Kommentar:Zuversicht durch Ballgewöhnung

Kommentar: Zurück im Training: Nach fast drei Wochen im Heimsport nahm der FC Bayern am Montag wieder die gemeinschaftliche Arbeit auf - in Gruppen von fünf Spielern, verteilt auf mehrere Schichten und Plätze.

Zurück im Training: Nach fast drei Wochen im Heimsport nahm der FC Bayern am Montag wieder die gemeinschaftliche Arbeit auf - in Gruppen von fünf Spielern, verteilt auf mehrere Schichten und Plätze.

(Foto: Christof Stache/AFP)

Dass der Fußballbetrieb auf Trainingsplätzen wieder in Gang kommt, muss niemandem Schuldgefühle bereiten.

Von Philipp Selldorf

Wenn Profifußballer über ihr Training gesprochen haben, hat das bisher immer so geklungen, als würde auf dem Rasen geschuftet wie auf einer mittelalterlichen Baustelle. Wie ihr Team unten raus- oder oben rankommen soll, wie es die Krise meistern oder die Meisterschaft schaffen kann?

Nur durch harte Arbeit, pflegten die Spieler wild entschlossen mitzuteilen. Dann sah man im Geiste vor sich, wie die Männer im Morgennebel die Hütchen, Kleinfeldtore und sonstigen Werkzeuge aufstellten, und wie sie abends die Sachen mit letzter Kraft beiseiteschafften, nachdem sie den ganzen Tag nicht nur brutal geackert und Gas gegeben, sondern auch noch Automatismen erarbeitet hatten. In den Fällen, in denen Felix Magath dabei die Aufsicht führte, erwies sich diese Fantasie vom Ganztagsjob manchmal sogar als Wirklichkeit. In den übrigen Fällen wunderte sich der Betrachter nicht selten darüber, was die Fußballer als "harte Arbeit" bezeichnen.

Die Wahrheit ist, dass die Profis durchaus um die Unerlässlichkeit des Trainings wissen; dass sie aber auch ganz gut damit zurechtkamen, wenn die harte Arbeit mit einer anderthalbstündigen Lektion am späten Vormittag erledigt war.

Am Montag nun hat die Bundesliga an vielen Orten den wochenlang stillgelegten Übungsbetrieb wiedereröffnet. Man hält sich dabei, wie überall beflissen betont wird, millimetergenau an die Auflagen der Gesundheitsbehörden und improvisiert einstweilen mit Trainingsgruppen in kleinen Einheiten. Aber es lässt sich wohl schon behaupten, dass die Profis niemals ihre harte Arbeit mehr zu schätzen wussten als jetzt, da sie lange genug das Training hatten entbehren müssen.

Er habe "in strahlende Gesichter gesehen", berichtete Horst Heldt, Manager des 1. FC Köln, nachdem sich die erste Gruppe eingefunden hatte, um auf dem Rasen ans Werk zu gehen. Die Kölner trainieren im Schichtbetrieb mit drei Gruppen à acht Mann, so bleibt genug Abstand in der Umkleide. Geduscht und gegessen wird zu Hause, Spiele und Zweikämpfe finden nicht statt, man betreibe, so Heldt, "eine Art Ballgewöhnung".

Da und dort wird jetzt diskutiert, ob das denn rechtens oder gerecht sei, was die Fußballer da machen dürfen, teilweise mit Sondergenehmigungen der Aufsichtsämter. Das Training am Kölner Geißbockheim sei "der nächste Schritt in eine Art Normalität", findet Heldt. Schuldgefühle braucht er nicht zu haben, niemand wird wegen des zaghaft in Bewegung gesetzten Fußballs benachteiligt.

Die Profis gehen mit Billigung der Politik ihrer beruflichen Tätigkeit nach, sie sind auch nicht die Einzigen, die hervorkommen aus der Erstarrung. In Städten machen einzelne Eisdielen und Läden wieder auf, neue Baustellen werden eröffnet, im engen Rahmen der Kontaktsperre regt sich wieder mehr öffentliches Leben. Dass der Fußballbetrieb auf Trainingsplätzen langsam wieder in Gang kommt, ist kein Zeugnis unverdienter Privilegien, sondern auch für Nichtfußballer ein gutes Signal: ein Zeichen der Zuversicht.

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