Johanna Konta bei den French Open:Von jedem Ballast befreit

French Open - Roland Garros

Vier Jahre lang keinen einzigen Sieg in Paris – 2019 brachten nun fünf Erfolge Johanna Konta ins Halbfinale der French Open.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)
  • Wo die einen Spielerinnen scheitern, tun sich für andere Lücken auf: Im Halbfinale der French Open trifft die 19-jährige Tschechin Marketa Vondrousova auf die innerlich entschlackt wirkende Johanna Konta.
  • Am Mittwoch fielen alle Matches ins Wasser - es regnete durch.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Wenn ein Späßchen wieder und wieder auftaucht und zum Running Gag wird, ist das ein gutes Zeichen. Ein Spieler oder eine Spielerin ist dann ja noch immer im Turnier, bedeutet das. Zudem: Heiterkeit war selten schädlich, um Verspannungen mentaler Art zu lösen, und eine der Königinnen innerer Verkrampfungen ist oft genug Johanna Konta, 28, gewesen. "Manchmal, wenn man ihr zusieht", sagte die viermalige Grand-Slam-Siegerin Kim Clijsters bei den French Open, "überdenkt sie Dinge."

Zu grübeln ist Kontas Naturell, aber in Paris hat sie diesmal ein Thema gefunden, das in ihr die Leichtigkeit fördert: Als riesiger U2-Fan erzählt sie oftmals Geschichten von ihrem Dackel, den sie auf den Namen des Frontsängers Bono getauft hat. Dem Dackel habe sie mal ein Video geschickt "von einem Interview mit mir auf dem Platz", erzählte Konta der britischen Presse in Paris, "ich schwöre, er erkannte meine Stimme, seine Ohren gingen hoch."

Ein Zeichen ihrer verzweifelten Suche nach dem Weg zurück

Es ist eine Weile her, dass die kosmopolitische Britin - sie besitzt auch die australische und ungarische Staatsbürgerschaft - derart beschwingte Auftritte hatte. Eines ihrer Lieblingswörter bei den French Open ist "happy", das sagte sie nach dem überraschend klaren 6:1, 6:4 im Viertelfinale gegen die Vorjahresfinalistin Sloane Stephens aus den USA mindestens 800 Mal, nicht nur auf dem Platz will sie Dinge einfacher sehen. So wie in den Jahren 2016 und 2017, als sie einmal bei den Australian Open und einmal in Wimbledon das Halbfinale erreicht hatte und zur Nummer vier der Weltrangliste aufgestiegen war. In England aber in höheren Sport-Sphären zu schweben, heißt auch immer ungleich mehr Druck, der von den dortigen Medien in besonderer Vehemenz kommt.

Aufgrund dieser Gemengelage, ständig alles erklären zu müssen, geriet Konta in einen Strudel aus Niederlagen, Selbstzweifeln, Groll gegen Journalisten. Trainer kamen, gingen, sie testete immer wieder Coaches, all das war ein Zeichen ihrer verzweifelten Suche nach dem Weg zurück. Als sie im vergangenen Oktober Dimitri Zavialoff als Coach anheuerte, fand sie schließlich die Ausfahrt aus der Abwärtsspirale.

Das Frauenturnier von Roland Garros hat bislang merkwürdige Tage erlebt, die Absagen und Aufgaben von Favoritinnen wie Petra Kvitova und Kiki Bertens, Niederlagen vieler Gesetzter, das Theater um Serena Williams, die nach dem Drittrunden-Aus gegen Sofia Kenin den Österreicher Dominic Thiem aus der Pressekonferenz werfen ließ, um divenmäßig schneller abdampfen zu können. Wo die einen scheitern, tun sich für andere aber Lücken auf, und die hat die Tschechin Marketa Vondrousova, 19, genutzt.

Zuvor hat sie in Paris nie ein Match gewonnen

Die Linkshänderin aus Sokolov, die variantenreich wie wenige agiert, mit Stopps und Crossschlägen, ist Kontas Gegnerin am Freitag beim Kampf der beiden um den erstmaligen Grand-Slam-Finaleinzug; das zweite Halbfinale steht noch nicht fest, da der Mittwoch komplett verregnet war und alle Matches ausfielen.

Den inneren Druck zu kanalisieren, darum geht es in dieser entscheidenden Turnierphase, Matches werden "auch mental gewonnen", sagt Clijsters. Konta, die sich nur schwer von Gedanken lösen konnte, wie eine britische Variante von Andrea Petkovic (nur mit weniger Eigenironie), wirkt nun tatsächlich innerlich entschlackt. Dabei geht es ja um Bedeutungsschweres. Konta ist jetzt schon die erste Britin seit 1983, als Jo Durie im Halbfinale stand. Sollte sie das Endspiel erreichen, wäre sie dort die erste Britin seit 1976, als Sue Barker gesiegt hatte. Aber solche geschichtsträchtigen Einordnungen lässt sie offenbar nicht mehr an sich ran, über ihren Dackel oder auch mal übers Backen zu reden, sind nun ihre kleinen Fluchten.

Und wenn es um ihre Stärken geht, wird es auch nicht mehr allzu kompliziert wie früher. Konta neigte ja auch dazu, sich wie eine Atomphysikerin und Psychotherapeutin in einer Person selbst zu analysieren. "Man versucht es und scheitert manchmal, und manchmal versucht man es und erreicht etwas", erklärte der Franzose Zavialoff britischen Reportern den Ansatz, den er Konta vermitteln wolle. Was im Detail konkret heißt: mehr Toleranz auf dem Platz gegenüber sich selbst, mehr Mut zu Freiheit und Wagnis. "Mehr als alles andere hat Dimitri erkannt", sagte Konta der Times, dass sie Fähigkeiten habe, "verschiedene Dinge auf dem Platz zu machen".

Durch Zavialoff, der früher mal kurz Stan Wawrinka und Timea Bacsinszky länger betreut hatte, habe sie wieder das Gefühl reaktiviert, sich selbst mehr zu vertrauen. "Sie ist offensichtlich eine sehr gute Spielerin, ich würde sogar sagen, eine fantastische Spielerin", befand Zavialoff, "jetzt zeigt sie es." Bei ihren vier Starts zwischen 2015 und 2018 bei den French Open zuvor hatte Konta kein einziges Match gewonnen. Diesmal hat sie in Paris nun schon fünfmal gesiegt - und nur einen Satz verloren, in der zweiten Runde gegen die Amerikanerin Lauren Davis. Ihr Aufschlag funktioniert auch bestens.

"Ich sehe definitiv Licht am Ende des Tunnels", urteilte Konta. Die Britin wird in die Top 20 zurückkehren. "Es manchmal einfach zu halten", sagte Kim Clijsters anerkennend, "kann die leichteste und klarste Sache für deinen Kopf sein."

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