Kommentar:Warten auf Zaubertricks

Es braucht schon nach neun Spielen viel Fantasie, um sich den Klassenverbleib der Aufsteiger vorzustellen. Das hitzig diskutierte Strukturproblem der Liga könnte sich in dieser Saison am Tabellenende statt an der Spitze zeigen.

Von Sebastian Fischer

Der Sportler Friedhelm Funkel ist sehr vieles: der mit 64 Jahren älteste und erfahrenste Fußballtrainer der ersten Liga, erfolgreichster Aufsteiger aus der zweiten Liga, ein passabler Tennisspieler (im Verein beim CTHC Krefeld) und nach eigenen Angaben ein geübter Koch ("Ich mag es nicht, wenn ich abends allein im Hotel sitze, weil ich mir meine Würstchen gerne selber koche", sagte er einmal über sein nomadenartiges Leben als Trainer). Für manche ist er zudem der Prototyp des Typus "Feuerwehrmann", so viele Klubs hat er schon ad hoc vor dem Absturz gerettet. Am Samstag allerdings sprach Funkel darüber, was er nicht ist, und er schloss die Kollegen und Spieler bei Fortuna Düsseldorf mit ein. Er sagte: "Wir alle sind keine Zauberer." Und das ist eigentlich schade für die Liga.

Spannung, das ist das Dauerthema, an dessen Existenz man den Unterhaltungsgrad des deutschen Profifußballs gerne misst. Gerade hat die Bundesliga entgegen aller Prognosen scheinbar sehr viel davon zu bieten. Vorne führt Borussia Dortmund auch nach neun Spielen immer noch vor dem FC Bayern die Tabelle an, hinten sind in Stuttgart und zumindest bis Sonntag Schalke und Leverkusen drei Mannschaften unter den letzten Sechs zu finden, die man dort vor der Saison nicht erwartet hatte. Doch wenn man sich das Zustandekommen der Ergebnisse der vergangenen Wochen anschaut, sieht es unten, wo es in den vergangenen Jahren verlässlich aufregend war, trotzdem nicht unbedingt nach Spannung aus.

Düsseldorf ist punkt- und torgleich und doch in einer anderen Klasse

Das wäre zunächst mal eine gute Nachricht für alle Fans des VfB Stuttgart. Natürlich ist der Klub nicht zufällig am Tabellenende, und das 0:4 in Hoffenheim war in der zweiten Halbzeit so gruselig wie in der Woche davor die erste Halbzeit beim 0:4 gegen Dortmund. Stuttgart ist gerade das Gegenteil eines Teams mit Vertrauen in die eigenen Stärken. Doch sie wissenbeim VfB: Es gibt sie, die Stärken. In den jeweils anderen beiden Halbzeiten, jeweils gegen einen Champions-League-Teilnehmer, trat der VfB passabel auf: in der vergangenen Woche gegen die gerade spielstärkste Mannschaft der Liga, am Samstag in Unterzahl. Und mit seiner Umstellung auf eine Dreierkette hat der neue Stuttgarter Trainer bei allem Übel immerhin schon mal angedeutet, dass er zwar auch nicht über Zaubertricks, aber immerhin das nötige Handwerk verfügt. Außerdem: Stuttgart hat in Mario Gomez einen Stürmer, der dem gesunden Menschenverstand zufolge demnächst mal wieder das Tor treffen wird. Und in der Abwehr spielt unter anderem der französische Weltmeister Benjamin Pavard.

Düsseldorf ist zwar auf den ersten Blick in der gleichen Situation wie der VfB: 6:21 Tore, fünf Punkte, Letzter. Doch bei der Fortuna ist es ein bisschen dramatischer. Vor diesem Wochenende hatten sie in Düsseldorf ein "Riesenfeuerwerk" gegen den VfL Wolfsburg versprochen, um das krachende 1:7 aus der Vorwoche bei Eintracht Frankfurt wiedergutzumachen. Sie waren dann allerdings in keiner von zwei Halbzeiten konkurrenzfähig - und mit einem 0:3 noch ausgesprochen gut bedient. Zum Vergleich: Im Sturm hat die Fortuna den fleißigen Rouwen Hennings, der in seinem Leben bislang exakt zwei Bundesligatreffer erzielt hat. In der Defensive spielen zum Beispiel drei Fußballer, die sie in Stuttgart im Sommer für entberlich erachteten: Marcin Kaminski, Jean Zimmer und Matthias Zimmermann.

Nun ist es keine Sensation, dass ein Klub ohne große finanzielle Möglichkeiten seine Rolle als Abstiegskandidat bestätigt. Doch lange brauchte man nicht mehr so viel Fantasie, sich den Klassenverbleib eines Aufsteigers vorzustellen, wie im Falle der Fortuna. Und für den 1. FC Nürnberg, den zweiten Aufsteiger, deutet sich nach schwindelerregenden Niederlagen gegen Dortmund, Leipzig und Hoffenheim leise ein ähnliches Schicksal an, auch wenn der Club schon ein paar Punkte mehr gesammelt hat. Insofern ist es also fast schon notwendig, dass in dieser Saison der BVB mit den Bayern mithält. Denn die wahre Ungleichheit, das hitzig diskutierte Strukturproblem der Liga, könnte sich in dieser Saison im Tabellenkeller zeigen, statt wie zuletzt in der Dominanz des FC Bayern. Es sei denn, Friedhelm Funkel und seine Düsseldorfer fangen demnächst doch an zu zaubern.

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