Im deutschen Biathlon war zuletzt von jungen Wilden die Rede, gemeint sind die vier Skijägerinnen Johanna Puff, 22, Selina Grotian, 20, Julia Kink, 20, und Julia Tannheimer, 19. Jung sind sie also zweifelsohne, und nach den ersten Eindrücken der Saison aus dem finnischen Kontiolahti auch ziemlich wild, allerdings vor allem am Schießstand, wo Wildheit weniger gefragt ist als Ruhe und Kaltschnäuzigkeit. In Zahlen: Von den 80 abgefeuerten Kugeln aus den Kleinkalibergewehren der Vier verfehlten am Mittwoch 18 ihr Ziel, das Quartett kam damit auf eine Trefferquote von 77,5 Prozent, was nicht so mies klingt – aber im Biathlonweltcup eben nur für Plätze jenseits der Top-40-Punkteränge reicht. So mussten es aus deutscher Sicht die nicht mehr ganz so jungen und auch nicht ganz so Wilden richten.
Zu den stabilsten Biathleten in der Frühphase dieses Winters zählen zwei deutsche Frauen. Franziska Preuß, wenn auch gesundheitlich nach wie vor eher labil, zeigte sich nach zwei Pausetagen und dem verpassten Staffelrennen in guter Form, und wenn sie den vorletzten Schuss im Nachthimmel von Kontiolahti, der gefühlt auch tagsüber ein Nachthimmel ist, nicht daneben gesetzt hätte, wäre die 30-Jährige wohl erstmals in dieser Saison aufs Podium der besten Drei gebeten worden.
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Julia Tannheimer wurde in Deutschland ausgebildet, Julia Kink in Norwegen. Warum sind die Wintersportler in Skandinavien so viel schneller? Antworten aus dem jüngsten Doppelzimmer des DSV-Biathlons.
So gewann Lou Jeanmonnot aus Frankreich das kurze Fraueneinzel vor den beiden Schwedinnen Ella Halvarsson und Elvira Öberg, Preuß kam nach zwei verfehlten Scheiben als Fünfte ins Ziel. Ihre Teamkollegin Vanessa Voigt, Dritte in der Single-Mixed-Staffel, wurde mit nur einem Fehlschuss Neunte, die 27-Jährige hätte es mit einem fehlerfreien Rennen eventuell noch auf Rang drei geschafft.
Johanna Puff indes lächelte zwar, sonderlich zufrieden schien sie aber mit Rang 74 nicht zu sein, leicht geknickt wirkten auch Grotian (50.) und Kink (65.) im Ziel. Julia Tannheimer (57.), die vor sechs Monaten das Abitur gemacht hat, gab ihrem eigenen Rennen die Note drei, angesichts ihrer fünf Schießfehler und der elftbesten Laufzeit aller 102 Starterinnen. Noch schneller als sie war im DSV-Team nur Preuß. „Ich bin positiv überrascht“, sagte Preuß der ARD. Sie sei „zwei Tage eigentlich nur im Bett gelegen. Dafür war das echt ein gutes Rennen“. Die beiden erfahrensten DSV-Biathletinnen dürften beim Sprint am Samstag und im Massenstart am Sonntag zum erweiterten Favoritinnenkreis zählen. Damit ist die Auswahl der deutschen Frauen deutlich weiter als die der Männer.
Läuferisch seien seine Männer „im Vergleich zu Norwegen und Frankreich nicht wettbewerbsfähig“, sagt Männer-Trainer Velepec
Nach dem Abtritt des verlässlichen Siegläufers Benedikt Doll war zu erahnen, dass dem Team von Trainer Uros Velepec ein harter Winter bevorstehen würde. Die bisherigen Rennen in Kontiolahti erhärten den Verdacht. Rang vier in der Staffel war verglichen mit dem verkürzten Einzelrennen am Dienstag fast ein Erfolg, wenngleich erstmals seit zwei Wintern mit konstanten Top-Drei-Ergebnissen keine deutsche Männerstaffel auf dem Podium stand.
Im Einzel kam Philipp Nawrath als 22. ins Ziel, mit drei Schießfehlern, ebenso vielen wie Danilo Riethmüller (30.) und Philipp Horn (32.). Johannes Kühn (5 Fehler, 54. Platz), David Zobel (4, 60.) und Justus Strelow (6, 81.) wirkten selbst am meisten überrascht. Eine 80 Prozent Quote - und Trefferbilder wie nach einer Saloonschießerei im Wilden Westen. Und das im hohen Norden. Fast durfte man froh sein, dass ihre verstreuten Kugeln nicht irgendeinen Feldhasen oder Unglückshäher erlegten.
Wildnis und Wilderer vertragen sich selten gut, das sah man dem deutschen Männer-Cheftrainer danach an. „Ich kann nicht sagen, dass es der schlechteste Tag in meiner Trainerkarriere war“, sagte Velepec. Viel gefehlt hat aber wohl nicht. Er müsse bilanzieren, „dass keiner der sechs Athleten schießen konnte“. Und läuferisch seien seine Männer „im Vergleich zu Norwegen und Frankreich nicht wettbewerbsfähig“, so Velepec. Viele seiner Athleten hätten sich „müde gefühlt“, erklärte der Slowene. Mit Blick auf den Sprint am Freitag sei eine ordentliche Regeneration wichtig: „Das ist der Schlüssel.“