Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Zorn der Montagsfahrer

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Dass Fanvertreter jetzt einmal mehr den Dialog mit DFB und DFL abgebrochen haben, ist in der Zuspitzung ein alarmierendes Zeichen. Schuld tragen zu einem gehörigen Teil die Verbände, sie haben sich vom Publikum mit jahrelanger Gutsherrenhaltung entfernt.

Von Jonas Beckenkamp

Gerade mal ein Pflichtspiel haben die meisten deutschen Erstligisten in dieser Saison bestritten, und schon lässt sich sagen: Der Streit zwischen Fans und Verbänden kocht heiß wie in einem Hexentopf. Protest-Plakate gegen den Deutschen Fußball-Bund gab es beim DFB-Pokal in Fürth ("Mit Eurer Ignoranz habt Ihr Euch zum Affen gemacht") wie auch beim 1. FC Nürnberg ("Auf ganzer Linie versagt"). Und sogar im Kleinod Drochtersen, wo FC-Bayern-Fans mit einem Banner warnten: "DFB, DFL & Co. - Ihr werdet von uns hören".

Solche Gemütsäußerungen aus den Kurven gibt es immer häufiger, abgestimmt werden sie von Fan-Bündnissen, die keine Vereinszugehörigkeit kennen. Wenn es gegen den DFB geht, halten sogar Fürther und Clubberer zusammen, die sich sonst gegenseitig auf den Mond wünschen. Zwischen Fans und Funktionären gäbe es jede Menge zu besprechen, doch vor dem Start dieser Bundesliga-Saison sieht es so aus, als fehle die gemeinsame Basis. Dass Fanvertreter jetzt einmal mehr den Dialog mit DFB und DFL abgebrochen haben, ist in der Zuspitzung ein alarmierendes Zeichen.

Schuld tragen zu einem gehörigen Teil die Verbände, sie haben sich vom Publikum mit jahrelanger Gutsherrenhaltung entfernt. Wie anders lässt es sich zum Beispiel erklären, dass die Spielplangestalter den Freiburger Fans im Pokal am vorigen Montagabend eine Anreise von 800 Kilometern nach Cottbus zumuteten? Dass seit einem Jahr auch in der ersten Liga teils montags gespielt wird, haben die Fans mit Unmut quittiert. Hinzu kommen nun Montagspartien in der dritten Liga, die gegen Proteste durchgesetzt wurden - nur, um noch mehr Livespiele ans Fernsehen zu verkaufen.

Es verfestige sich "der Eindruck, dass der Fußballsport noch weiter seiner sozialen und kulturellen Wurzeln beraubt werden soll", schreiben Fans in ihrer Aufkündigung der Gespräche. Auch Vorwürfe wie "Profitgier" und "nette Worte, statt Taten" stehen im Raum. Derlei Anschuldigungen sind nachvollziehbar und führen mitten hinein in einen erbittert geführten Kulturkampf, der schon lange in Gang ist: Hier der organisierte, bis zur letzten Stadionlampe vermarktete Eventfußball ("wird Ihnen präsentiert von..."), der mit Fernsehgeldern versucht, den Anschluss ans Schlaraffenland der englischen Premier League zu halten. Da die Fraktion der Traditionalisten mit ihren Kutten, Bratwürsten und dem Anspruch auf Mitgestaltung in den Vereinen.

Längst bezeichnen Soziologen die Ultras als bedeutendste Jugendkultur Deutschlands - doch beim DFB, dem mitgliederstärksten Sportverband der Welt, haben sie nichts mitzureden, zum Beispiel bei Themen wie der Sportgerichtsbarkeit (Strafen bei Vergehen, Polizeieinsätze etc.), den Anstoßzeiten oder der Frage, welche Utensilien noch in Stadien mitgenommen werden dürfen. Den Fußball dürfte das als Ganzes beschädigen.

Jene zentrale Gruppe der engagierten und organisierten Fans endlich ernst zu nehmen, wäre im Übrigen auch ein Weg für die Verbände, um zwischen ihnen und Krawallmachern eine scharfe Trennlinie zu ziehen. Denn sonst kocht es in den Kurven wohl bald mal wieder über.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2018
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