Kontakte nach Katar:Schröders Strippenziehen mit dem Emir

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Lohnende Beziehung: Bundeskanzler Gerhard Schröder (links) 2005 in Katar bei Außenminister Sheikh Hamad bin Jassem al-Thani. (Foto: Khaled Mouftah/AFP)

Ohne Katar geht nichts, der Ölstaat nimmt eine Schlüsselrolle im Sportgeschäft ein. Dokumente belegen: Kanzler Schröder holte auch mit Hilfe des Emirs die Fußball-WM 2006 nach Deutschland.

Von Thomas Kistner und Klaus Ott, Berlin/München

Mit großem Gefolge war Hamad Bin Khalifa Al-Thani Ende Mai 1999 zum Staatsbesuch nach Berlin gereist. Bevor der Emir von Katar seine deutschen Gastgeber traf, kümmerte er sich um die zwölf Frauen, die ihn begleiteten. Das Nobelhotel, in dem die Reisegesellschaft abstieg, nahm sich sogleich der vom Flugtrip etwas zerknitterten Gewänder der Damen an: "Sagenhaft schöne Stoffe" seien das, schwärmte der Hotelmanager in der Berliner Presse, "maßgeschneidert und vom Feinsten." Nach dem Aufbügeln der Garderobe ging's zum Großeinkauf in die Berliner Luxusläden. Bundespräsident Roman Herzog, Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer kamen erst später dran.

Dabei hatte insbesondere Schröder Wichtiges zu bereden mit dem Monarchen vom Persischen Golf. Es ging um den Frieden in Nahost, vermutlich auch um Geschäfte für die deutsche Wirtschaft, was Schröder bei solchen Treffen stets ein Anliegen war. Und es ging um die Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Die sollte nach dem Willen des Kanzlers, der heimischen Fußball-Funktionäre und vieler Fans unbedingt in Deutschland stattfinden, zum zweiten Mal nach 1974.

Der Emir habe "großen Einfluss auf die Stimmabgabe", notierte das Kanzleramt

Aber die Konkurrenz war groß. Sepp Blatter, Chef des Weltverbandes Fifa, wollte die WM nach Afrika vergeben; das hatte er bei seiner Präsidentenkür 1998 versprochen. Nun bewarben sich zwei Vertreter des Kontinents: Marokko und Südafrika. Es kam für die deutsche Bewerbung also auf jede Stimme im 24-köpfigen Exekutivkomitee der Fifa an - insbesondere auf das Votum aus Katar. Der reiche Ölstaat vom Golf nimmt seit langem eine Schlüsselstellung im globalen Sportgeschäft ein.

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"Emir ist fußballbegeistert; hat großen Einfluss auf die Stimmabgabe", notierte also das Kanzleramt zur Vorbereitung auf Schröders Gespräch mit dem Staatsgast am 28. Mai 1999. Der Regierungschef wusste, was zu tun war: Am Ende des Treffens mit dem Emir warb Schröder um "katarische Unterstützung für die deutsche WM-Bewerbung" 2006. Der Emir habe sich "wohlwollend geäußert", scheine aber auch "Sympathien für Südafrika als Austragungsort zu hegen", hielt das Kanzleramt in einem Vermerk vom 1. Juni 1999 fest.

Schröders Einsatz lohnte sich. Als Deutschland im Jahr darauf, Anfang Juli 2000, mit einer Stimme Mehrheit den Zuschlag für die WM bekam, geschah das auch dank der Hilfe Katars. Dessen Vertreter in der Fifa-Exekutive, Bin Hammam, votierte für die Bundesrepublik - und er tat mehr: Bin Hammam war damals auch Chef des Asien-Verbandes AFC, der vier der 24 Wahlleute in der Fifa stellte. Als AFC-Chef wirkte er massiv auf seine drei Kollegen aus Südkorea, Thailand und Saudi-Arabien ein, ebenfalls für die deutsche Kandidatur zu stimmen.

Er tat es erfolgreich. In einem Brief vom 22. Mai 2002 erinnerte Bin Hammam einen früheren Mitstreiter aus Asien daran, wie sie nach der Entscheidung von einem zornbebenden Kollegen zur Rede gestellt worden seien; von Issa Hayatou, Chef der Afrika-Konföderation Caf: "Als Hayatou uns vier in seinen Raum rief und anbrüllte wie seine Diener, nur weil wir unser Recht ausgeübt und für Deutschland gestimmt hatten ..."

Der erfolgreiche, öffentlich bisher nicht bekannte Kanzler-Vorstoß beim Emir zeigt, dass Deutschland nicht nur wegen schöner Stadien, der Aussicht der Fifa auf Milliardenerlöse und Franz Beckenbauers Einsatz als Bewerbungschef die WM erhielt. Sondern auch, weil im Hintergrund viele Strippenzieher am Werke waren, bis hin zu Kanzler Schröder. Dessen Fürsprache beim Emir belegt zudem, dass Blatters stete Parole, wonach Sport und Politik sauber getrennt werden müssten, sich auch in diesem Fall als leeres Gerede erweist.

Bei der Vergabe von Weltmeisterschaften und anderen Großereignissen bis hin zu den Olympischen Spielen wird mit allen Kräften und auf allen Ebenen politisch hart gedealt. Jeder Bewerber versucht, sich Vorteile zu verschaffen; nicht selten fließt Schmiergeld. Die Fifa ist seit langem von Korruption durchsetzt. Schweizer Staatsanwälte gehen dem Verdacht von Geldwäsche und Untreue bei den WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar nach. Die US-Justiz untersucht weitere Fälle: Die Vergabe der Turniere 1998, 2002 und 2010 stehen derzeit zur Debatte.

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Für den Einsatz illegaler Mittel bei der deutschen WM-Bewerbung gibt es keine Hinweise. Auch Schröders Vorstoß beim Emir verstieß gegen kein Gesetz. Der Regierungschef wollte Gutes tun für sein Land. Aber man wüsste schon gerne, worüber bei dem Staatstreffen im Mai 1999 sonst noch gesprochen wurde. Deutsche Konzerne hatten kurz vor dem WM-Zuschlag große Geschäfte mit Thailand und Südkorea angekündigt oder besiegelt. In Thailand wie auch in Malta absolvierte der FC Bayern Anfang 2000 Freundschaftsspiele, bei denen nebenbei satte TV-Honorare für die Gastgeber flossen. Auch der Fifa-Mann aus Malta stimmte wohl für Deutschland.

Und was ist mit Katar? Deutsche Firmen exportieren vor allem Autos, Anlagen und Maschinen an den Golf; der Ölstaat hält Anteile an Konzernen wie Volkswagen und Siemens. Es liegt auf der Hand, dass Kanzler Schröder mit dem Emir nicht nur über Fußball, sondern auch über Wirtschaftsthemen sprach. Schröder äußert sich dazu nicht. Der Ex-Regierungschef gebe "zu Gesprächen, die er während seiner Amtszeit als Bundeskanzler mit Staats- und Regierungschefs geführt hat, grundsätzlich keine Auskunft", teilt sein Büro mit. Die SZ fragte auch beim Bundespresseamt an, was damals besprochen wurde: Gab es Absichtserklärungen, gar Übereinkünfte zu Wirtschaftsvorhaben? Nein, antwortet eine Regierungssprecherin und lässt ansonsten offen, ob generell über wirtschaftliche Interessen gesprochen worden sei.

Kontakte nach Katar gelten im Sportgeschäft inzwischen als heikel. Die Verdachtsmomente in Hinblick auf die WM-Vergabe 2022 an Katar häufen sich, und dass Bin Hammam konkret in diverse unsaubere Geldflüsse verwickelt war, ist sogar schon von der Fifa-Ethikkommission eruiert worden. Der Katarer wurde 2012 für alle Fußballtätigkeiten lebenslang gesperrt.

Als Schröder den Emir das nächste Mal traf, am 21. November 2000, Monate nach dem WM-Zuschlag, bedankte er sich für die Unterstützung. Der Emir erwiderte, er freue sich über den Zuschlag für Deutschland. Das habe dem Außenminister von Katar zwar einige Probleme mit anderen arabischen Ländern bereitet, vor allem mit Marokko, das bei der Vergabe gescheitert war. Aber schlaflose Nächte hat der Emir nicht gehabt: Das Kanzleramt notierte, der Emir habe "scherzend" auf die Probleme seines Außenministers hingewiesen.

© SZ vom 24.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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