Korruption bei der Fifa:Ein spektakulärer Prozess und seine Folgen

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Spürt viel Gegenwind: Fifa-Präsident Gianni Infantino. (Foto: AP)
  • Im Prozess zum Fußballsumpf der Weltverbandes Fifa muss der ehemalige brasilianische Verbandspräsident José Maria Marin für vier Jahre ins Gefängnis.
  • Bei der Fifa braut sich aber noch mehr zusammen.
  • Der Gegenwind gegen den Schweizer Präsidenten Gianni Infantino wird immer stärker; Unterstützung findet er fast nur noch in autokratischen Ecken der Welt.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, München

Gut drei Jahre ist es her, dass die Fußball-Welt implodierte. Im Morgengrauen des 27. Mai 2015 betraten Polizisten das Züricher Luxushotel Baur du Lac, wo sich gerade Abgesandte auf den Wahlkongress des Weltverbandes Fifa vorbereiteten. Sieben hohe Funktionäre wurden festgenommen, ein paar andere waren nicht greifbar. Der Vorwurf unter anderem: Korruption, Bestechung und Geldwäsche. Es war der erste große Umsturz in der Kickerbranche - und es folgte der spektakulärste Prozess der Fußballgeschichte.

In diesem ersten Fifagate-Verfahren in New York gab es schon manchen bemerkenswerten Vorgang. Doch erst in diesen Tagen kommt es zu den ersten Verurteilungen von früheren Schwergewichten in der Fifa. Strafmaß und Urteilsbegründung sind jedoch nicht nur für die betroffenen Personen von enormem Belang, sondern auch für den Weltverband und dessen Führung um Gianni Infantino.

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Am Mittwoch verkündete die Richterin Pamela Chen die Strafe gegen den ehemaligen brasilianischen Verbandspräsidenten José Maria Marin. Für vier Jahre muss der 86-Jährige ins Gefängnis, außerdem hat er 4,5 Millionen Dollar an Strafen beziehungsweise Rückzahlungen leisten. Eine Jury hatte ihn bereits im Dezember für schuldig befunden, für die Vergabe von TV-Rechten Schmiergelder von rund 6,5 Millionen Dollar angenommen zu haben.

Mit dem Strafmaß blieb Richterin Chen deutlich unter den zehn Jahren Haft, die von der Anklage gefordert waren. Dabei war die Bewertung eindeutig: "Das Verhalten von Herrn Marin hat das Vertrauen der Öffentlichkeit in den professionellen Fußball zerstört", sagte sie. "Er und seine Mit-verschwörer waren der Krebs des Sportes, den sie angeblich liebten." Ähnlich wie in der Causa Marin dürfte es auch in manchen folgenden Urteilen ablaufen. In Kürze soll etwa das Strafmaß gegen den Paraguayer Juan Angel Napout, der 2014/15 dem Südamerika-Verband Conmebol vorstand, bekanntgegeben werden.

Nicht verurteilt wird hingegen Perus früherer Chef Manuel Burga, der zu Prozessbeginn auffällig wurde, indem er sich beim Auftritt eines Kronzeugen mehrmals mit der Hand über die Gurgel rieb - was seine Verteidiger mit einer Hautkrankheit erklärten, das Gros der Beobachter aber als Drohung empfand. Bei ihm konnte sich die Jury im Dezember nicht auf einen Schuldspruch einigen. Andere hochrangige Ex-Funktionäre wie Nicolas Leoz (Paraguay), Jack Warner (Trinidad & Tobago) oder die Brasilianer Ricardo Teixeira und Marco Polo del Nero wehren sich in ihren Heimatländern gegen die Auslieferung in die USA. Insgesamt richtet sich die Anklageschrift gegen 42 Personen.

Unabhängig von den Strafen gegen einzelne Sünder geht es in diesem Prozess aus Fifa-Sicht um Wesentlicheres. Denn die Ermittlungen der US-Justiz im Weltfußball-Sumpf laufen nach dem sogenannten Rico-Gesetz, das als Grundlage zur Bekämpfung krimineller Vereinigungen wie der Mafia dient. Bisher stufte die US-Justiz die Fifa selbst darin als Opfer ein, nicht als Täter. Aber der Weltverband muss hart darum kämpfen, dass der Opfer-Status bleibt; sollte er ihn verlieren, wäre dies das Ende des Weltverbandes. Von nun an können Hinweise in Chens Urteilsbegründungen - etwa zur Frage, wie leicht Marin & Co. ihre korrupten Aktivitäten gemacht wurden - Fingerzeige bieten, wie hoch die Gefahr für die Fifa ist, diesen Status zu verliefen. Haben ihre Spitzenleute durch intensives Wegschauen und fahrlässig wenig Kontrolle dem System Vorschub geleistet?

Bei der Fifa braut sich aber noch mehr zusammen. Zu Wochenbeginn ging nach Auseinandersetzungen mit der aktuellen Führung der langjährige Chefjurist und stellvertretende Generalsekretär Marco Villiger von Bord. Er war der letzte Verbliebene aus der Ära des Langzeit-Präsidenten Sepp Blatter, und seit Ausbruch von Fifagate auch der Zuständige für die Kooperation mit US-Justizbehörden. Er galt als unbescholten, offenkundig war er nicht mehr gewillt, alles mitzumachen, was der neue Boss Infantino so umsetzte und plante.

In der Fifa wird über eine neue Struktur diskutiert

Der Gegenwind gegen den Schweizer wird immer stärker; Unterstützung findet er fast nur noch in autokratischen Ecken der Welt, von den Konföderationen hält allein Südamerika zu ihm. Die Spitzen der Erdteilverbände Europas (Uefa) und Asiens (AFC) verbindet seit längerem eine Allianz gegen den Fifa-Herrscher. Seit gut einem Jahr werden auch Strukturreformen diskutiert: die Rückführung der Fifa auf ihr Kerngeschäft, die WM-Ausrichtung. Für diese Aufgabe würde eine rund 50 Leute starke Einheit völlig ausreichen, geführt von einem starken Generalsekretär - wie es laut Fifa-Reform ja ohnehin sein sollte.

Die Gefahr, dass sich nach Blatter und Infantino der nächste Alleinunterhalter auf den Präsidententhron schwingen könnte, ließe sich dann so regeln, dass das Präsidentenamt, als echtes Ehrenamt, alljährlich zwischen den Kontinentalverbänden rotiert. Innerhalb von zwölf Monaten kann niemand alle Macht an sich reißen, und die wäre auch nicht mehr so attraktiv, wenn es nur um Organisatorisches ging. Ein hoher Fußball-Funktionär sagte der SZ, es sei zwar eine hohe Hürde, weil beim Fifa-Kongress eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. Das lässt sich zwar erreichen, wenn Europa, Asien und halb Afrika zusammenstehen, aber so ein Vorstoß müsse im richtigen Moment gestartet werden.

© SZ vom 24.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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