Korruption bei WM-Vergaben:Kunstschätze für die feinen Herren

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Bei der Fifa kann man sich nicht mehr sicher sein: Ging es bei den WM-Vergaben für 2018 und 2022 mit rechten Dingen zu? (Foto: dpa)

Der Fifa steht weiterer Ärger ins Haus: Großbritannien staunt über eine Datenbank, in der brisantes Material zur Vergabe der Fußball-WM an Russland und Katar gesammelt wurde. Auch um den britischen Auslandsgeheimdienst gibt es Enthüllungen.

Von Thomas Kistner, München

Jetzt rollen die Enthüllungslawinen, schubweise schließen sie die Fifa und ihre Spitzenfunktionäre ein. Am Montag lädt in London erneut ein Parlamentsausschuss zur Anhörung, Brisantes steht auf der Agenda: Offenbar haben Reporter der Sunday Times weit mehr Belastungsmaterial über die korruptionsverdächtigen WM-Vergaben an Russland 2018 und Katar 2022 aufgetrieben als die Fifa-Ethikchefs Michael Garcia und Hans-Joachim Eckert.

Das britische Blatt berichtete am Sonntag über angebliche Bestechungsversuche vor allem der Russland-Werber und stützt sich dabei auf eine Datenbank der England-2018-Bewerber. Diese hätten Informationen und Gerüchte über ihre WM-Rivalen gesammelt, die von Privat- detekteien und britischen Botschaften erhoben wurden. Die Times nennt Topleute der Bewerbung als Quellen, dazu einen Beamten des Auslandsgeheimdiensts MI6.

Bereits am Samstag hat der Unterhaus-Ausschuss die Vorwürfe der Reporter auf Basis der Datenbank publiziert, am Montag werden sie im Parlament debattiert. Zwar liefert die Vorlage keine eindeutigen Beweise. Sie zeichnet aber ein klares, in Teilen sogar nachprüfbares Szenario, wie vor der Doppelabstimmung im Fifa-Vorstand Ende 2010 Voten verschoben sein sollen.

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Im Zentrum: Wladimir Putin. Russlands damaliger Ministerpräsident soll mit Petersburger Politadjutanten in den Bewerb eingegriffen und sogar mit Fifa-Chef Sepp Blatter um Stimmen lobbyiert haben. Zu Blatter erhebt die Times, die zudem über "Millionen Dokumente" aus Computern des asiatischen Fußballverbandes verfügen will, weitere schwere Vorwürfe. So heißt es in der Parlamentseingabe, Blatter verdiene mit an der Verbindung der Fifa mit Großkonzernen. Blatter, der im Schlussbericht des Münchner Ethikrichters Eckert als Galionsfigur einer Fifa- Reform gerühmt wird, hat stets Korruption oder Vorteilsnahme von sich gewiesen.

Ähnlich schwer wiegen die Behauptungen gegenüber europäischen Wahlleuten. Verdächtigt wird auch Franz Beckenbauer, gegen den auch die Fifa-Ethiker weitere Untersuchungen führen: Über zwei enge Begleiter, Fedor Radmann und Andreas Abold, die schon in der deutschen WM-Bewerbung und -Organisation für 2006 eine umstrittene Rolle gespielt hatten. Im Parlamentspapier heißt es, das Duo habe auch für die Russen gearbeitet und Bewerbern Beckenbauers Stimme angeboten.

Ihre Tätigkeit für Australiens Bewerber sei über ein Honorar für die Erstellung des Bid-Buches bezahlt worden, das jeder WM-Bewerber vorlegen muss. Australiens Kommunikationschefin Bonita Mersiades hatte der SZ schon vor Wochen gesagt, das deutsche Duo habe für seine Tätigkeit rund 13 Millionen australische Dollar (heute knapp neun Millionen Euro) kassiert. Mersiades wurde zur Whistleblowerin, auch ihre Aussagen werden am Montag im Unterhaus geprüft.

Radmann und Abold wiesen stets alle Vorwürfe strikt von sich; auch dass sie Beckenbauers Stimme offeriert oder Gagen mit ihm geteilt hätten. Beckenbauer, den die russische Gasindustrie kurz nach der WM-Kür als Werbefigur angeheuert hatte, bestritt ebenfalls stets alle Vorwürfe. Die Times zitiert nun einen Sprecher: "Wir bitten um Verständnis, dass Franz Beckenbauer zum Thema WM-Bewerbung keine Aussagen oder Interviews machen kann, solange die Untersuchungen laufen."

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Pikant auch die - teils bekannten - Vorwürfe gegen weitere Fifa-Vorstände. Laut der von der Times ausgewerteten britischen Datenbank hätten die Russen Kunstschätze eingesetzt. Michel Platini soll vom russischen Fifa-Vorstandskollegen Wjatscheslaw Koloskow ein teures Gemälde erhalten haben, was der Uefa-Chef strikt bestreitet. Anders der Belgier Michel D'Hooge. Der Fifa-Chefarzt bestätigt, dass ihm Koloskow ein Bild geschenkt habe. Das sei aber so "hässlich" gewesen, dass er es nie verschenkt habe; er hoffe, es sei noch auf dem Dachboden. Ein Freund habe ihm versichert, dass das Bild wertlos sei.

Russlands Bewerber bestritten stets jedes Fehlverhalten. Davon sprachen sie auch die Fifa-Ethiker frei, obwohl sie nicht einmal die Computerdaten der Russen prüfen konnten. Die Bewerber trugen Ermittler Garcia vor, ihre Rechner für das globale Milliardengeschäft seien geleast und nach dem WM-Zuschlag an den Besitzer zurückgegeben worden, der sie zerstört habe.

Die Times berichtet auch über Verdachtsmomente gegen Katar. Die Erdgasindustrie habe, in Verbindung mit den Russen, Voten über bilaterale Handelsabkommen zu sichern versucht. Ein gemeinsames Gasförderprojekt auf der sibirischen Halbinsel Jamal in dem Kontext habe Putin mit dem Emir direkt besprochen.

Folgen wird der Parlamentsreport auch für Englands Bewerber haben. Deren Manager hatten bei einer Anhörung 2011 an Eides statt erklärt, alles Wissen offenbart zu haben; dabei verschwiegen sie aber ihre Datenbank. Jetzt berufen sie sich auf juristische Nöte, da dieses Material unbewiesen sei und die Fifa Zeugen keine Rechtshilfe offeriert habe. Auch Garcia hätten sie deshalb nur konkrete Fragen beantwortet.

Der Fußballverband FA erklärt zur Datenbank, dass England-Bewerber "mit Parteien in aller Welt tätig waren, um allgemeine und Hintergrundinformationen zu Fortschritten der Bewerbung verschiedener Ländern und deren Perspektiven zu erhalten. Medien- und Unternehmensberater wurden auf vertraulicher Basis beschäftigt, um Informationen zu sammeln." Wie korrekt und belastbar das Material ist, soll die britische Betrugsbehörde SFO untersuchen, so der Abgeordnete Damian Collins.

Ein neuer Tiefschlag für die Fifa und ihre Ethiker ist der Vorgang bereits: Garcia, der zwei Jahre und Millionen Dollar in seine Arbeit investierte, hat diese just nach dem Tag im Juni beendet, als die Times erste Enthüllungen publizierte. Das Angebot, Einblick in die Daten zu nehmen, lehnte Garcia ab: Alles sei ihm längst bekannt.

© SZ vom 01.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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