Korruption im Sport:Wo man Geld und Image wäscht

Bei der Fifa und anderswo: Der Sport ist ein Sprungbrett für die Funktionärs-Karriere, den internationalen Gremien gehören viele Figuren von zweifelhaftem Ruf an.

Sylvia Schenk

Sylvia Schenk, 58, Rechtsanwältin in Frankfurt, war Vorsitzende von Transparency International und des Bundes Deutscher Radfahrer. Im 800-Meter-Lauf nahm sie 1972 an Olympia teil.

Im Herbst 2008 war ich als Vorsitzende von Transparency International Deutschland zur Internationalen Anti-Korruptions-Konferenz in Athen. Beim abendlichen Empfang wurde mir plötzlich klar, wie grundsätzlich sich mein Umfeld im Vergleich zu den Olympischen Spielen 2004 geändert hatte. Damals war ich auch in Athen, als damalige Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer und Mitglied des Präsidiums des Radsport-Weltverbandes.

Nun, bei der Anti-Korruptions-Konferenz, begegnete ich etlichen Persönlichkeiten, die wegen ihres Einsatzes gegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen zu Hause im Gefängnis gesessen hatten. Vier Jahre zuvor, beim Sport, hatte ich damit rechnen müssen, in den VIP-Räumen auf Funktionäre zu treffen, die eigentlich wegen Korruption ihres Amtes enthoben oder sogar ins Gefängnis gehörten.

Drogenmafia, Korruption, gefixte Spiele

Was läuft da falsch im internationalen Sport? Die olympische Charta stellt in den "Fundamentalen Prinzipien" den "Sport in den Dienst einer harmonischen Entwicklung des Menschen", mit Blick auf die "Förderung einer friedvollen Gesellschaft" und die "Wahrung der Menschenwürde". Solidarität und Fair Play werden hochgehalten, doch die Realität sieht oft anders aus, wie die jüngsten Vorgänge rund um die Fédération Internationale de Football Association (Fifa) bestätigen.

Die Fifa, das wohl mächtigste Mitglied der "olympischen Familie", muss sich nicht nur mit Korruptionsvorwürfen rund um die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 und von Fernsehrechten in den neunziger Jahren auseinandersetzen. Darüber hinaus stellte im September ein Report von acht investigativen Journalisten ("Killing Soccer in Africa", nachzulesen auf www.fairreporters.org) die Korruptionsprobleme im afrikanischen Fußball dar. Derzeit berichten Medien von Verbindungen zwischen Drogenmafia und Profiliga in Kolumbien. Man weiß zudem schon länger, dass organisierte Kriminalität weltweit hinter Spielmanipulationen wegen Sportwetten steckt. In manchen Ländern, zum Beispiel in Asien, sollen bis zu 50 Prozent der Liga-Spiele "gefixt" sein.

Schaut man sich die zuletzt unter Verdacht geratenen Männer an - Frauen gibt es in diesen Sphären des Fußballs gar nicht -, so findet man einige hochrangige Politiker oder Wirtschaftsbosse, die eng mit der jeweiligen Machtelite ihres Landes verknüpft sind. Wo der Fußball die Massen begeistert, da haben die herrschenden Kräfte ein Interesse daran, sich seiner zu bedienen.

Der wirtschaftliche und politische Gewinn ist immens, Fußball kann so einerseits den bereits Mächtigen nutzen, andererseits aber auch ein Sprungbrett an die Macht sein. Besonders spannend wird es, wenn ein Engagement im Sport dem "Image Laundering" dient: Angelehnt an das englische Wort für Geldwäsche - Money Laundering - hat der kanadische Journalist Declan Hill diesen Begriff geprägt. Wer seinen Reichtum zweifelhaften Geschäften verdankt, kann mit einer Investition zum Beispiel in einen Fußballclub nicht nur sein Geld, sondern auch gleich noch sein Image waschen.

Mechanismen funktionieren auch in Deutschland

Die VIP-Lounges bieten Zugang zu den wichtigsten Politikern und Wirtschaftsführern einer Stadt oder eines Landes. Mit sportlichem Erfolg, wie auch immer erkauft, bindet man zudem die Öffentlichkeit ein und erstickt jegliche Kritik. Brot und Spiele - schon bei den alten Römern ein Stabilisierungsfaktor.

So darf man sich nicht wundern, wenn aus dieser Basis in allen Kontinenten nicht gerade die integersten Personen in internationale Sportfunktionen gelangen. Da die Wahlen von unten nach oben stattfinden - über National- und Kontinentalverbände bis zur globalen Ebene -, sind diese Funktionäre formal sogar demokratisch legitimiert und schaffen es, im Zweifelsfall ihre fehlende Integrität dann eben aus der Funktion abzuleiten.

Die internationalen Verbände leisten ihnen Schützenhilfe, indem sie die Autonomie des Sports überstrapazieren: Wehe, wenn eine Regierung sich erdreistet, gegen korrupte oder sonst diskreditierte Sportführer vorzugehen. Dann droht der Verband mit dem Ausschluss des ganzen Landes aus der Welt des Sports. Was den Sport eigentlich vor unberechtigten Eingriffen schützen soll, wird so manchmal ins Gegenteil verkehrt.

Akt der Inzucht beim IOC

Das Internationale Olympische Komitee (IOC), das überwiegend nicht von Wahlen in anderen Gremien abhängt, sondern seine persönlichen Mitglieder in einem Akt der Inzucht selbst beruft, schafft es ebenfalls nicht immer, zwielichtige Gestalten außen vor zu halten. Zu stark sind oft wirtschaftliche, politische, auch "diplomatische" Zwänge und persönliche Abhängigkeiten. Vielleicht lässt sich dies nicht völlig ausschließen bei rund 200 Nationen - aber zumindest sollte der Sport dann intern sein Regelwerk und die ethischen Prinzipien durchsetzen.

Was Deutschland betrifft, so sind angesichts der Gemengelage von Sport, Wirtschaft, Politik und auch Medien rund um die Fußball-Bundesliga und große Sportereignisse zumindest Interessenkonflikte programmiert. Die Eitelkeit von Politikern wird gepflegt, wenn der Sport sie in Gremien beruft. Dem Wahlkampf nutzt es auch - und der Sport profitiert für die Erfüllung seiner Wünsche von der Nähe zur Macht. Selbst Bürgermeister haben sich schon über erbetteltes Sponsoring für den örtlichen Zweit- oder Drittligisten in unzulässige Abhängigkeiten gebracht.

Die Mechanismen funktionieren also auch hier und werden international klaglos akzeptiert. Wer begehrt schon gegen Ungereimtheiten im internationalen Sport auf, wenn dies die eigene Funktionärskarriere gefährdet? Ist man erst einmal international im Amt, fühlt man sich geschmeichelt und ist schon deshalb solidarisch. So birgt selbst die Berufung von honorigen Persönlichkeiten in Ethik-Kommissionen des internationalen Sports die Gefahr, dass die zu Ja-Sagern mutieren und Zivilcourage im Sport nicht stärken, sondern eher schwächen.

Die aktuelle Empörung über die Fifa umfasst einige weltweit nicht unwichtige Länder und animiert hoffentlich auch Global Player, die den Sport sponsern, zum Handeln. Darin liegt eine Chance, endlich Änderungen in Strukturen und Personalrekrutierung des internationalen Sports in Gang zu setzen. Dies wird nicht von heute auf morgen gehen, es sind viele kleine Schritte nötig. Aber es lohnt sich: Damit der Sport die Hoffnung, die er bei den Menschen in aller Welt weckt, insbesondere bei den Benachteiligten, auch wirklich erfüllt. Und nicht den Falschen nutzt.

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