Korruption im Weltfußball:Gefährliche Geständnisse

Korruption im Weltfußball: Chuck Blazer (re.): Schlüsselfigur im Fifa-Skandal

Chuck Blazer (re.): Schlüsselfigur im Fifa-Skandal

(Foto: AFP)
  • Der ehemalige Fifa-Funktionär Chuck Blazer liefert der US-Justiz als Kronzeuge wichtige Erkenntnisse im Fifa-Korruptionsskandal.
  • Blazer gesteht in Brooklyn, als Fifa-Vorstand in "mindestens zwei Fällen an erpresserischen Aktivitäten teilgenommen" zu haben.
  • Jack Warner, die zweite Hauptfigur, kündigt Enthüllungen an - er ist für den Weltverband noch gefährlicher.

Von Thomas Kistner

Raymond J. Dearie ließ sich Zeit. Seinen Gerichtssaal ließ er ordnungsgemäß verschließen, die Beamten der US-Bundespolizei FBI und der Steuerbehörde IRS hatten Platz genommen. Aber zunächst erkundigte sich der Richter an jenem 25. November 2013 nach dem Befinden des Beklagten. Chuck Blazer, 17 Jahre lang Mitglied im Vorstand des Weltfußball-Verbandes Fifa und Generalsekretär des Verbands von Nord- und Mittelamerika (Concacaf), saß im Rollstuhl. Er hat Krebs.

Dann ging es zur Sache im Gerichtsgebäude von Brooklyn. Richter Dearie klärte Blazer darüber auf, dass die Fifa aus Sicht der US-Justiz eine sogenannte Rico-Organisation sei - eine Organisation also, in der Schutzgelderpressung und Korruption zum Geschäft gehören. Und Blazer gestand, als Fifa-Vorstand in "mindestens zwei Fällen an erpresserischen Aktivitäten teilgenommen" zu haben. Überdies hätte er mit anderen Personen "Bestechungsgelder und Kickback-Zahlungen" im Zusammenhang mit der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 1998 und 2010 sowie mit der Vergabe "der Sende- und anderer Rechte für die Goldcup-Turniere 1998, 2000, 2002 und 2003" akzeptiert.

Gericht und Beklagter eilten durch die Akten, Blazer gestand illegale Geldtransfers, alle Anklagepunkte räumte er ein. Dass es für die Fifa sogar noch unangenehmer kommen könnte, kann man nur ahnen: Auf den Seiten 35 und 36 des Verhörprotokolls findet sich ein geschwärzter Textblock. Bisher ist also nicht öffentlich, was Blazer auf die Frage antwortete: "Wollen Sie noch etwas sagen?" Auch die Erwiderung des Richters daraufhin fiel so aus, dass nur eine Zeile nicht geschwärzt wurde: "Wir setzen einen Termin für Ende nächsten Jahres an."

Schon die von den US-Behörden publizierten Aussagen Blazers bringen die Fifa in größte Bedrängnis. Im Visier ist die Praxis bei der Vergabe von Weltmeisterschaften. Blazer sagt, er habe Geld von Südafrika für die WM 2010 erhalten. Dabei geht es um zehn Millionen Dollar, die über die Fifa-Zentrale in Zürich in die Karibik flossen. Die Fifa und der südafrikanische Verband weisen jeden Korruptionsverdacht zurück. Das Geld sei Entwicklungshilfe gewesen. Blazer indes bezeichnet die Zahlung als Gegenleistung für die Voten von ihm sowie den "Mitverschwörern eins und drei", als in der Fifa die Vergabe der WM abgestimmt wurde. Mitverschwörer eins soll der Funktionär Jack Warner sein, ein langjähriger Präsident des Concacaf.

Andere Bewerber, so Blazer, hätten damals weniger geboten als Südafrika. Das Land am Kap holte sich die WM mit einem Ergebnis von 14 zu 10 Stimmen. Auch für die WM 1998 haben Blazer und seine Mittäter Geld genommen. Vermutlich vom damals unterlegenen Mitbewerber Marokko; dieses Turnier ging an Frankreich.

Ex-Funktionär Warner droht mit einer "Lawine", die "nicht einmal der Tod" aufhalten kann

Blazer war eng ans Fifa-Machtzentrum angebunden. Über Dekaden residierte der Amerikaner im New Yorker Trump Tower, wo er neben dem Concacaf-Büro eine Wohnung für sich und seine Haustiere unterhielt; den Papagei fütterte das Personal. "Eine nette Ablenkung vom Solitaire-Spielen", beschrieb ein früherer Concacaf-Mitarbeiter das Arbeitsklima in Manhattan. Auch Warner logierte dort für einige Jahre.

Unterschlupf bei Blazer fand für einige Monate auch die Tochter von Fifa-Präsident Sepp Blatter, die kurze Zeit für die Concacaf arbeitete. Blazers Tochter wiederum kam zeitweise in der Fifa-Rechtskommission unter; sein Sohn Jason war Verbandsarzt der Concacaf.

Warum unterlag Australien Katar?

Jack Warner ist die zweite Hauptfigur in den FBI-Ermittlungen - und noch gefährlicher als Blazer, mit dem gemeinsam er viele Jahre lang die Stimmpakete der Concacaf kontrollierte. Zugleich betrieb der Fifa-Vizepräsident Warner Nebengeschäfte, mit Zustimmung von Blatter. So gingen seit den Neunzigerjahren die WM-Fernsehrechte für die Karibik an ihn, anfänglich für einen Dollar. 2011 warf Warner nach einer Korruptionsaffäre hin, dabei drohte er einen "Tsunami" an Enthüllungen gegen Blatter an. Die Fifa ging seinen Deals nie nach, offiziell, weil er alle Ämter niedergelegt habe. Auch Warner hielt still.

Nun aber hat das FBI Warner im Visier, Interpol fahndet nach ihm, er ist nur gegen Kaution auf freiem Fuß. In Trinidad, wo er mittlerweile in die Politik gewechselt ist, hat Warner soeben verkündet: "Nicht einmal der Tod kann die Lawine jetzt noch aufhalten." Eine Kostprobe für Kommendes lieferte er in einer Fernsehansprache an seine Parteifreunde: Demnach habe die Fifa seine Independent Liberal Party im Wahlkampf 2010 finanziell unterstützt. Fifa-Funktionäre hätten das gewusst, darunter Blatter, behauptete Warner.

Auch die australische Polizei nahm im Zuge der WM-Vergaben Ermittlungen auf. Wieder geht es um Warner: Verbandschef Frank Lowy äußerte sich in einem Brief zur Zahlung von 500 000 Dollar an die Concacaf. Die sei als Entwicklungshilfe gedacht gewesen. Später kam heraus, dass Warner das Geld veruntreut hatte. Australien unterlag Katar bei der Bewerbung für die Weltmeisterschaft 2022.

Lowys beklagte insbesondere die Empfehlung der Fifa-Spitze, bei Bewerbungen "Berater einzustellen, die, gelinde gesagt, ineffektiv waren". Zwei der drei Lobbyisten für Australiens Bewerber, die insgesamt neun Millionen Euro kassiert haben sollen, waren Fedor Radmann und ein deutscher Partner. Radmann ist ein enger Vertrauter von Franz Beckenbauer, der damals im Fifa-Vorstand saß. Beckenbauer will von krummen Deals nichts gewusst haben. "In Sachen Korruption", sagte er 2014, "bin ich der falsche Ansprechpartner."

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