Tennis:RIP, alter Davis Cup

Tennis: Strahlender Auftritt: Als Gerard Piqué mit seiner Investorengruppe den Davis Cup übernahm, konnten die Versprechen nicht groß genug sein. Auch ITF-Präsident David Haggerty (links) zeigte sich gerne mit dem Fußballprofi, etwa 2019 bei der Auslosung.

Strahlender Auftritt: Als Gerard Piqué mit seiner Investorengruppe den Davis Cup übernahm, konnten die Versprechen nicht groß genug sein. Auch ITF-Präsident David Haggerty (links) zeigte sich gerne mit dem Fußballprofi, etwa 2019 bei der Auslosung.

(Foto: Javier Soriano/AFP)

Mit den größten Versprechen und Milliarden-Zusagen waren die neuen Besitzer des Davis Cups angetreten. Nach drei Jahren doktert die Investorengruppe um Fußballer Gerard Piqué immer noch dilettantisch am Format herum.

Kommentar von Gerald Kleffmann

Man stelle sich vor, es ist Fußball-WM, Dutzende Mannschaften kämpfen ums Weiterkommen, jedoch werden fürs Achtelfinale nur zwölf Kandidaten gesucht. Der Fußball-Weltverband hat nämlich bereits vier Nationen direkt dort geparkt: Die letztmaligen Finalisten sowie zwei marktstrategisch relevante Teams mit besonderen Spielern sollen mitwirken. Portugal mit Ronaldo? Ab in die Runde der letzten 16. Argentinien mit Messi? Auch. Die will man dann ja sehen!

Absurd, Stichwort Wettbewerbsverzerrung? Mag sein, aber so ist die Sachlage im Tennis, wie die neuen Besitzer des Davis Cups kommuniziert haben. Serbien (mit Novak Djokovic) und Großbritannien (mit Andy Murray) erhalten "Wildcards" für die "Davis Cup Finals by Rakuten" im kommenden Jahr und sind bei der Endrunde neben Sieger Russland und Finalist Kroatien gesetzt. Wobei sich die Frage anschließt: Wollte die Kosmos Group, die vor drei Jahren von der ITF die Rechte erwarb, nicht auch mitteilen, wo all die schönen Spiele der Endrunde 2022 stattfinden?

Als würde Disney eine neue Star Wars-Staffel aus dem Animationsstudio zaubern, war ja an Medien die Botschaft versendet worden: Nun erfahre man die "NEXT DESTINATION". Tja. Dann erfuhr man: nichts. Die PR-Aktion wurde abgeblasen, an anderer Stelle verkündet: Nächstes Jahr werden die Davis-Cup-Finals in vier Städten ausgetragen, vom Viertelfinale an in einer fünften und - Achtung - "neutralen" Stadt. Die Entwurzelung des Davis Cups von den teilnehmenden Ländern wird als Pluspunkt verkauft. Darauf muss man erst einmal kommen.

Seine Unverwechselbarkeit hat der Davis Cup längst eingebüßt - siehe ATP Cup

Kein Geheimnis ist längst, dass Abu Dhabi als finaler Austragungsort zur Debatte steht, wenngleich auch Saudi-Arabien, ein Land mit ähnlich manifestierten Tenniswurzeln, Chancen haben soll. Ehe jetzt Romantiker des alten Formats, in dem simpel und bewährt mal ein Heim-, mal ein Auswärtsspiel anstand, der Blues plagt, sei auf wenig Überraschendes verwiesen: So ist das eben, wenn Investoren, auch noch sportartenfremde, als dunkle Seite der Macht anrücken, den Laden übernehmen, Milliarden versprechen, erste Millionen verteilen - und dann offenbar erst schauen: Wie lässt sich alles refinanzieren? Wir haben ja drei Milliarden Dollar auf 25 Jahre zugesagt. Was machen wir mit dem Davis Cup? Hier wird's nix! Ab in die Wüste!

Davis Cup tennis finals at Madrid Arena in Madrid, Spain, Sunday, Dec. 5, 202 Russia wins Davis Cup final against Croat

Die diesjährigen Davis-Cup-Sieger: In Madrid setzte sich das russische Team gegen Kroatien durch.

(Foto: Cordon Press/Miguelez Sports/imago)

2022 erlebt der Davis Cup, welch ein Desaster, schon sein drittes Prozedere bei der dritten Austragung. Hat Kosmos eigentlich irgendeinen Plan? Beim ersten Mal wurde nach der ersten Qualifikationsrunde nur in Madrid gespielt, in diesem Jahr war eine Gruppenphase in drei Städten vorgeschaltet. Und wenn der Geldfluss stockt, hilft - siehe Fußball-WM - stets auch: alles aufblähen. 2022 soll es also am Persischen Golf über zwölf Tage gehen. Ein Problem: Wie werden die Tennisprofis flugs aus vier Städten zusammengetrommelt und an den finalen Spielort runtergeflogen? Diese Logistikfrage soll, wie es heißt, auch der Grund sein, dass die "Next Destination" noch nicht hinausposaunt werden konnte. Kosmos muss klären, wie das Frachtgut Tennisprofi am besten angeliefert wird - als handele es sich um Bananen aus Costa Rica.

Ungewöhnlich ist dieses Gebaren jener Geschäftsleute, von denen Fußballprofi Gerard Piqué das sympathische Gesicht der feindlichen Übernahme darstellt, nicht. Das Unglaubliche an dieser Geschichte ist, wie sich die Tennismächte, allen voran Europa, diesen Wettbewerb entreißen ließen. Nun wird er filetiert, und seine besten Stücke - die K.o.-Spiele - werden dort dargeboten, wo sich das beste Gegengeschäft bietet. Deshalb kriegt Europa auch nur die Gruppenphase.

Ihre Unverwechselbarkeit hat die Veranstaltung in jedem Fall eingebüßt. In gut drei Wochen beginnt in Sydney der ATP Cup, mit 16 Nationen. 18 der besten 20 Profis sind gemeldet (auch der mutmaßliche Impfgegner Djokovic). RIP, alter Davis Cup. Du bist jetzt einer unter vielen.

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