Konflikt beim TSV 1860 München:Aneinanderreihung von Drohkulissen

TSV 1860 München - Energie Cottbus

Löwen-Präsident Monatzeder (rechts) beginnt mit seinen 1860ern die Planung für die neue Saison - und setzt damit Investor Ismaik unter Druck.

(Foto: dpa)

Erst schickt Investor Ismaik ein Anwaltsschreiben, nun kontert wieder der TSV 1860 München: Präsident Monatzeder deutet Vertragsverlängerungen für Trainer Schmidt und Sportchef Hinterberger an - obwohl Ismaik sie eigentlich loswerden will. Der nächste Konflikt ist in Sicht.

Von Gerald Kleffmann

Auch am Mittwoch ging das Warten auf den Gast weiter in Giesing, vorerst tauchte Hassan Shehata nicht auf. Der 63-jährige Fußballlehrer, der sieben Jahre das ägyptische Nationalteam trainierte, war vom Löwen-Investor Hasan Ismaik als Experte und demnach geeigneter Gutachter angekündigt worden, um beim TSV 1860 München nach dem Rechten zu sehen und Anregungen zu sammeln für den avisierten Umbau im Verein.

Zumindest der jordanische Geschäftsmann erhofft sich nun, da sein Widersacher, der frühere Präsident Dieter Schneider, zermürbt hinwarf, einen Großangriff des TSV, der endlich wieder ein Erstligist sein soll; im kommenden Jahr ist der Löwe schon seit zehn Jahren Zweitligist. Nur in der obersten Spielklasse nämlich würde sich Ismaiks Investment - bis heute sind fast 30 Millionen Euro angelaufen - rentieren. Zurzeit wirkt dieses Ziel wie eine Utopie.

Ismaik lässt gerade über einen Anwalt seine Chancen ausloten, wie er seine Interessen im Klub besser bzw. überhaupt durchsetzen - und wohl auch, wie er aussteigen könnte. Die Forderung des TSV, dass der Investor bis vergangenen Dienstag 13 Millionen Euro überweisen sollte, sonst gebe es keinen Strategiewechsel, sowie Vorwürfe, er sei respektlos, stießen Ismaik sauer auf; er ließ übermitteln, bis auf Weiteres setze er seine Zahlungen aus.

Demnach hat also mal wieder der Dreijahresplan keine Gültigkeit, der Grad der Drohkulisse ist diesmal nur größer als sonst. Wobei auch feststeht: Sein Vorgehen ist nur die nächste Zuspitzung einer angeblichen Partnerschaft zwischen 1860 und dem Araber, die zu einer Aneinanderreihung von Drohkulissen verkommen ist. Nun, nach dem öffentlich gemachten Anwaltsschreiben, ist die Klubseite am Zug.

Hep Monatzeder, dritter Bürgermeister Münchens und neuer Präsident der Sechziger, der von den Delegierten Ende April bestätigt werden muss, versucht ein wenig, die jüngste Provokation verhallen zu lassen. Auch viele altbekannte und einige neue Klagen, vorgetragen von Ismaiks Bruder in einem Internetportal, locken ihn zunächst kaum aus der Reserve.

Zumindest fängt Monatzeder nicht zu poltern an, wie es der Mitgesellschafter aus Abu Dhabi gerne tut. "Ich möchte nicht darauf reagieren, unser Partner ist Hasan Ismaik und nicht sein Bruder Abdelrahman", sagt der Grünen-Politiker ruhig. Doch wird Ismaik genau hinhören: Bei aller Freundlichkeit erweckt Monatzeder nicht den Eindruck, als würde der TSV sich einschüchtern lassen.

"Wenn Herr Ismaik die Absicht hat, sein Investment zu verkaufen, ergibt es wenig Sinn, den Verein runterzumachen", sagt der Präsident der SZ und rät: "Er sollte lieber die Braut aufhübschen." Also dafür sorgen, dass der TSV als begehrtes Kaufprodukt wahrgenommen wird. Ob Ismaik, CEO des global agierenden Baukonzerns Arabtec, für diesen Tipp empfänglich ist?

Zuletzt hatte Ismaik wieder die Qualifikationen von Führungskräften beim TSV - bei dem es selbst nach der Fast-Insolvenz 2011 keinen Schnitt auf Führungsebene gab - in Frage gestellt. Es ist kein Geheimnis, dass ihm besonders Geschäftsführer Robert Schäfer, 37, zuständig fürs Tagesgeschäft, zunehmend ein Dorn im Auge ist.

Um den früheren Mitarbeiter des Löwen-Vermarkters IMG, der binnen weniger Jahre, auch dank der chaotischen Entwicklungen im Klub, zu einem Entscheider aufgestiegen ist, dürfte die nächste Debatte entbrennen. Aus Sicht Ismaiks hat sich in den über zwei Jahren, in denen Schäfer in der Verantwortung stand, offenbar wenig zum Guten entwickelt. Vor allem dürfte ihm aufstoßen, dass Schäfer nicht mehr wie früher den Investor eisern verteidigt, sondern sogar offen kritisiert, wie zuletzt geschehen.

Schau her, Ismaik, du hast nicht gezahlt

Dass der Investor sich um seinen Einsatz sorgt, versteht man im Verein, Monatzeder lässt beschwichtigende Töne anklingen: "Wir müssen wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommen." Dieser diplomatische Ansatz heißt aber nicht, dass 1860 auf den nächsten Schachzug verzichtet. "Wir werden uns in dieser Woche noch mit dem Präsidium und der Geschäftsführung zusammensetzen und beraten, wie wir weiter verfahren", kündigt Monatzeder an und präzisiert, wann mit Entscheidungen zu rechnen sei: "Höchstwahrscheinlich diese Woche."

Was es zu klären gilt, ist klar: die Zukunft des Sportchefs Florian Hinterberger etwa, die des Trainers Alexander Schmidt, auch Spielertransfers müssen angegangen werden. Das Signal: Jetzt erhöht der Verein den Druck, nach dem Motto: Schau her, Ismaik, du hast nicht gezahlt, jetzt gehen wir Plan B an und verlängern wohl bald mit Hinterberger und Schmidt!

Natürlich wäre das eine neue knackige Provokation, aber eine, die sich sachlich entkräften ließe. Es ist ja davon auszugehen, dass Sechzig den Sprung auf Rang drei nicht schafft und Zweitligist bleibt; somit kann, muss für die kommende Saison geplant werden - genau dieser Gedanke ist der Trumpf des Löwen-Konters.

"Wir können seine Wünsche nicht einfach erfüllen", stellt Monatzeder klar, schließlich hat - soll das heißen- Ismaik gerade nicht die Raten zwei und drei des Dreijahresplanes auf einmal überwiesen. Schließlich können wir kein Geld ausgeben, dass wir nicht haben. Wie ernst es 1860 mit seiner Vorgehensweise meint, zeigt der Fall Daniel Adlung. Der 25-jährige Stürmer von Energie Cottbus steht als erster Zugang fest.

Sollte sich das miserable Klima zwischen den Gesellschaftern nicht wie durch ein Wunder aufhellen, muss Monatzeder jedoch damit leben, mit diesem Makel am 25. April in die Delegiertenversammlung zu gehen. Sein Anspruch war es explizit, "den Investor zu integrieren". Vielleicht sei er etwas "blauäugig" an manche Debatte herangegangen, räumt er ein, was wohl ziemlich realistisch erscheint.

Als langjähriger Aufsichtsrat hätte er wissen müssen, mit wem er es zu tun hat. Nun ist auch ihm klar, dass der TSV mit Ismaik einen harten Kampf um die Entscheidungshoheit austrägt. Jeder Vorteil wird ausgespielt.

Das nächste Szenario? Die Löwen haben ein jährliches strukturelles Defizit von gut zwei Millionen Euro (Stichwort Arenakosten). Weil der Verein bei diesem Thema nicht vorwärts kommt, muss Ismaik die Summe abdecken; so wurde es im Dreijahresplan beschlossen. Bis zum 23. Mai will die Deutsche Fußball-Liga den Nachweis erbracht sehen, dass 1860 seine Löcher stopfen kann.

Bis dahin könnte Ismaik den TSV zappeln lassen. Andererseits weiß der Verein: Ismaik würde bei Verweigerung sein Investment gefährden. In jedem Fall gilt: Es gibt noch Raum für neue wunderbare Eskalationsstufen in diesem Klub.

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