Nachdem er vor zwei Wochen von Präsident Uli Hoeneß noch ein mehr oder weniger kaschiertes Ultimatum für das folgende Spiel in der Champions League gegen Lissabon erhalten hatte, geht er nun gefestigt in das letzte Gruppenspiel am Mittwoch in Amsterdam.

Gegen Nürnberg spielte erstmals unter Kovac die Startelf aus der vergangenen Partie (also eine ohne Hummels), das Ende der Rotation war die auffälligste Wahrheit, warum der FC Bayern wiedererstarkt ist. "Ich sehe, dass die Mannschaft immer mehr Strukturen hat, dass sie immer mehr Abläufe verinnerlicht", sagte Kovac. Gelungen ist ihm diese Kehrtwende, indem er sich als Meister der einfachen Dinge erwiesen hat, indem er also auf Kniffe zurückgekniffen hat, mit denen in der vergangenen Saison der zurückgeholte Altmeister Jupp Heynckes das Team stabilisiert hatte.

Seit dem 5:1 gegen Lissabon spielt die Mannschaft in einem 4-2-3-1, in der Formation also, in der sie unter Heynckes 2013 die Champions League gewonnen hatte. Davor hatte Kovac stur auf ein 4-3-3 gesetzt, das den Flügelstürmern die alleinige Verantwortung für die Offensive gab. Durch die Doppelsechs vor der Abwehr, das Duo Joshua Kimmich/Leon Goretzka, verfügt das Team im Spielaufbau nun über mehr Optionen. Die Außenverteidiger können die Flügelstürmer besser unterstützen, weil sie durch die Doppelsechs abgesichert werden. Thomas Müller als Querdenker davor entlastet zudem die Sturmspitze, Robert Lewandowski. "Ich habe mehr Platz und muss mich nicht mehr gegen zwei oder drei Gegenspieler im Strafraum durchsetzen. Wir sind dadurch flexibler, kreativer und schwerer auszurechnen", sagte Lewandowski. Bei seinen Toren profitierte er jedoch einmal von einer kollektiven Umnachtung in der Nürnberger Defensive (9.) sowie von einem Lattenabpraller nach einem Schuss von Goretzka; der Angreifer musste den Ball nur noch ins Tor schieben (27.). Das dritte Tor leitete Club-Torwart Fabian Bredlow mit einem Fehlpass auf Serge Gnabry ein - nach einer flinken Kombination traf Franck Ribéry (56.).

Die Königspersonalie der Umstellung ist jedoch Kimmich. Nach dem 3:3 gegen Düsseldorf, das Kovac das Ultimatum beschert hatte, hatte der Trainer intern kritisiert, dass sich der Rechtsverteidiger seinen Anordnungen widersetzt hatte; indem er Kimmich ins Mittelfeld versetzte, übertrug er ihm mehr Verantwortung. Diese übernimmt Kimmich dank seiner Ballsicherheit und seinem Gespür für die Läufe der Mitspieler mit Leichtigkeit. Gegen Nürnberg hatte er die meisten Ballkontakte (130), 94 Prozent seiner Pässe kamen an, einer davon führte zum 1:0. Der Mann vor der Abwehr war auch für Heynckes der wichtigste, 2013 und in der vergangenen Saison war dies jeweils Javier Martínez (der zurzeit nur auf der Bank sitzt).

Die Mannschaft, die sich nun gefunden hat, ist also eine, die forscher spielt - die aber, alte Heynckes-Weisheit, auch eine Hierarchie hat. Zuletzt wackelte vor allem Jérôme Boateng - mit einer Stammplatzgarantie versehen, war er gegen Nürnberg einer der Besten. Kovac verzichtet nun zudem darauf, durch Wechsel während des Spiels zu viel am System zu verändern. Gegen Nürnberg tauschte er zweimal positionsgetreu; Thiago (kam für Goretzka) und Kingsley Coman (für Ribéry) sind wohl die Spieler, die am ehesten auf eine dauerhafte Rückkehr in die Startelf hoffen dürfen. (Beim dritten Wechsel, Wagner für Gnabry, war die Partie bereits entschieden.)

Und Hummels? Der lief nach dem Abpfiff zu jedem Mitspieler, klatschte ab. Er weiß, dass er, der sich als Führungsfigur sieht, jetzt erst einmal als Diener der Stimmung gebraucht wird. Wie erfolgreich er diese Rolle ausüben kann, auch davon wird abhängen, wie widerstandsfähig die zurückgekehrte Stärke des FC Bayern ist.

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