Süddeutsche Zeitung

Kommentar zum Confederations Cup:Rindersteak und Rotwein

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Hallo? Sind wir unter uns? Können wir offen reden? Wir sagen das nämlich nicht so gern im großen Kreis, das mit dem Patriotismus. Man darf ja öffentlich gar nicht mehr für die Deutschen sein. Von Christof Kneer

Man muss für Brasilien sein (wegen Fußball & barbusiger Samba- tänzerinnen), für Argentinien (wegen Fußball & Rindersteak), für Griechenland (wegen Otto & Rehhagel), für Japan (wegen Zico, siehe auch unter Brasilien), für Australien (wegen Rotwein & überhaupt), für Mexiko (wegen Mexiko) sowie für Tunesien (so halt). Gute Gründe sind das allesamt, trotzdem wollen wir jetzt an dieser Stelle mal unseren Politikern danken. Gerhard Schröder hat angekündigt, das Endspiel in Frankfurt sehen zu wollen, weil er fest davon ausgeht, dass unsere Jungs das Finale erreichen. Guter Mann! Und Angela Merkel hat unseren Jungs in Nürnberg gegen Argentinien die Daumen gedrückt, obwohl sie bestimmt auch Rindersteak mag. Tolle Frau!

Natürlich wird es jetzt wieder Lästerer geben, die behaupten, dass die das bloß wegen dieser Neuwahl machen. Die Lästerer werden sagen, dass die Politiker sich in den ersten beiden Spielen zurückgehalten haben, weil sie nicht wussten, ob das gut geht mit dieser jungen Mannschaft von diesem Klinsmann und weil kein Politiker bei Verlierern erwischt werden will. Die Lästerer werden sagen, dass die Politiker erst jetzt kommen, weil sie ja jetzt auch mit gewonnen haben, und weil sie mit ins Bild wollen, wenn durch Fußballdeutschland dieser Ruck geht, den dieser Herzog mal gefordert hat.

Ja, am Ende werden sich wahrscheinlich sogar noch ein paar Hardcorelästerer finden, die wo spotten werden, dass dem Klinsmann sein Ruck in der Tat den Politikern beider Mannschaften zu verdanken ist, weil die in Tateinheit von Aussitzen & ruhiger Hand in jahrelanger Kleinarbeit erst ein Klima geschaffen haben, in dem wo Reformen nötig wurden.

Was aber wird passieren, wenn unsere solcherart unterstützte deutsche Elf ihr Halbfinale verliert? Welcher Politiker & Patriot kommt dann nach Leipzig, wo doch jeder weiß, dass das Spiel um Platz drei imagemäßig kurz hinter Hartz vier kommt? Wir schlagen Oskar & Gregor vor, denn: Ist das Spiel um Platz drei nicht das Finale des kleinen Mannes? Heißa, wird das Wählerstimmen geben! Und wenn die Kamera mal wegschaut, bitte schnell zartes Rindersteak und edlen Rotwein servieren!

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Quelle:
SZ vom 23.6.2005
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